Moss als Adventure?

Der Einstieg erinnert stark an Moss: Am Rande eines Waldsees entdeckt Protagonist Louis den Spieler als riesige blaue Geistergestalt, die mit dem Move-Controller allerlei Felsen aus dem Weg wuchten und andere schwere Objekte manipulieren kann. Auch die Präsentation weckt sofort Erinnerungen an die knuffige VR-Maus. Seltsam, dass sich auch der schwedische Entwickler Zoink für einen etwas infantilen Ton entschieden hat – trotz der VR-Altersbeschränkung, die im PSVR-Original bei zwölf Jahren lag. Zu Beginn ging mir Louis‘ weinerliches Auftreten voller Selbstzweifel noch auf den Keks. Als ich ihn und seine prekäre Lage näher kennenlernte, gewann er aber meine Sympathie. Er hat es schließlich ganz und gar nicht leicht und muss alles Mögliche für seine bettlägerige und depressive alleinerziehende Mutter erledigen.

Langsam freundet er sich mit der Situation an, einen großen unsichtbaren Freund dabei zu haben, der ihm in allen möglichen brenzligen Momenten aushilft. Je mehr Selbstbewusstsein er aufbaut, desto engagierter interagiert er auch mit mir: High Five! Fistbump! Bitte einmal hinter Ohr kratzen! Das tut gut. Autorin Sara B. Elfgren erweist sich als äußerst geschickt dabei, mit Hilfe der VR-Interaktion eine Geschichte zu erzählen, so dass man sich ganz beiläufig während der Aufgaben mit Louis anfreundet.

Deutlich verbesserte Oculus-Steuerung

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Hat man den gülden glänzenden Hebel gefunden, wird das Häuschen der Künstlerin gedreht und man besorgt sich Farben für den Malpinsel – z.B. Schwarz am Ölfleck aus dem kaputten Moped rechts unten – auf das man allerdings erst ein paarmal eindreschen muss. © 4P/Screenshot
Zahnräder, Knöpfe, Hebel, ein Kran und abnehmbare Dächer: Damit man hier alles richtig erreicht, lässt sich die Kamera wie in der PSVR-Fassung mit einer komfortablen Schwarzblende in drei Positionen drehen. Dank des tollen Roomscale-Trackings kann man sich neuerdings aber ohnehin einfach frei umdrehen oder in der pittoresken Kulisse umherspazieren, um sich die Details nach Wunsch aus der Nähe anzuschauen. Einfach wundervoll – auf der Oculus Quest funktioniert das Diorama-Prinzip tatsächlich noch eine ganze Ecke besser! Bei rein mechanischen Problemen kann ich meist schnell aushelfen: Ein paar vertrocknete Sonnenblumen ausrupfen, ein Rad ins kaputte Auto einsetzen und zum Anlassen anschieben – all das klappt hier noch ein wenig eleganter.

Wenn ich am Rand der Kulisse herumfuhrwerken soll, stößt zudem nicht mehr die veraltete Move-Technik an ihre Grenzen. Wenn ich mir einen abgerissenen Kran-Arm schnappe, um mit ihm an entlegenen Bereichen des Schrottplatzes nach magnetischen Teilen zu angeln, ist das um Einiges weniger fummelig als im Original. Manchmal erscheint allerdings ein nerviger schwarzer Bildschirm mit der Mahnung, nicht den Spielbereich zu verlassen. Glücklicherweise bleiben zudem meine blau glühenden Geisterhände nicht mehr an den Rändern des einst schmalen Erfassungs-Kegels hängen. Kein nerviges Feintunen der PS4-Kamera, kein nerviges Bildschwanken. Man streift sich einfach das Quest-Headset über und wird höchstens beim Knobeln gestört, wenn ab und zu mal ein Objekt kurz hängenbleibt oder anderweitig herumzuckt. Nach einem Glitch erscheint es aber brav schnell wieder an seinem alten Platz. Kein Problem!

 
Gemütliches Knobeln und Manipulieren

Hat man ein Weilchen mit Ghost Giant verbracht, erinnert das Spielgefühl stärker an klassische Adventures als im Einstieg, der erst einmal langsam ans Thema und die Geschichte heranführt. Besonders viel Spaß hatte ich im Dorf mit seinen zahlreichen Drehmechanismen und aufklappbaren Dächern. Es ist fast so, als säße man mitten in einer Modellbaulandschaft voller herumwuselnder Bewohner und ausgetüftelter mechanischer Apparaturen.

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Auf der Quest ist es ganz leicht, sich ganz nah an die Figuren “heranzuschleichen”, um sie aus der Nähe zu betrachten. © 4P/Screenshot

Der Großteil der Rätsel ist auf Einsteiger zugeschnitten. Mitunter muss ich mich inmitten der drehbaren “Puppenhäuser” aber ein wenig in die verschrobene Adventure-Logik der Entwickler hineindenken, die nicht immer auf Anhieb Sinn ergibt. Nach einigen Experimenten stellt sich meist aber ein befriedigendes Aha-Erlebnis ein. So helfe ich z.B. einer bekannten Krimiautorin in ihrem ausfahrbaren Hochhaus dabei, eine Schreib-Blockade zu lösen. Sie kann sich nur dann wieder entspannen, wenn ich ihrem schmollenden Käfigvogel den passenden Detektiv-Hut zurückhole, damit er endlich aufhört zu krächzen. Die Kopfbedeckung liegt allerdings in einem abgeschlossenen Kämmerchen, dessen Schlüssel von einem ununterbrochen zeternden Rentner bewacht wird. Wie lässt er sich nur beruhigen, um nebenbei die Stimmung im mehrstöckigen Haus zu verbessern? Ein cooles Erlebnis ist auch, andere Figürchen mit den eigenen Händen durch die Kulisse zu locken – z.B. einen Schokoladenliebhaber mit dem Duft von Pralinen. Dumm nur, dass er nebenbei auch Blumenliebhaber ist und immer wieder von Ärgernissen wie vertrockneten Blumen abgelenkt wird („zur Not wässere ich die armen Pflanzen mit eigenen Tränen!“).

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