Doch man muss nicht mal vorher einen Verdachtsmoment hegen oder einfach nur die Geduld verlieren. Wenn man möchte, kann man jede Figur, die einem begegnet, aus heiterem Himmel abschießen – muss dann aber mit den Konsequenzen leben. Und nur selten sind die so glimpflich wie beim eigenen Onkel, der nach seinem gewaltsamen Tod durch den namenlosen Helden als Geist weiter beratend zur Seite steht. Figuren, die Aufträge hätten, die einen dem Ziel näherbringen, können aus der Welt entfernt werden und stehen dann natürlich nicht mehr zur Verfügung. Nimmt man den Bob-Marley-Song als Vorbild und erschießt den lokalen Gesetzeshüter Nummer 1 kann man keine Kopfgelder mehr einstreichen und hat es dementsprechend schwer, sich genügend Geld für neue Ausrüstung in Form von Schießprügeln oder Hüten zu verdienen. Und wer im Stadtzentrum oder im Saloon wild um sich ballert, braucht gar nicht erst versuchen, sich hier wieder blicken zu lassen: Sobald man sein Gesicht zeigt, ziehen die übrigen Bewohner ihre Knarren. Wenn man will, kann man übrigens auf Dauertod schalten, ansonsten verliert man die Hälfte seines mitgeführten Geldes und wacht am letzten Kontrollpunkt wieder auf. Doch Vorsicht: Die Gesinnung der Bevölkerung bleibt auch nach dem Ableben des Helden aktiv.
Wer sich hauptsächlich bar jeglicher möglicher Dialog-Diplomatie durch den Westen ballern möchte, muss allerdings auch abseits des dann massiv ansteigenden Schwierigkeitsgrades ein paar Punkte beachten: Geschossen werden kann nur horizontal. Dadurch bekommen die Auseinandersetzungen eine besondere Dynamik, werden aber bei größeren Gegnergruppen unübersichtlich. Zumal die KI nicht sehr clever agiert und mitunter in einem großen Pulk horizontal auf einen zustürmt. Außerdem muss vor jedem Schuss der Hahn in Stellung gebracht werden, während das Nachladen ebenfalls für jede Patrone einzeln passiert, so dass hektische Gefechten zu einer kleinen Klickorgie mutieren können. Zu guter Letzt muss man immer im Kopf behalten, dass der Unterschied zwischen Leben und Tod in der Kopfbedeckung zu finden ist. Trägt man einen Hut, ist der Treffer nicht tödlich – stattdessen wird ähnlich wie bei Doc Brown in Zurück in die Zukunft 3 der Stetson vom Haupt geschossen. Bis zu zwei Ersatzhüte führt der Held mit sich und setzt sie eloquent wieder auf. Und wenn man sich beeilt, kann man seinen dadurch symbolisierten Lebenspunkt-Vorrat auch wieder auffüllen, indem man die Kopfbedeckungen der Gegner aufsammelt und seiner Sammlung zufügt. Alternativ kann man bei Huthändlern auch welche kaufen.
Subtiler Humor
Westerado geht sehr selbstironisch mit der Materie „Western“ um und reiht sich irgendwo zwischen dem Mel-Brooks-Film Blazing Saddles und dem bereits erwähnten Zurück in die Zukunft 3 ein, die beide auf ihre Art ähnlich süffisant sowie mitunter sehr subtil Westernmythen aufs Korn nehmen. Allerdings muss man der englischen Sprache mächtig sein und die gut geschriebenen Texte studieren, deren Schrifttyp nicht jedermanns Sache sein dürfte. Es gibt weder Sprachausgabe noch eine deutsche Lokalisierung, so dass evtl. vieles abseits der offensichtlichen Anspielungen wie den Gründer der Stadt Clintville (East Clintwood) verloren geht, wenn man nicht aufmerksam mitliest. Doch egal ob man nun sämtlichen Humor versteht, der die bitterböse Rachegeschichte versüßen möchte oder nicht: Das Zusammenspiel der Pixel-Kulisse und sehr stimmungsvoller Musik-Kompositionen sorgt für ein gelungenes Western-Feeling.
Ich stimme v3to zu, dass es eine sehr große Herausforderung ist ein funktionierendes Team aufzustellen, also 8bitLegend hat sich da trotz seiner noblen Ansichten in ein Thema verrannt. Es ist ja nicht so, dass nur Eigenbrötler Indie-Spiele machen, denn ein größeres Team frisst doch auch mehr finanzielle Mittel auf, braucht viel mehr organisatorischen Aufwand. Wenn man dann seine ersten Spiele konzipiert wird man schnell mal scheitern, Metascore technisch gesehen.
Auch erfolgreiche Schwarmfinanzierungen reichen da nicht immer aus, um den ganzen Bedarf zu decken. Es kommt der Punkt an dem man eben Kompromisse eingehen muss um das Ganze endlich fertig zu kriegen. Gerade das Artwork ist ja eine heikle Sache und v3to hat da wie ich finde einen tollen Einblick gegeben.
Schneller ginge es vielleicht mit richtigen Investoren, aber da ist man hierzulande einfach zu skeptisch oder es fehlt schlicht das Geld.
Ich für meinen Teil genieße Pixelgrafik selbst auf Großbildleinwand, wenn sie gekonnt umgesetzt wurde.
Der Anspruch auf eine auf dem aktuellen Stand der Technik bestmögliche audiovisuelle Präsentation hat ja erst dazu geführt, daß mit der Zeit immer mehr und mehr Nischen unbesetzt blieben.
Ich denke es ist die Masse der Indieproduktionen, die Spielentwicklung wieder zur Kunstform erhebt, das breitere Spektrum ermöglicht erst die herausragenderen Werke.
Aus der Not, mit geringsten oder gar keinen finanziellen Mitteln und den dadurch begrenzten technischen und personellen Möglichkeiten, eine Tugend zu machen und mit inhaltlichem und stilistischem Eigensinn und Schlüssigkeit , also mit stärkerem künstlerischen Ausdruck zu punkten - ich finds klasse, daß der Markt das aktuell hergibt und hoffe darauf, daß diese Phase noch ein paar Jahre anhält.
Nichtsdestotrotz würde mir persönlich Westerado mit mausgesteuertem gezielten Schießen wohl wesentlich mehr Laune bereiten, ich werde mit den Kämpfen einfach nicht warm, das ist mir eindeutig zu viel des Guten....
So leicht wird man eine Legende? Cool, dann bin ich ja ein 8bit Gott :wink: