Warst Du mal eine Gottesanbeterin?

Die stärkeren Gegnervarianten, denen Corvus auf seiner rund 30-stündigen Reise begegnet, sind in zwei Kategorien unterteilt: Es gibt etwas größere Varianten der normalen Gegner-Modelle, die ihre Gefährlichkeit mit roten Dornen auf Brust oder Rücken unterstreichen, darüber hinaus lassen sehr große, muskelbepackte, dicke und obendrein noch schnelle Gegner die Alarmglocken bei Soulslike-Spielern schrillen. Hier muss Corvus nicht nur alle bis jetzt verfügbaren Kampfmanöver äußerst behände einsetzen, sondern auch die auf ihn einprasselnden Attacken einer gegnerischen Kombo mit insektenartiger Geschwindigkeit parieren. Eine Funktion zum Blocken gibt es anfangs nicht, und auch im späteren Verlauf nagt ein Block-Manöver schmerzhaft an der eigenen Lebensleiste.

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Der Sieg über einen schwierigen Gegner wird mit einer hübschen und blutigen Finisher-Animation gefeiert. © 4P/Screenshot

Wem Sekiro nur ein müdes Lächeln entlockt hat, der kommt hier schnell auf seine Kosten. Padseitig nicht so gewandte Spieler wundern sich schnell über einen stellenweise rasant ansteigenden und frustrierenden Schwierigkeitsgrad, der nur mit viel Übung (und dann noch mehr Übung) einigermaßen zu bewältigen ist. Die Kämpfe mit den härteren Kalibern verlangen vollste Konzentration, denn die Kombination von Säbel und Pranke ist zwar auch hier ratsam, muss aber von punktgenauen Ausweichmanövern, Parries und Wurf-Federn untermalt werden. Lädt sich ein Gegner für einen Superangriff auf, dann zeigt der Bogen, den die Zielaufschaltung sichtbar macht, eine grüne Färbung. Im Bruchteil einer Sekunde kann Corvus dem Gegner dann eine Feder entgegenschleudern, die den Unhold für sehr kurze Zeit benommen macht – und damit seinen Superangriff bricht. Wieder ein kleines Zeitfenster, um ein paar Schläge, erst per Säbel und dann per Pranke, zu platzieren. Dieser Tanz des Todes wird dem Spieler schon im allerersten Gebiet derart gnadenlos eingepeitscht, als ob eine sowjetische Ballett-Lehrerin hier erbarmungslos das Zepter führt. Immerhin wird der schweißgetränkte Sieg dann mit einem brachial inszenierten Finisher untermalt, bei dem Corvus mit akrobatischem Manövern den letzten, finalen Hieb anbringt.

Glück im Unglück


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Im Garten des Philosophen wartet die junge Hexe und belohnt Corvus’ Arbeit mit Rezepturen. © 4P/Screenshot

Zum Glück hat Corvus noch ein, zwei Asse unterm Flügel, die ihm im Kampf wertvolle Vorteile bringen: Die Gegner führen beispielsweise Speere, Äxte, Messer, Lanzen, Doppelschwerter, Sensen, Peitschen, Schilde oder Wurfsterne. Gibt es während der Auseinandersetzung ein klitzekleines Zeitfenster oder die Möglichkeit, sich von hinten anzuschleichen, hat Corvus hoffentlich genug Zeit seinen Prankenschlag voll aufzuladen. Dann kann er dem Gegner seine Waffenfähigkeit für einen Schlag entleihen und den erlittenen Schmerz mit gleicher Münze zurückzahlen. Dem nicht genug: Am nächsten Leuchtfeuer kann Corvus diese Waffe dann dauerhaft auswählen und seinem Angriffsrepertoire hinzufügen. Mithilfe kleiner, blauer Kugeln, welche die Gegner mit Glück ab und zu fallenlassen, können die verschiedenen Waffenfähigkeiten noch verstärkt und mit zusätzlichen Features versehen werden. Ein Schlag mit der Sense ist dann später in der Lage, die abgezogene Energie der eigenen hinzuzufügen – praktisch! Allerdings kann die geklaute Fähigkeit nicht wahllos gespammt werden, eine grüne Leiste unterhalb der Anzeige für die eigene verbleibende Lebensenergie bestimmt, wie oft der magische Prügel zum Einsatz kommen kann. Doch die Leuchtfeuer, oder besser, Speicherstühle innerhalb des Levels bieten noch mehr nützliche Möglichkeiten…

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Mit einer aufgeladenen Pranke kann dem Gegner seine Waffenfähigkeit für die eigenen Zwecke entrissen werden. © 4P/Screenshot

