Hauen, heilen, handeln

Das gilt abseits der Kämpfe nicht immer: Dabei wirkt das neue Feature, in sämtlichen Umgebungen per Schultertaste zwischen Tag und Nacht zu wechseln, erstmal wie eine Spitzenidee. Die kleinen Zeitraffer-Sequenzen beim Wechsel sehen allerliebst aus und gerade die Erkundung größerer Städte legt so enorm an Umfang zu, weil sich je nach Tageszeit unterschiedliche Personen zeigen. Etwas konfus wird es, wenn ihr eine bestimmte Interaktion mit einer bestimmten Person sucht, zum Beispiel für eine der vielen Nebenquests. Da steht etwa eine verzeifelte Frau vor einem Spielcasino und bittet euch, ihren Ehedeppen davon abzuhalten, das Familienvermögen zu verprassen. Hilfe verbirgt sich in den Wege-Aktionen eurer Party: Jede Figur hat individuelle Möglichkeiten, mit den Bewohnern von Solistia zu interagieren. Soll Kampfkünstler Hikari den Typen einfach den Hosenboden strammziehen? Oder Inquisitor Temenos ihn ausquetschen, um den Grund für seine Spielsucht zu erfahren?

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Mehr davon! Wenn sich Charaktere untereinander über die ernsteren Themen der Handlung unterhalten, kratzt die Erzählung an der Meisterklasse. Leider gibt es zu wenig solcher Dialoge. © 4P/Screenshot

Da eure Mitstreiter neuerdings über Zwei-Wege-Aktionen verfügen – je eine für jede Tageshälfte – potenzieren sich die Möglichkeiten drastisch. Viele Weg-Aktionen ähneln sich dabei stark und stellen einfach nur unterschiedliche Varianten der spielmechanischen Dreieinigkeit aus hauen, heilen oder handeln dar. Das ist komfortabel, weil manche Aufgaben so mehrere Lösungen bekommen, allerdings führen sie alle zum selben Ergebnis. Und gerade bei Suchaufträgen müsst ihr manche Areale nun zweimal abgrasen, um die korrekte Kombination aus Tageszeit, Person und Fähigkeit zu erwischen. Das wiederum ist schade, denn hinter vielen Nebenquests verbergen sich nette Anekdoten, die ihr verpasst, wenn ihr nicht ausgesprochene Wimmelbild-Fetischisten seid oder die Lösung schnöde nachlest. Ein Perlensucher traut sich zum Beispiel endlich, seiner Angebeteten einen Antrag zu machen, wenn ihr ihm seine Klunker zurückbringt. Und was hat es mit diesem Schwert auf sich, das in einem verschneiten Dörfchen im Norden in einem Stein steckt? Ach ja, der Spielsüchtige? Den haben wir irgendwann vergessen, denn eines kann man Octopath Traveler 2 gewiss nicht vorwerfen: zu wenig zu erzählen.

DioDramen


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Anatomisch komisch, aber ausgesprochen expressiv. Die riesigen Bossgegner verfügen über animierte Spezialattacken und gehören zum Besten, was moderne 2D-Kunst zu bieten hat. © 4P/Screenshot

Einer der größten Kritikpunkte am Vorgänger war, dass die Geschichten des originalen Oktetts eher nebeneinander herliefen als miteinander zu verschmelzen – ein richtiges Abschlusskapitel gab es nicht. Ein geheimer Superboss machte zwar optisch einiges her, verbarg sich aber hinter einer unscheinbaren Questkette optionaler Aufträge. Auch hier gelobten die Designer Besserung. Zunächst mal mit schierer Erzählmasse. Neben den bereits bekannten optionalen Dialogen, in denen sich je zwei Partymitglieder mal mehr, mal weniger passend über die aktuelle Quest austauschen, gibt es jetzt sogenannte Wegkreuzungen. Dabei treffen sich die Storypfade von zwei Heldenpersonen und beide erleben gemeinsam eine Geschichte. Das können kleine poetische Musik-Einlagen unterm Sternenzelt sein oder die Jagd nach einer geheimnisvollen Bestie, welche die Tierwelt Solistias drangsaliert. Wenn ihr nach ca. 80 Stunden sämtliche Storyepisoden und Wegkreuzungen durchgespielt habt, gibt es diesmal auch ein richtiges Abschlusskapitel. Dessen Inhalt wollen wir euch nicht spoilern. Nur so viel: Auch im zweiten Teil erzählt Autor Kakunoshin Futsuzawa vor allem eine Sammlung einzelner Geschichten, die für sich stehen und am interessantesten werden, wenn ihre scheinbar so idyllische Pixelwelt Brüche offenbart.

