Zurück in die Zukunft

Vor fünf Jahren etablierte Octopath Traveler ein neues Subgenre im Rollenspielbereich: HD-2D-Titel stehen seitdem für herzige Pixelsprites in dreidimensionalen Retro-Kulissen. Zusammen mit dem Rundentaktik-Ableger Triangle Strategy und dem Remake von Live a Live entstanden seitdem mehrere liebenswerte Zeitkapseln der JRPGs aus den 90er Jahren. Schon vor dem Pixel-Revival erzielten die Projekte von Producer Tomoya Asano Achtungserfolge, z. B. mit originellen Kleinoden wie Final Fantasy: The 4 Heroes of Light und Bravely Default für DS bzw. 3DS. Allen Titeln gemein ist ein eigentümlicher Look und ein behutsamer, fast ehrfürchtiger Umgang mit dem Grundkonzept klassischer Konsolen-Rollenspiele der 16-Bit-Ära: Eine knubbelige Gruppe mit klar verteilten Rollen wie Krieger, Magier oder Dieb erkundet die von Siedlungen, Dungeons und Geheimnissen gespickte Weltkarte und bestreitet auf ihrer Heldenreise drölftausend Zufallskämpfe. Klingt simpel und ist es auch. Gleichzeitig finden wir es spaßig, wenn unter der Puppenhaus-Optik ein cleveres Getriebe aus Fähigkeiten, Waffen und Zaubersprüchen schnurrt, das jede Begegnung mit neuen Gegnern zu einer flotten, strategischen Denkaufgabe macht. Ein Ansatz, der auch ohne nostalgische Brille funktioniert – das bewies 2018 der kommerzielle Erfolg des ersten Octopath Traveler.

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Zeit für Pixelpoesie. Die neuen Wegkreuzungen können noch nicht alle narrativen Lücken füllen, führen aber oft zu atmosphärischen Höhepunkten. © 4P/Screenshot

Raum für Verbesserungen blieb damals vor allem bei der Erzählung, die interessante Momente hatte, aus den acht Einzelsträngen aber keinen gemeinsamen Handlungsbogen weben konnte. Während Visionär Asano hinter den Kulissen an der Zukunft seiner HD-2D-Zeitmaschine werkelt, zeichnet mit Takahashi Masashi nun der Co-Produzent des ersten Teils für Octopath Traveler 2 verantwortlich. Als Director kehrt Keisuke Miyauchi zurück. Beide kündigten im Vorfeld große Ziele für das Sequel an – mehr Geschichten, mehr Features, mehr Pixel. Und wenn Vorbilder wie Chrono Trigger genannt werden, spitzen Nostalgiker die Ohren. Schon bei den ersten Schritten in der neuen Welt Solistia wird klar, dass zumindest optisch nicht zu viel versprochen wurde: Einen schöneren Blick ins goldene Zeitalter der JRPGs könnt ihr derzeit nirgends sonst werfen.

Nostalgixel Deluxe


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Treffen sich ein Schwertfisch und ein Gürteltier in der Wüste. Jägerin Ochette holt Monster auf ihre Seite und verfügt bald über einen variantenreichen Kampfzoo. © 4P/Screenshot

Bereits der Look des Erstlings funktionierte vor allem in Bewegung prächtig. Die liebevoll gepixelten Weltbewohner wirkten durch die stark überzeichnete Tiefenunschärfe der 3D-Hintergründe wie zum Leben erwachte Miniaturen in der Modellandschaft eines irrsinnig detailversessenen Pen & Paper-Spielleiters. Sobald die Detailfülle allerdings runtergefahren wurde, bekam die Illusion Risse. In manchen Gebieten des weniger üppig gestalteten Hinterlandes wirkten die 3D-Landstriche des ersten Octopath Traveler dann nicht mehr old-schoolig, sondern schlicht altbacken. Entzaubernde Momente, die euch im Sequel nicht passieren können. Die neue Welt Solistia ist ein komplett ausmodelliertes Miniatur-Wunderland. Je ein Kontinent im Westen und Osten, getrennt von einem geheimnisvollen Binnenmeer, bieten Wanderrouten für Tage (und Nächte). Dampfende Dschungel, verrauchte Großstädte, zerklüftete Gebirgshänge, Sand- und Schneewüsten wirken lebendig und verschwendersich ausgestattet. Umherwuselnde Gegnergruppen bei größeren Schlachten und mehr Animationsstufen manch riesiger Boss-Sprites heben die 2D-Pixelpracht auf ein neues Level. Die Unreal-Engine wird für zeitgemäße 3D-Tricks genutzt und überrascht mit Zooms, Kamerafahrten oder Timelaps-Sequenzen. Aufwendige Ausleuchtung und atmosphärische Effekte wie Wolkenschatten, Lense-Flares, umhertreibende Pollen, Staub oder Blätter in der Luft runden die gleichermaßen niedliche wie opulente Präsentation ab. Kongenial unterstützt wird die Stimmung durch die Musik von Komponist Yasunori Nishiki, der ein weiteres Mal auf den Punkt abliefert und treibende, melancholische oder schwelgerische Ohrwürmer im Dutzend raushaut.

