Vielseitige Reise

Eine weitere Stärke des Spiels ist der Abwechslungsreichtum der Schauplätze: Meist ist man natürlich in der von sozialen Gegensätzen geprägten Metropole unterwegs – oder in ländlicheren Gebieten des Mittleren Westens. Trotzdem entsteht während der rund zwölf Stunden Spielzeit der Eindruck, sich auf einer längeren Reise zu befinden. Man erforscht stimmungsvoll inszenierte Orte wie futuristische Hochglanzbauten, eine verfallenen Freizeitpark, gruselige Keller oder auch Orte, an denen die Schattenseiten der Automatisierung sichtbar werden: Immer wieder trifft man auf der Straße auf wütend demonstrierende Arbeitslose oder sieht mit eigenen Augen, wie unwirklich der Massentransport der „Blechsklaven“ in ihren futuristischen Bussen wirkt. Schade, dass die erforschbaren Areale mitunter etwas eng ausfallen: Vor allem auf der Suche nach Graffiti oder anderen Hinweisen stolpert man öfter mal in die virtuelle Begrenzung, hinter der sich die Spielfigur langsam wieder umdreht.

[GUI_STATICIMAGE(setid=83676,id=92564074)]
Teils vertraut… © 4P/Screenshot

Stilistisch wird der Mix aus sozialer Not und technischer Aufbruchstimmung schön visualisiert. In den ärmeren Gassen Detroits hat man mitunter fast den Eindruck, in unserer Gegenwart unterwegs zu sein – bis man dann wieder die allgegenwärtige Technik-Artefakte entdeckt, die sich wie wuchernder Efeu durch die Stadt ziehen. Hier ein leuchtender Zebrastreifen, dort ein futuristisch verdrehter Wolkenkratzer mit Androiden-Personal, und schon befindet man sich gedanklich wieder in der nahen Zukunft. Schade, dass sich Soundtrack und Abmischung angesichts der Gegensätze nicht experimentierfreudiger und dynamischer zeigen. Die Orchester- und Synthie-Melodien bleiben unauffällig, unterstützen aber trotzdem gut die Stimmung.

Fast wie ein echter unechter Mensch

Das Dialog-System mit seinen einzelnen Wörtern fällt manchmal leider zu knapp aus, um mit Fingerspitzengefühl auf sein Gegenüber einzugehen – trotzdem entwickeln sich während der Unterhaltungen bewegende Momente. Ein technisches Highlight sind erneut Gestik und Mimik, bei denen Quantic Dream auf seinem Erfahrungsschatz als Pionier des Motion-Capture-Schauspiels aufbaut. Vor allem die Androiden balancieren gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Menschlichkeit und subtilen Bewegungen, die ein tatsächlicher Homo Sapiens aus diesem Kulturkreis vielleicht einen Deut anders umsetzen würde. Um natürlicher zu wirken, imitieren sie auch das natürliche leichte muskuläre Zucken einer unruhigen Hand, wenn zum Beispiel ein Beweisstück hochgehoben wird. Der einzige kleine Schönheitsfehler sind auch bei den Menschen nach wie vor weit geöffnete Münder – wobei ich nicht wirklich festnageln kann, welches Detail mir dabei seltsam vorkommt. Trotzdem gehören die Gesichtsanimationen zu den besten der Branche – vor allem, wenn man beachtet, dass die Qualität hier über das komplette Spiel aufrechterhalten wird statt nur in Zwischensequenzen.

[GUI_STATICIMAGE(setid=83676,id=92564085)]
…teils surreal wirkt das nur partiell modernisierte Detroit. © 4P/Screenshot
Die Kulissen fallen im Vergleich dazu deutlich ab. Mit dem Detailüberfluss von Assassin’s Creed Origins oder God of War kann man trotz deutlich kleinerer Areale bei weitem nicht mithalten. Vor allem bei Bauwerken am Horizont oder bei Steintexturen direkt vor der Kamera wird es oft etwas unscharf. Trotzdem bleibt die Technik auch in der Umgebung gut genug, um bei fast immer flüssigen 30 Bildern pro Sekunde eine glaubwürdige Welt zu inszenieren. Eine schöne Ergänzung sind dabei übrigens die verstreuten Nachrichten-Tablets, die über die technischen Errungenschaften und gesellschaftlichen Entwicklungen aufklären. Hier wird vieles thematisiert, von der überforderten Promi-Präsidentin über die zivile Raumfahrt bis hin zu Frauenzeitschriften, die Tipps für den Konkurrenzkampf mit Sex-Androiden geben. Ein wichtiger Streitpunkt ist außerdem die sich zuspitzende Antarktis-Krise, welche durchaus zu einem Dritten Weltkrieg mit Russland führen könnte.
  1. Waticorp hat geschrieben: 18.12.2019 22:13Ohne SSD und moderne 8-Kern-CPU dürften da einige PCler trotz teurer Grafikkarte dumm aus der Wäsche schauen.
    ...ich denke, die einzigen die "dumm aus der Wäsche" schauen sind die Entwickler, wenn sie es nicht gebacken bekommen. Das Gros der PC-Spieler ist doch gar nicht an der Masse der PS4 Spiele (insbesondere) interessiert. Da sind mal einzelne dabei aber gut, kann man sich halt auch ne Konsole für holen. Nur gut für QD, dass der EPIC Store kein Bewertungssystem hat. Tatsächlich wollte ich mir das Spiel im Sale holen

