Retro ist in

Auch wenn Disgaea (gesprochen: Disgaja) ähnlich wie der PSP-Ableger “Afternoon of Darkness”, auf dem es aufsetzt, am PC in modernem 16:9 dargestellt wird, ist das Bildformat der einzige Hinweis darauf, dass das Strategie-Rollenspiel erst jetzt veröffentlicht wurde. Der Rest der Kulisse ist so herrlich unzeitgemäß wie eh und je. Schon auf der PS2 konnte die aus groben Polygonen bestehende und mit 2D-Sprites (!) gefüllte Comic-Kulisse eigentlich kaum PSone-Niveau erreichen. Und daran hat sich bis jetzt nichts geändert. Zwar kann man am Rechner u.a. Tiefenschärfe und SSAO aktivieren oder sich unter nur unwesentlich verändernden Textursets seinen Favoriten wählen, während die Figurensprites wahlweise mit Pixelrändern oder leicht weichgezeichnet dargestellt werden. Doch das ist eigentlich nur Augenwischerei. Die Kulisse ist und bleibt vorsintflutlich und ist nach wie vor der beste Beweis dafür, dass innere Werte wesentlich wichtiger sind als die draufgeklatschte Schminke.

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Nein, die Kulisse ist kein Scherz. Doch bei Disgaea sind die inneren Werte ohnehin seit jeher weichtiger. © 4P/Screenshot

Andererseits jedoch hätte Nippon Ichi den Zeitpunkt für die PC-Premiere dieses Meilensteins kaum besser legen können: Retro-Design ist dank der seit zig Monaten durch die digitalen Plattformen rauschenden Indie-Welle angesagter denn je. Und Disgaea passt wunderbar in diese Kategorie. Allerdings hätte ich es bevorzugt, wenn die Japaner aus dieser Umsetzung einen Director’s Cut angefertigt hätten und z.B. die Engine-Fortschritte, die die Serie bis hin zu Teil 5 auf der PlayStation 4 gemacht hat, sichtbar gewesen wären. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass die übrigen Disgaea-Teile in absehbarer Zeit ebenfalls ihren Weg auf den PC finden. Doch mit einer visuellen Anpassung, die über den hier integrierten Schnickschnack hinausgeht, hätte man ein deutliches Zeichen setzen können und sich auch klarer gegenüber anderen Strategie- bzw. Taktik-Rollenspielen wie z.B. Darkest Dungeon positionieren können. Von den jüngst aufgetreteten Schwierigkeiten mit angeschlossenen Controllern oder Systemabstürzen konnten wir während der Testphase nichts feststellen.

Inhaltlich in die Jahre gekommen


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Die herrlich absurde Geschichte geizt nicht mit skurrilen Situationen, abgefahrenen Charakteren und viel Humor. © 4P/Screenshot

Doch worum geht es in Disgaea? Laharl, der junge Kronprinz der dämonischen Unterwelt, hat einige Probleme: Nicht nur, dass er die letzten zwei Jahre verschlafen hat – in dieser Zeit ist sein Vater gestorben und ein Kampf um die Thronfolge entbrannt. Zusammen mit der stets gut aufgelegten Etna und ihren immer zu Scherzen aufgelegten Pinguinen macht er sich auf, um die versammelte Unterwelt davon überzeugen, dass er der einzige Kandidat für den Titel des Overlords ist. Doch er weiß nicht, dass himmlische Mächte sein Treiben beobachten… Zugegeben: Das klingt nach Standard-Blabla. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass Disgaea weder sich noch irgendwelche anderen Themen ernst nimmt und absolut alles mit einem eigentümlichen, aber unglaublich charmanten Humor beträufelt. Man begegnet Weltraum-Helden, die Captain Qwark aus Ratchet & Clank wie einen Atomwissenschaftler wirken lassen. Man trifft auf Engel in Ausbildung, die in ihrer herrlichen Naivität und Liebesblindheit für ganz eigentümliche Konsequenzen in der Dämonenwelt sorgt.

Und letztlich ist die humorvolle Erzählung nur ein ergänzendes Stilmittel, um zumindest einen rudimentären Grund zu haben, sich auf die isometrischen Schlachtfelder zu begeben und den variantenreichen Dämonentypen einen Tritt in den Allerwertesten zu geben. Denn spielerisch sieht sich Disgaea in einer Linie mit Klassikern wie Final Fantasy Tactics oder Ogre Tactics: Mit ist mit maximal zehn Gefährten  unterwegs, um auf abwechslungsreichen sowie mit Überraschungen gespickten Schauplätzen alle Gegner zu plätten. Doch das alleine ist noch nicht spektakulär und wird angesichts der oben angeführten Kultvorbilder sowie zahlreicher anderer PC-exklusiver rundenstrategischer Titel auch nur wenige beeindrucken. Zumal natürlich auch viele der erweiterten Mechaniken fehlen, die bei den Nachfolgern bis hin zu Disgaea 5 für eine stets größer werdende Fangemeinde sorgten.


  1. Den ersten Teil von Disgaea hab ich geliebt. Das Kampfsystem hatte schon damals eine enorme Tiefe und die sympathischen Charaktere hat man trotz des bitterbösen Humors rasch in sein Herz geschlossen, was daran lag, dass man trotz allen Klamauks und vielen Sinnlosigkeiten immer eine gewisse Wärme ins Spiel brachte. Ernst genommen wurde recht wenig, auch wenn das Spiel durchaus ernstere Themen ansprach (um sie anschließend für neuen Klamauk zu missbrauchen). Zudem ist vor allem das Finale recht emotional ausgefallen, gemessen an dem vielen sinnlosen Quatsch, über den man davor sehr oft schmunzelte. Disgaea ist sehr hässlich, der Ausdruck "zweckmäßig" wurde für dieses Spiel erfunden. Trotzdem hat es immer mit inneren Werten überzeugen können, denn vom Gameplay her hab ich kaum noch ein Spiel finden können, was soviele Mechaniken erfolgreich ineinandergreifen ließ und den Spielern ein Umfangmonster erster Güte bescherte, was man auf Wunsch über hunderte Spielen konnte, dauerte ja schon allein die Story schon fast 70 Stunden. Dabei hab ich das Spiel anfangs abgelehnt und war dann doch überrascht, wie charmant es letztendlich sein konnte. :D

  2. DancingDan hat geschrieben:Hattet ihr keine Probleme mit dem Spiel?
    Hi DancingDan,
    wir hatten während der Testphase in der Tat keine Probleme mit dem Spiel (gespielt wurde hauptsächlich auf einem System mit GeForce GTX 970). Sowohl per Pad als auch per Maus gab es keine Schwierigkeiten. Und die wenigen Grafikoptionen, die zur Verfügung stehen, zeigen angesichts der ohnehin mageren Kulisse nur wenig Auswirkung. Abstürze z.B. konnten wir überhaupt keine verzeichnen.
    Cheers,
    Mathias

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