Mehr als ein Guckkasten


Dabei erschöpft sich die Guckkastenwelt nicht in schicker Oberflächlichkeit: Wer genau hinsieht, findet überall Überraschungen mit handfestem Spielwert. Der traditionell starre Kamerawinkel von schräg oben wird schlau genutzt, um Schatzkisten, Questgeber oder Zugänge in der Landschaft zu verstecken. Betretet ihr komplexe Gebäude oder Höhlensysteme, klappt die Vorderseite weg und gibt den Blick frei auf Fluchttunnel, Schiffsbäuche oder das schwindelerregende Dachgebälk weihrauchgeschwängerter Kathedralen. Komplexe Landschaften und Mega-Dungeons à la Elden Ring lassen sich so natürlich nicht darstellen, aber ihr habt stets die Wahl zwischen mehreren Pfaden, findet Leitern, Durchgänge zu Hochplateaus oder lohnende Lustfahrten auf Wasserwegen, für die eure Party automatisch die Pixelpaddelboote aufpumpt. Apropos Pumpen: Gebt ihr einer bestimmten Nebenfigur genug Kleingeld, dürft ihr den Mini-Ozean zwischen Solistias Kontinenten mit eurem eigenen Segelboot erkunden. Schwimmende Schatztruhen, eine Handvoll Inselchen mit Bonus-Dungeons und mythische Meeresungeheuer erwarten ihre Entdeckung durch das reisefreudige Heldenoktett.

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Fass, Eulenfreund! Ochettes Vertraute Mahina greift automatisch elementare Schwachstellen eurer Gegner an und ist außerdem unverschämt flauschig. © 4P/Screenshot

Das Grundkonzept von Octopath Traveler bleibt im Kern unverändert: Ihr habt die Wahl zwischen acht Heldenpersonen, die ihrer jeweiligen Lebensgeschichte kreuz und quer durch Solistia folgen – in welcher Reihenfolge ihr die Episoden und Kapitel angeht, bleibt euch überlassen. Auf der Weltkarte seht ihr jeweils den nächsten Handlungsort inkl. Schwierigkeitsgrad, so dass ihr Wander- und Auflevel-Routen komfortabel planen könnt. Ratsam ist es in jedem Fall, zunächst mal euer Oktett einzusammeln, um eure aus drei aktiven Mitgliedern und eurer Startfigur bestehende Party optimal für den jeweils anstehenden Abschnitt zusammenzustellen. Wie gehabt, hat jede Spielfigur nämlich nicht nur ihre eigene Saga, sondern auch einzigartige Fähigkeiten.

  1. Das könnte knapp werden :) Aber an dem Punkt bringt Leveln auch nicht mehr viel. Wichtig ist, die richtigen passiven Skills auszuwählen und sich eine vernünftige Taktik zu überlegen. Nach so langer Spielzeit erzähle ich dir mit den Tipps aber sicher nichts Neues.

  2. Allzu viel kommt da nicht mehr. Es ist auf jeden Fall länger, als die normalen Storykapitel, aber in einigen Stunden bist du durch. Grob geschätzt vielleicht 5 Stunden, hängt aber auch davon ab, ob du für den letzten Boss noch leveln musst.

  3. Nein ich habe alle 8 Hauptstorys durchgespielt, sowie alle Kapitel, an denen 2 Charaktere beteiligt sind. Nun ist auf meiner Karte ein neues Icon mit "Extrageschichten" aufgetaucht und ich nehme an, dass sind mehrere Kapitel, die die Storystränge zusammenführen.
    Vielen Dank schonmal für deine Antwort. Wie lange würdest du alle diese Endkapitel zusammen im Vergleich zu den regulären Story-Kapiteln einschätzen? Ein Storykapitel war ja etwa 1-3 Stunden lang.
    Edit: Ich hoffe, dass ich nicht zu lang ^^ Bin schon über 100h und will vor Zelda eigentlich mal eine kurze Pause machen...

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