  2. Das Spiel wurde der PS4 auf den Leib geschneidert, deswegen sieht es so viel besser aus als die meisten anderen PS4-Spiele. Daher ist es kein Wunder, dass ein PC, der in der Regel keine acht CPU-Kerne besitzt und eine ganz andere API als die PlayStation nutzt, durchaus gefordert wird von dem Port. Das ist nicht wie ein Gears 5 parallel für Konsolen und PC entwickelt worden. Dann hat der PC natürlich klare Vorteile. Das wird noch interessant in der nächsten Konsolengeneration. Ohne SSD und moderne 8-Kern-CPU dürften da einige PCler trotz teurer Grafikkarte dumm aus der Wäsche schauen.

  3. @CutOff: Wie man zu diesen Dingen steht, hängt offenbar sehr vom Weltbild der jeweiligen Person ab. Für mich ist ein Mensch eigentlich auch nur eine Maschine, bloß aus Knochen, Muskeln und Blut statt Metall, Motoren und Öl. Die Seele ist für mich einfach die Software, die in der Hardware Gehirn läuft. Wenn man das alles auf menschlichem Niveau künstlich nachbilden kann, hat man in meinen Augen einen dem Menschen ebenbürtigen Androiden erschaffen, mit Gedanken, Gefühlen und entsprechenden Ausdrucksmöglichkeiten. Ich glaube, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das technisch möglich ist. An ein Leben nach dem Tod glaube ich nicht. Wenn das Betriebssystem im Gehirn runtergefahren wird, ist auch alles Bewusstsein und Empfinden vorbei. Damit ist die Person als solche nicht mehr existent. Es bleibt ein lebloser Körper zurück, der dann von anderen Lebenwesen verwertet wird. Androiden hingegen könnten ihren Gehirnzustand als Backup jederzeit sichern und nach der Zerstörung des Körpers in einen neuen Körper transferieren, ganz wie in NieR:Automata mit dem Bunker. Man verliert höchstens die Erinnerungen seit dem letzten Backup. Damit ist man praktisch unsterblich.

  4. VaniKa hat geschrieben: 16.12.2019 18:15 Total spannendes Thema, das in Zukunft sicher mal wirklich relevant wird. Hab mich schon bei NieR:Automata gefragt, was denn diese Androiden eigentlich von "echten Menschen" unterscheiden soll. Im Prinzip haben die Menschen da einfach eine physiologisch alternative Form des Menschen erschaffen. Und spätestens, wenn diese Androiden eine echte KI sowie Empfindungsfähigkeit besitzen, stellen sich ethische Fragen. Sofern diese Androiden also vor allem für den Zweck geschaffen werden, die Dinge zu tun, die man Menschen nicht (mehr) zumuten will (schwere oder anspruchslose Arbeit und Sexarbeit - moderne Sklavenhaltung), darf man das eigentlich genau so wenig zulassen wie bei "echten Menschen". Androiden dürfen also insofern eigentlich nie wirklich empfindungsfähig und sich ihrer selbst bewusst sein, sonst hätte man damit nicht wirklich etwas gewonnen. Ich persönlich stelle mir eine Zukunft mit Androiden als Spezies neben dem "herkömmlichen" Menschen aber durchaus interessant vor. Und wer weiß: Vielleicht lösen diese den Menschen aus Fleisch und Blut ja auf Dauer auch ab, weil Dinge wie Unsterblichkeit, einfache Reparierbarkeit und Immunität gegenüber Krankheiten doch durchaus vorteilhaft wären. So etwas muss also nicht zwangsläufig durch eine "feindliche Übernahme" passieren, wie sie gerne prophezeit wird.
    Tatsächlich ein sehr spannendes Thema. Ob Androiden jemals ein Bewusstsein eines Menschen erlangen ist fraglich. Wozu ein Bewusstsein eines Menschen möglich ist, lässt sich sehr gut mit psychoaktiven Substanzen (alternativ mit jahrelangen Meditation) veranschaulichen. Man spricht mit anderen Entitäten in scheinbar anderen Dimensionen (andere Realitäten?). Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich ein Android in diesen Bewusstseinszustand versetzen kann. Das würde höchstens funktionieren, wenn ein Android das simuliert und das würde nur auf groben Erfahrungen von Menschen basieren (es wäre als nur eine Simulation und kein...

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.

Seite 1