Schwere Kost

Alkoholismus, Mobbing, Panikattacken, Suizidgedanken: Thematisch serviert The Shattering keine leichte Kost! Daher sollte man sich von der vorherrschenden Schwarz-Weiß-Optik mit ihrem Schwerpunkt auf helle Farbtöne und mitunter abstrakte Architekturen nicht täuschen lassen. Wenn man im Rahmen dieser Regressions-Therapie bei einem Trip in die Internats-Vergangenheit erneut mit dem gemeinen Mobbing seiner Mitschüler konfrontiert wird und der persönliche Horror audiovisuell eindrucksvoll mit dem hämischen Gelächter der Peiniger und dem Schluchzen des Opfers eingefangen wird, muss man genauso schlucken wie beim Besteigen der Badewanne, in der sich Protagonist John Evans im Alkoholrausch mit einer Schere die Pulsadern aufschneiden will.

Ihr merkt schon: The Shattering ist kein Gute-Laune-Spiel. Tatsächlich dürfte selbst bei manchen Frohnaturen nach der etwa vierstündigen Therapiesitzung die Lebensfreude von einer deprimierenden Gefühlslage beeinträchtigt werden. Daher kann man die Warnung zu Beginn des Spiels durchaus ernst nehmen: Wer ohnehin an Depressionen leidet oder in seinem Leben Probleme hat, die im Spiel thematisiert werden, sollte trotz des ansprechenden Artdesigns besser die Finger davon lassen. Denn ähnlich wie beim tristen Inside können einen auch die Erlebnisse in The Shattering ganz schön runter ziehen.     

Kreative Ansätze

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Wer kennt es nicht? Die Panik, in der Mathestunde vor der ganzen Klasse vor der Tafel zu stehen und mit einer Gleichung zu kämpfen… © 4P/Screenshot

Aber genau das ist ja der Sinn der Sache. Von daher haben die Entwickler durchaus überzeugende Arbeit geleistet, das Thema psychische Krankheiten eindringlich in einem Spielerlebnis zu vermitteln – und das meist ohne auf billige Schockmomente zurückzugreifen. Trotz einiger Parallelen zu Layers of Fear, etwa bei den spontanen und mitunter eindrucksvoll visualisierten Umgestaltungen von Räumen oder plötzlichen Ortswechseln, steht der Horror aber nicht im Fokus. Stattdessen lernt man durch Rückblicke und Hinweise in der Umgebung die Hauptfigur langsam kennen und enthüllt als Spieler quasi gemeinsam mit dem Therapeuten, was sich zugetragen hat und warum man schließlich in der Praxis gelandet ist.

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Na, welche Assoziationen weckt das Bild? © 4P/Screenshot

Neben altbekannten und mittlerweile recht abgedroschenen Elementen finden sich zwischendurch auch ein paar kreative Ansätze: So kann man in der Rolle des Autors z.B. das Schreiben seiner Geschichte mit Entscheidungen aktiv beeinflussen und beobachten, wie die Texte entstehen – und das teilweise sogar unterstützt von animierten Modellen. Auch geht man interessante Wege, um mit der Umgebung zu erzählen: Wirft man z.B. einen Blick auf den Kalender und hört im Hintergrund das Pfeifen der bekannten Happy-Birthday-Melodie, kann man prima die entsprechende Konnotation herstellen.


  1. Gestern durchgespielt, und kann die Wertung definitiv nachvollziehen. Wer gerne Wander-Simulationen in bedrückenden Geschichten "spielt", bekommt auch hauptsächlich das, was man sich drunter vorstellt. Aber so richtig innovativ davon ist "nur" der Artstyle, den Rest hat man woanders auch schon gesehen. Das Genre hat sich seit "Dear Esther" durchaus weiterentwickelt...
    Fans von Walking Simulatoren können mMn. zugreifen, aber wer noch nie Fan von diesem Genre war, dem wird "The Shattering" auch nicht umstimmen. Die greifen besser auf "What Remains of Edith Finch" zurück, was eher dazu taugt, das Genre gern zu haben^^...

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