Da es sich bei Thymesia um ein Soulslike handelt, sind nach einem Tod alle gesammelten Seelen – hier heißen sie Erinnerungen – dort zu finden, wo Corvus ins Gras gebissen hat. Gelingt es, möglichst viele dieser Erinnerungsbruchstücke bis zum einem Speicherpunkt durchzubringen, darf fleißig aufgelevelt werden. Hier sind dann Punkte auf die drei Sparten Lebensenergie, Angriffskraft und Kraft der geklauten Waffenfähigkeiten zu verteilen. So weit, so bekannt. Doch glücklicherweise geht hier in Thymesia mehr – viel mehr! Nach einem herbeigeführten Stufenaufstieg darf Corvus ein neues Talent verteilen. Dafür gibt es verästelte Talentbäume in den Fähigkeiten des Ausweichens, Parierens, Pranke, Säbel und Strategie. Auf diesem Wege – und mit dem entsprechenden Willen des Spielers zu hartem Grind – wird Corvus Stück für Stück zu einer echtem Kampfkrähe, die es mit dann plötzlich mit Gegnern aufnehmen kann, die vorher noch unschaffbar schienen. Besonders hervorstechend ist hier die Möglichkeit, die Fähigkeiten des anfangs zerbrechlichen Krähenmanns so zu wählen, dass sie den eigenen Spielstil sehr gut unterstützen.

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Diese fliegenden Nonnen sind brandgefährlich und können Corvus mit nur einer Umarmung die Lichter auspusten. Die Kämpfe sind stellenweise derart schnell, das sich währenddessen leider kaum scharfe Screenshots anfertigen lassen. © 4P/Screenshot

Und Thymesia würde nicht an das englische Wort für Thymian (Thyme) erinnern, wenn es beim Rasten nicht auch darum ginge, sich eigene Tränke zu mixen. Mit dem Einsatz unterwegs gefundener Kräuter werden aus popligen Heiltränken, die den Namen kaum verdienen, mächtige Tinkturen, die besonders bei dem knallharten Boss-Kämpfen das Zünglein an der Waage sein können. Ein Fitzelchen Oregano dort, ein Blättchen Basilikum hier und dann noch ein paar getrocknete Petersilien-Stengel – schon bringt ein Druck auf die obere Taste der Steuerkreuzes neben stets notwendiger Heilung auch noch verstärkte Angriffskraft und/oder erhöhte Resistenz gegen magische Angriffe mit. Und es macht wirklich Spaß mit den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten für Fähigkeiten und Tränke herumzuspielen!

Der Level ist noch nicht vorbei


Die Prozedur, wie der Spieler durch das Spiel kommt, wurde für Thymesia ebenfalls auf den Kopf gestellt, die übliche Struktur, also “Level, Bossgegner, nächster Level”, angenehm durchbrochen: Denn wurde der Endboss einer Spielumgebung besiegt – Thymesia verfügt nur über vier verschiedene Gebiete – dann gibt es nach einem Besuch bei der jungen Hexe im Garten des Philosophen die Möglichkeit, erneut in das nur scheinbar bewältigte Areal zurückzukehren. Neben neuen Aufgaben – lohnenden Erinnerungen zum Aufleveln, die es einzusammeln gilt – wartet der echte Boss erst auf Corvus, wenn alle für den Level vorhandenen Missionen erfüllt wurden.

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Wie kommt man da ran? Auch in Thymesia gibt es viele geheime Wege und damit verbundene Belohnungen zu entdecken. © 4P/Screenshot

Dabei muss der Spieler nicht alles nacheinander abspulen, sondern kann erst eines der nächsten Gebiete besuchen, dort die Nebenaufgaben freischalten und dann kunterbunt mixen, welchem Grauen er sich als nächstes stellen will. Das ist aus gutem Grund so, denn der letzte Boss der ersten Spielwelt, versteckt sich hinter zwei anderen Bossen – und ist dermaßen schwer, dass zuerst in anderen Welten gelevelt werden sollte, damit Corvus hier nicht in Sekunden die Federn vom Körper gerissen werden. Eine nette Idee, die etwas mehr Abwechslung in das “So-geht-es-durch-ein-Spiel”-Einerlei bringt und geschickt darüber hinwegtäuschen kann, dass die verschiedenen Umgebungen optisch nicht sehr opulent daherkommen. An die optische Pracht, wie sie etwa das Remake von Demon’s Souls aufweist, reicht Thymesia zu keinem Zeitpunkt heran.

