Absch(l)uss

Tatsächlich hatte ich lange Zeit so viel Spaß am Hochspringen und Herumstochern, dass ich den farbenfrohen Krimi als Kandidaten für unseren Gold-Award vorgemerkt habe. Ich habe dieses ebenso abstrakte wie lebendige Paradies in vollen Zügen genossen – schon alleine wegen des hervorragenden Soundtracks, den man jederzeit in einem hochklassigen Club auflegen könnte. Doch spätestens nach dem Finale, also der großen Verhandlung, war ich mit einem Mal enttäuscht. Denn dort wird klar, dass Paradise Killer trotz seiner Vorzüge nicht viel mehr ist als die „3D-Version“ einer gut geschriebenen, spielerisch aber sehr überschaubaren Visual Novel.

Dabei geht es mir nicht mal um die Gespräche, in denen man jede Figur im Grunde stets das Gleiche fragt und deren Ausgang man selbst durch Multiple-Choice-Verzweigungen nicht entscheidend lenkt. Das ständige Hin und Her zwischen den Charakteren ist interessant genug, um davon abzulenken. Es geht mir auch nicht um das private Plaudern mit den Verdächtigen, über das man offenbar die Beziehung zu ihnen verbessert, in Wirklichkeit aber nur dafür sorgt, dass sie irgendwann ein, zwei Hinweise preisgeben. Selbst die nahezu anspruchslosen Rätsel ziehen das Erlebnis nicht entscheidend herunter, auch wenn das alles gerne stärker ausgearbeitet sein könnte.

Sammeln statt konstruieren

[GUI_STATICIMAGE(setid=89321,id=92624487)]
Per Tastendruck sieht man, wo sich alle Verdächtigen aufhalten. Andere Personen findet man kaum auf der Insel. (Switch) © 4P/Screenshot

Ein großer Dämpfer war für mich vielmehr die abschließende Verhandlung, und zwar aus gleich mehreren Gründen. Immerhin rekonstruiert man den Fall vor Gericht nicht selbst, sondern klagt einfach der Reihe nach beliebige Verdächtige an (es geht um mehrere Vorwürfe innerhalb des komplexen Tathergangs) und klickt anschließend sämtliche dafür gesammelte Beweise an – der Richter entscheidet sich daraufhin praktisch immer für einen Schuldspruch, falls man nicht völlig nachlässig gespielt hat oder nur aus Spaß schon direkt nach dem Start vor Gericht zieht. Interessant ist, dass man manche Vergehen aufgrund der Indizien tatsächlich verschiedenen Charakteren zusprechen könnte und sich deshalb entscheiden muss, wen man anklagt. Ärgerlich ist aber, dass man ihren Fall dann nicht rekonstruiert und z.B. durch Dialogoptionen oder das Aufbauen eines Ereignisverlaufs eine Beweislage herstellt, sondern einfach nur genügend Fakten im Inventar haben muss.

Man erfährt auch nicht unbedingt, ob man eigentlich richtig lag. Der jeweilige Fall ist mit dem Ausführen des Urteils praktisch gegessen. Das hat natürlich seinen Reiz. Es sorgt aber auch für eine ernüchternde Beliebigkeit. Würde man im Nachgang der Verhandlung wenigstens die Konsequenzen der gefällten Urteile erleben… Das ist überhaupt eine der größten Schwächen: Man lernt die Charaktere nicht wirklich auf einer emotionalen Ebene kennen. Sie erzählen zwar von sich, insgesamt ist das Abarbeiten der immer gleichen Gesprächsoptionen aber zu sehr auf das Abtasten der Faktenlage optimiert. Zumal die Pappaufsteller fast immer an den gleichen Flecken stehen.

[GUI_STATICIMAGE(setid=89321,id=92624481)]
Im Grunde stellt man allen Charakteren immer wieder die gleichen Fragen. Was sich daraus ergibt, ist aber immer interessant und bietet neue Einblicke. (Switch) © 4P/Screenshot

Warum erlebt man nicht individuelle Episoden mit den Figuren, die Vertrautheit, Abscheu oder tiefes Verständnis wecken? Immerhin verbindet Love Dies eine lange und ereignisreiche Geschichte mit den Verdächtigten. Ich bin aber nicht mal auf die Idee gekommen den Fall nicht komplett nüchtern bzw. objektiv anzugehen und habe selbst LDs beste Freundin nur als abstrakte Sammlung von Fakten und Anschuldigungen wahrgenommen. Das ist auch vollkommen in Ordnung! Das Spiel sollte dann nur auf das Knacken logischer Kopfnüsse hinauslaufen, nicht auf emotionale Entscheidungen. Spannend hätte übrigens auch sein können, wenn man z.B. einen Charakter opfern müsste, um einen anderen vor dem Tod zu bewahren. Aber nichts dergleichen ist hier vonnöten.

Mitdenken erwünscht?

Zu allem Überfluss war die große Verhandlung auch noch ein Kinderspiel. Nachdem ich etliche Stunden lang darum bemüht war einen Überblick über alle Handlungsfäden zu bewahren und nach jeder Unterhaltung einen genauen Blick auf die neuen Notizen geworfen hatte (schließlich kann man einstellen, dass sie extra angezeigt werden), fand ich es jedenfalls richtig ermüdend, das alles lediglich noch einmal vorgekaut zu bekommen, spielerisch aber kaum aktiv zu sein.

Wäre es wenigstens möglich, die verschiedenen Anklagen einzeln zu verhandeln anstatt in einem kompletten Rutsch und hätte sich nach den jeweiligen Verhandlungen die Dynamik unter den Figuren entsprechend den Entscheidungen verschoben – das hätten spannende Ermittlungen sein können! Allermindestens hätte den Entwicklern ein Grund einfallen können, aus dem man nicht endlos viel Zeit zum Beschaffen aller Informationen hat, sodass man abwägen müsste, welche Beweisketten man priorisiert und welche man vielleicht durchs Raster fallen lassen muss. Alleine das hätte den Ermittlungen einen ganz anderen Schwung verliehen.

  1. Ich empfand leider auch, dass das Ende qualitativ der schwächste Part war und hätte mir mehr Freiheit gewünscht (gerade weil man bis dahin so frei ist). Aber dennoch fand ich sonst das ganze erfrischend und unterhaltsam.

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.