Puppenkiste Noir


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Brücke in den Wunderdschungel. Durch Tiefenunschärfe und verschwenderische Detailfülle wirken viele Szenarien wie der wahrgewordene Traum des Tabletop-Gottes. © 4P/Screenshot

Die Welt Solisita steht nämlich am Wendepunkt einer industriellen Revolution, deren positive wie negative Auswirkungen überall spürbar werden. Neue Technologien wie Dampfmaschinen verdrängen z.B. alte Bergbau-Romantik. Expandierende Reiche überziehen ihre Nachbarn mit Krieg oder verfallen in Muster des Kolonialismus. Gesellschaftsschichten versinken in Armut, in der kriminelle Strukturen gedeihen. Und immer trifft es die Schwachen und Unschuldigen, die oft nur eure Heldengruppe zur Rettung haben. Ein erwachsenes Erzählpotenzial, das Octopath Traveler 2 ankratzt, aber nicht gänzlich ausschöpft.

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Am Ende des Regenbogens verbergen sich wirklich Schätze! Kleine Paddeltouren werden oft mit wertvollen Funden belohnt. © 4P/Screenshot

Das liegt vor allem daran, dass die Lösung der meisten Geschichten oft simpel und strikt linear verläuft. 16-Weg-Aktionen hin oder her: Wie Marionetten an Fäden habt ihr gerade dann, wenn es spannend wird, immer nur eine bestimmte Handlungsoption vorgegeben, die zum nächsten Dialog oder Rundenkampf führt. Das machen zeitgenössische Rollenspiele wie The Witcher 3 oder Divinity: Original Sin 2 besser. Und auch die klassischen JRPGs, auf die sich Octopath Travler 2 bezieht, hatten hier schon mehr Varianten drauf, etwa Suikoden 2 oder eben Chrono Trigger. Wie knifflige narrative Entscheidungen und moralische Dilemmata in einem HD-2D-Pixelepos aussehen können, machte nicht zuletzt Triangle Strategy im letzten Jahr beeindruckend vor. Vielleicht können die Entwickler-Teams beider Titel für das dritte Octopath ja mal die Köpfe zusammenstecken und ausbaldowern, wie sie im nächsten grandiosen Puppentheater noch mehr Entscheidungsfreiheit ermöglichen. Dann werden die nächsten acht Pfadreisenden endgültig vom Kleinod zum Großereigenis. Auf einem sehr guten Weg sind sie ohnehin.

  1. Das könnte knapp werden :) Aber an dem Punkt bringt Leveln auch nicht mehr viel. Wichtig ist, die richtigen passiven Skills auszuwählen und sich eine vernünftige Taktik zu überlegen. Nach so langer Spielzeit erzähle ich dir mit den Tipps aber sicher nichts Neues.

  2. Allzu viel kommt da nicht mehr. Es ist auf jeden Fall länger, als die normalen Storykapitel, aber in einigen Stunden bist du durch. Grob geschätzt vielleicht 5 Stunden, hängt aber auch davon ab, ob du für den letzten Boss noch leveln musst.

  3. Nein ich habe alle 8 Hauptstorys durchgespielt, sowie alle Kapitel, an denen 2 Charaktere beteiligt sind. Nun ist auf meiner Karte ein neues Icon mit "Extrageschichten" aufgetaucht und ich nehme an, dass sind mehrere Kapitel, die die Storystränge zusammenführen.
    Vielen Dank schonmal für deine Antwort. Wie lange würdest du alle diese Endkapitel zusammen im Vergleich zu den regulären Story-Kapiteln einschätzen? Ein Storykapitel war ja etwa 1-3 Stunden lang.
    Edit: Ich hoffe, dass ich nicht zu lang ^^ Bin schon über 100h und will vor Zelda eigentlich mal eine kurze Pause machen...

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