  1. Brotsuppe hat geschrieben: 19.08.2022 19:02 Ein weiteres Soulslike, das wieder einmal mit übertriebenem, teils unfairem Schwierigkeitsgrad punkten will.
    Und was ebenfalls wiederholt auffällt, dass wie in gefühlt 99% aller Tests mal wieder nur die Playstation-Version getestet wurde.
    Jetzt wird gleich wieder das Argument kommen, man hätte ja keine XBox-Codes bekommen. Die Frage, warum das denn so ist, wurde bisher leider immer noch nicht beantwortet. Und trotzdem wird dann eher verwundert reagiert, wenn man der Seite hier eine starke Sony-Affinität attestiert.
    :roll:

  2. The-Last-Of-Me-X hat geschrieben: 22.08.2022 15:51
    CidVicious hat geschrieben: 19.08.2022 17:33
    The-Last-Of-Me-X hat geschrieben: 17.08.2022 09:30 Danke für den Test. Es soll ähnlich sein wie Sekiro? Gibt es kein Levelsystem? Die Souls-Games habe ich teils geschafft, da ich ordentlich gelevelt habe. Wenn es in Thymesia "nur" Fertigkeiten gibt, ähnlich wie in Sekiro, bin ich raus :)
    Man levelt ganz normal, also Gegner töten, Seelen sammeln.
    Danke für die Info, kann man sich auch "überleveln", sprich soweit leveln, dass die Gegner spürbar leichter zu besiegen sind, wie bei den Souls Games?
    Das weiß ich nicht. Müßte aber theoretisch möglich sein.

  3. CidVicious hat geschrieben: 19.08.2022 17:33
    The-Last-Of-Me-X hat geschrieben: 17.08.2022 09:30 Danke für den Test. Es soll ähnlich sein wie Sekiro? Gibt es kein Levelsystem? Die Souls-Games habe ich teils geschafft, da ich ordentlich gelevelt habe. Wenn es in Thymesia "nur" Fertigkeiten gibt, ähnlich wie in Sekiro, bin ich raus :)
    Man levelt ganz normal, also Gegner töten, Seelen sammeln.
    Danke für die Info, kann man sich auch "überleveln", sprich soweit leveln, dass die Gegner spürbar leichter zu besiegen sind, wie bei den Souls Games?

  4. Mir machts ueberraschend viel Spass. Das Kampfsystem ist aehnlich wie Sekiro, aber Kontern gibt dir viel mehr Zeit und man kann das sogar leveln, dass es noch leichter wird. Wer nicht kontern will kann auch dodgen leveln und es sich da einfacher machen. Es forciert einen schoen schnellen und agressiven Kampfstil, was mir echt Spass macht... gleichzeitig fuehlt es sich aber nicht wie das Reaktionsmonster Sekiro an, da man ja wie gesagt grosszuegigere Zeitfenster fuers parrieren hat.
    Sekiro war trotzdem irgendwie cooler, hatte mehr Wucht und ein markanteres Art-Design... und war schon richtig schoen befriedigend endlich Genichiro geschafft zu haben. Das ist bei Thymesia wegen des leichteren Schwierigkeitsgrad nicht so intensiv.
    Es fehlt die Ausruestung, wie in den Souls Spielen, ums richtig cool zu finden... und die wenigen Umgebungen sind auch ... zu wenig.
    Schwierigkeitsgrad ist fuer mich bisher nicht wirklich unfair oder extra schwer oder so. Fuehlt sich gut an, wie nen Dark Souls. - Der erste Boss hatte mich schon ein paar Versuche gekostet, hatte aber von Anfang an das Gefuehl, dass es an mir liegt, dass ich einfach zu ungeduldig war. Man muss es vorsichtiger spielen. Das ist fuer mich immer ein gutes Zeichen, wenn ich dieses Gefuehl hab.
    Also ich wuerds fuer Souls Liebhaber, oder Leute, die es doof fanden, dass man in Sekiro nicht leveln konnte, durchaus empfehlen.

  5. Ein weiteres Soulslike, das wieder einmal mit übertriebenem, teils unfairem Schwierigkeitsgrad punkten will.
    Und was ebenfalls wiederholt auffällt, dass wie in gefühlt 99% aller Tests mal wieder nur die Playstation-Version getestet wurde.
    Jetzt wird gleich wieder das Argument kommen, man hätte ja keine XBox-Codes bekommen. Die Frage, warum das denn so ist, wurde bisher leider immer noch nicht beantwortet. Und trotzdem wird dann eher verwundert reagiert, wenn man der Seite hier eine starke Sony-Affinität attestiert.

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