“Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung.” Nimmt man dieses Zitat des irischen Lyrikers Oscar Wilde als Maßstab, muss Playdeads vor etwa sechseinhalb Jahren erschienenes Premierenspiel Limbo großen Eindruck auf den tschechischen Entwickler Lukas Navratil gemacht haben, der Toby: The Secret Mine weitgehend im Alleingang entwickelte. Bereits letztes Jahr auf Steam und Mobilgeräten erschienen, blieb der Titel allerdings weitgehend unter meinem Radar. Erst jetzt, mit der Veröffentlichung auf Konsolen, bin ich auf den Plattformer aufmerksam geworden, der wie sein Vorbild Limbo auch zusätzlich auf Puzzle-Elemente baut. Doch nicht nur hier ist die Inspiration des Premieren-Meisterwerks von Playdead spürbar. Es ist vor allem das Artdesign, das die stärksten Assoziationen und Déjà-vu-Momente produziert.
Angefangen von dem Scherenschnitt-Design der Figuren, über die Weichzeichner und Filter in den unterschiedlichen Scroll-Ebenen bis hin zu den weißen Knopfaugen des Protagonisten, der sich nur durch kleiner Hörner (oder sind es Ohren?) von seinem Limbo-Kollegen unterscheidet, gibt es kaum Unterscheidungsmerkmale. Und ist man schließlich in dem Abschnitt unterwegs, in dem unaufhörlich der peitschende Regen das Vorwärtskommen erschweren möchte, ist die Illusion perfekt – man hat das Gefühl, Limbo zu spielen und zu sehen. Doch Navratil war sich der sehr starken Ähnlichkeit scheinbar bewusst, denn wo Playdead von Anfang bis Ende mit seinen Grautönen den perfekten Hintergrund für ihre düster-melancholische Erzählung findet, kommt hier viel Farbe ins Spiel: man hüpft durch grüne Wälder. Man rennt durch weiße, von Schneestürmen gepeinigte Areale. Man rätselt sich durch braune Sumpflandschaften. Und man kämpft am Ende in einer knallbunten Flammenhölle. The Secret Mine gibt sich Mühe, in den über 20 Abschnitten für visuelle Abwechslung zu sorgen – und das zumeist erfolgreich.
Erzählerisch flau
Das wiederum geht stark zu Lasten der Atmosphäre. Das Vorbild legt mit seiner geheimnisvollen Geschichte um das Verschwinden der Schwester ein solides Fundament. Und darauf aufbauend wurde in der Suche nach ihr geschickt mit Ängsten und Erwartungen gespielt, während die Hauptfigur dort immer wieder brachial und mitunter schockierend um die Ecke gebracht wurde. Hier hingegen erfährt man nur, dass eine böse Gestalt die Kinder (?) eines Dorfes entführt hat und Toby alle aus ihren Käfigen befreien muss. Und wo Limbo im Zusammenspiel von angedeuteter Story und der Kulisse für ein bedrückendes Kopfkino sorgt, sind die Umgebungen hier nur der Schauplatz für die Rätsel- und Plattformanforderungen.
Die sind vor allem dank der sehr akkuraten Kollisionsabfrage sowie der genauen Steuerung unterhaltsam. Überraschungen darf man bei Toby allerdings abseits von gelegentlich gut versteckten Zugängen nicht erwarten. Hier müssen Schalter betätigt, dort Kisten verschoben und dann wiederum eine rasend schnelle Lorenfahrt bewältigt werden. Wie auch beim Artdesign gibt es hier und da Elemente, die nicht im Vorbild zu finden sind. Doch die reichen leider nicht aus, um aus The Secret Mine etwas Eigenständiges oder Frisches zu machen, da man alles schon irgendwo gesehen hat – im Zweifelsfall beim tendenziell ebenfalls von Limbo inspirierten Badland. Und es wird deutlich, wie unterschiedlich die Wirkung von nahezu identischen Elementen sein kann, wenn sie stimmig im Rahmen eines durchdachten Konzeptes zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden wie bei Limbo (oder noch stärker bei dem geistigen Nachfolger Inside) oder wenn sie nur als Versatzstücke zusammenhanglos aneinandergereiht werden. Jedes Element für sich funktioniert, doch in einem kohärenten Zusammenhang wäre es stimmungsvoller.
Erbarmungslos
Bei den durchaus in die hunderte gehenden Bildschirmtode ist man zwar gnadenlos, aber nicht so explizit wie das Vorbild. Toby wird geröstet und durchsägt, er ertrinkt, stürzt in die Tiefe, wird von einer Lawine erfasst oder gepfählt. Egel durchbohren ihn, er wird von einstürzenden Decken begraben – und doch lässt mich das irgendwie kalt. Nicht nur, weil einige der Tode die Auswirkung eines mitunter zu stark eingesetzten Trial-&-Error-Designs sind. Sondern auch, weil einem hier durch die schwache Story sowie Charakterisierung die emotionale Anbindung fehlt.
Zudem macht es einen großen Unterschied, ob man mit ansehen muss, wie ein Held wider Willen auf der Suche nach seiner Bestimmung von einer Bärenfalle zerteilt wird und dies auch visuell dargestellt wird oder ob das riesige Sägeblatt mit einem böse summenden “sirrrr-krrrrks” durch die Figur fährt, diese aber nur wie bei allen anderen Todesformen in sich zusammensackt. Es hinterlässt keinen Eindruck. Man nimmt es einfach als gegeben hin und unternimmt einen neuen Anlauf.
Ich frage mich ja, ob es den Entwicklern dieser Umstand nicht einfach selber peinlich ist...
Limbo war damals echt ein visuelles Meisterwerk, teil zwei toppt dann alles.
Schaut interessant aus. Wirkt wie eine Mischung aus LIMBO und Rayman Legends.
Eine Scherenschnittoptik ist nun aber auch keine Erfindung von Limbo. Auch wenn ich verstehe, woher die Aussage kommt, finde ich es dennoch merkwürdig, da ich schließlich auch nichts jedes Pixelgame als Kopie von einem anderen anklage.