Tod dem Raster!

Es ist fast schon ein unheimliches Gefühl, unterm Headset erstmals keine Pixel mehr zu sehen. Vielleicht auf Alyx’ Hand? Nope. Oder da hinten beim Strider? Fehlanzeige! Erst als ich mich im TestHMD-Tool vor eine komplett helle Wand stelle und gewissenhaft drauf starre, erkenne ich noch kleine Reste des Musters, aus dem die RGB-Stripe-Pixelmatrix des verbauten LC-Displays zusammengesetzt ist. Im Spielbetrieb fällt mir der Effekt sogar seltener auf als wenn ich vor meinem 1080p-Monitor sitze – endlich haben wir diesen Punkt erreicht!

Es ist ein derart faszinierendes Erlebnis, dass ich erst mal minutenlang wie ein staunendes Kind über den Balkon von Half-Life: Alyx schritt, um mir erneut alle hübschen Details aus der Nähe anzuschauen. Selbst das Zielen per Kimme und Korn fühlt sich plötzlich so präzise an wie nie zuvor! Abgeklärte Besitzer der hochaufgelösten HP Reverb G2 dürften einen ähnlichen Effekt schon kennen: Doch selbst dieser Liebling von Simulations-Fans muss sich mit seinen 2.160 x 2.160 Pixeln pro Auge geschlagen geben, da HTC diesmal Screens mit 2.448 x 2.448 Bildpunkten pro Auge auffährt. Zum Vergleich: Bei der Oculus Quest 2 sind es 1.832 x 1.920 Pixel pro Seite, bei der Valve Index 1.440 x 1.600. Lediglich die Pimax Vision 8K X bietet mit zwei nativ angesteuerten Displays à 3.840 x 2.160 Pixel noch mehr Auflösung und Sichtfeld (bis zu 170 Grad). Der relativ kleine Hersteller hat sich allerdings durch häufige Lieferschwierigkeiten und Verarbeitungs-Probleme nicht gerade den besten Ruf erarbeitet.

Bevor ich näher auf technische Details eingehe, erkläre ich erst einmal, worum es sich überhaupt handelt: Die HTC Vive Pro 2 ist ein klassisches VR-Headset, das primär für den verkabelten Betrieb an einem schnellen Spiele-PC gedacht ist. Das schwache Inside-out-Tracking der HTC Vive Cosmos wurde über Bord geworfen, so dass man wieder die hochpräzise Erfassung des Lighthouse-Systems genießt. Der Investitions- und Installations-Aufwand ist dadurch allerdings höher: Wie bei der Valve Index müssen zunächst zwei kleine Tracking-Würfel (“Basis-Stationen”) an der Wand montiert oder im Regal aufgestellt werden. Neue Controller hat sich HTC gespart. Wer möchte, nutzt einfach Valves recht beliebte Index-Controller und seine schon vorhandene Tracking-Hardware mit dem einzeln erhältlichen Headset (799 Euro). Alternativ greift man zum kompletten Bundle mit den veralteten Vive-“Knochen” sowie Tracking-Stationen – für insgesamt 1.399 Euro. Das Headset richtet sich also klar an Enthusiasten und Geschäftskunden, da schließlich auch ein kostspieliger PC Pflicht ist.

Altbekanntes Gehäuse

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Ground Control an Major Jan: Im Vergleich zur geschrumpften Konkurrenz wirkt die Vive Pro 2 wie ein klobiges Relikt – allerdings ein sehr bequemes! Der vor dem Mund hängende Gesichts-Tracker ist übrigens nur optionales Zubehör (siehe Seite 4). © 4P/Screenshot

Beim Gehäuse-Design hat HTC es sich einfach gemacht: Vieles gleicht den Vorgängermodellen Vive Pro (zum Test) und Vive Pro Eye, darunter die komplette Form (mit leicht geänderter Farbgebung), das unter Windgeräuschen leidende Mikrofon oder die nur mäßig klingende Audio-Lösung: Die eingebauten Ohrmuscheln lassen sich zwar praktisch herunterklappen. Sie werden aber nicht dicht genug an die Ohren gedrückt, um den theoretisch vorhandenen Bass auch hören zu können. In der Praxis bleibt der klare aber bassarme Standard-Sound also hinter der Index zurück, schlägt die “plärrenden” Schlitze der Quest 2 oder Rift S aber deutlich (es sei denn, man stöpselt dort eigene gute Kopfhörer an). Als genial erweist sich nach wie vor der unschlagbar bequem ausbalancierte Sitz für lange Spiel-Sessions – obwohl das Gerät spürbar schwerer und klobiger ist als die aktuelle Konkurrenz.

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Die Fotos durch die Linse können leider nicht vermitteln, wie unglaublich detailreich Half-Life: Alyx mit der Vive Pro 2 aussieht. Bis in die kleinsten Gassen lässt sich das Geschehen ausspähen. © 4P/Screenshot

Vermutlich spielt dabei auch das Gesichtspolster eine Rolle, das viel dicker ausfällt als bei der Konkurrenz und die Augen so weiter vom Bildschirm fernhält (ein ähnlicher Effekt also wie bei der HP Reverb G2). Mit einer Brille leidet das FOV noch stärker, da man das verstellbare Frontteil des Headsets dann noch weiter ausfahren muss. Mich persönlich stören solche Unterschiede beim kompletten Sichtfeld übrigens kaum. Mir fiel allerdings sofort negativ auf, wie wenig sich der gemeinsame Sichtbereich der beiden Augen überschneidet (Stichwort: Binocular Overlap). Wenn ich z.B. in SteamVR in der Mitte meines Home-Zimmers stehe und still an die Wand starre, sehe ich nur die mittlere der drei Wandtafeln mit beiden Augen. Die zwei Tafeln rechts und links davon sind jeweils nur noch mit einem Auge zu erkennen – das sieht auf der Index und vor allem der Quest 2 deutlich natürlicher aus!

Natürlich spielt diese Überschneidung der zwei Augen auch eine wichtige Rolle für die Tiefenwahrnehmung, z.B. zum präzisen Erkennen von Plattformen wie im Jump-‘n’-Run Ven VR Adventure. Schade auch, dass es zu den Rändern hin schneller unscharf wird als mit der Quest 2. Der scharfe Bereich in der Mitte der des Bildes (Edge to Edge Clarity) kam mir deutlich kleiner vor als bei Facebooks Headset, aber immerhin noch größer als bei der Index. Ähnlich sieht es beim ordentlich geratenen Sweet Spot aus – also dem scharfen Zentrum der Linsen, das man für eine klare Sicht möglichst mittig vor den Augen zurechtrücken sollte: Er wirkt etwas kleiner als bei der Quest 2, aber leicht größer als bei der Index.

  1. Schöner Artikel,
    ich bin schon lange an VR interessiert, konnte mich aber bisher nie so ganz in die Materie einfuchsen.
    Nachdem diese Woche meine antiquierte GTX680 final (nach dem letzten Backen hat sie noch ein Jahr gehalten :D ) den Löffel abgegeben hat und ich meinen PC auch zur Arbeit benötige, kam mir der 3070Ti Launch recht naheliegend vor (ich weiß, wenig Mehrwert gegenüber der 3070), die 3080 war mir mit den aktuellen >2k€ Preisen dann doch zu teuer. Ich habe trotzdem eine extrem überteuerte Custom-Karte (die MSI GeForce RTX 3070 Ti SUPRIM X 8G) ergattern können, diese ist ja eher als 1080p/1440p Karte ausgeschrieben, weswegen mich die Mindestanforderungen von der HTC Vive Pro 2 etwas irritieren.
    Ohne jetzt weiter groß auszuführen...
    Könnt ihr mir eine Einsteigerkombi empfehlen? Mir geht es primär um hohe Wiederholraten statt enormer Auflösung, was ja bei besseren Settings (sofern ich das richtig verstanden habe) mit meiner Grafikkarte eher mit der Index zu erzielen wäre? Also einfach das Index Set holen oder überwiegt doch der WOW-Moment der ersten Minuten in Alyx mit hoher Auflösung und somit dann lieber die VP2 + 2xSteam Basis + Index Tracker? Sind dort mit meiner Grafikkarte allgemein stabile Frameraten zu erwarten (finde wenige Tests hierzu)? Die 3070Ti ist ja in etwa auf dem Level der hier für den Test verwendeten 2080Ti.
    Bin kompletter VR-Noob und hatte noch nie eins der Geräte auf dem Kopf, primär will ich erstmal Spiele wie Alyx, BeatSaber und Squadrons austesten, das sollte auch stabil & flüssig laufen. Bei Oculus passt mir der Facebook Zwang nicht und bei der Index bin ich mir unschlüssig, da doch schon etwas älter (wenngleich die Lautsprecher besser zu scheinen sein). Ist der Gebrauchtmarkt hier zu empfehlen? Die VP2 lässt sich ja wohl auch besser nachrüsten (Facial Tracker, Eye-Tracking folgt scheinbar noch).
    Mir ist klar, dass das auch sehr viel mit persönlichen Präferenzen zu tun hat.
    Würde mich dennoch über eine Empfehlung freuen.
    Grüße

  2. 4P|Jan hat geschrieben: 30.05.2021 01:00 Okay, kurzes Update zum Mod mit dem Cool XG Foam Replacement Set for Oculus Quest 2 (das schmalere der zwei beiliegenden Polster): Das Gesichtspolster passt recht gut per Klettverschluss an die HTC Vive Pro 2 und das FOV ist durch den geringeren Abstand dann bei mir deutlich besser: Vertikal 90 statt 72 Grad und horizontal 112 statt 96 Grad (also etwa in meinen Index-Bereichen von 106/106, nur breiter und nach oben/unten hin schmaler). Die Probleme im Bereich Binocular Overlap werden dadurch auch etwas kleiner, da sich das Stereo-Bild beider Augen auf einer spürbar größeren Fläche überschneidet (trotzdem noch kleiner als bei Quest 2 oder Index).
    Warnung: Allerdings stößt dann auch meine Nase vorne ans Plastik und die Linsen beschlagen schneller. xD Für mich ist die Mod also nicht praxistauglich.
    Per Mod mit dem dickeren der zwei Cool-XG-Polster sind es vertikal noch 86 Grad und horizontal 108 Grad, doch auch hierbei stößt die Nasenspitze vorne dauerhaft gegen das Gehäuse.
    Zur Einordnung: Meine Nase ist schon eher groß als klein, aber auch nicht wirklich ein großer Zinken. ;)
    Danke für deine breaking news!

  3. Ich werde mit Kabeln nicht mehr warm.
    Wenn man einmal eine Quest hatte, will man wirklich nichts anderes mehr.
    Da bin ich sicher. Auch wenn das Bild besser ist. Die Möglichkeit sich im Raum zu bewegen ist unglaublich.
    Auch als Erfahrung. Also mitten im Spiel sein. Es gibt nichts besseres.
    Aber es muss ja auch jeder selber wissen. :D

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