Finstere Aussichten

Daedalic betitelt Die Säulen der Erde bewusst als „interaktiven Roman“, der in drei Teilen veröffentlicht wird: Käufer der am 15. August erscheinenden Staffel bekommen „Buch“ 2 und 3 später durch Updates nachgereicht. Große Überraschungen dürften für Kenner des Vorbilds ausfallen, denn der Ausgang der Geschichte soll nicht angetastet werden. Sie hangelt sich an der Handlung des Vorbilds entlang und lässt dem Spieler nur bei Details Wahlfreiheiten, die z.B. über das Schicksal von Nebenfiguren entscheiden. Ein Mönchs-Prior zwischen den Fronten von Krieg und Intrigen, eine Architektenfamilie, die alles verloren hat und eine aussätzige Mutter, die ihr Kind im Wald aufzieht: Schon die Wahl der Protagonisten lässt erahnen, dass es sich bei Die Säulen der Erde nicht gerade um leichtfüßige Unterhaltung handelt.

 

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Nachdem Tom Builders Familie auf die Aussätzigen Jack und Ellen trifft, machen sie sich gemeinsam auf den Weg. © 4P/Screenshot

Während die Geschichte immer wieder zwischen den Grüppchen wechselt und sich die Handlungsfäden langsam kreuzen, wird allerdings klar, dass die Protagonisten nicht die einzigen sind, die unter den harten Bedingungen im mittelalterlichen England des 12. Jahrhunderts zu leiden haben. Viele müssen hungern, die Arbeitslage ist schlecht und die für die Geschichte wichtige Priorei in Kingsbridge stagniert unter jahrelanger Misswirtschaft eines schwachen Oberhaupts, das durch zwielichtige Umstände ums Leben kam. Zu allem Überfluss droht ein Bürgerkrieg, da nicht nur die Kirche, sondern auch egoistische Intriganten nach dem Tod des englischen Königs Heinrich nach der Macht streben.

Schleppender Einstieg

Klingt nach schwerer Kost, oder? Ist es auch: Vor allem zu Beginn schleppt sich die Geschichte zäh voran, da man als Neuling schnell von der Vielzahl unbekannter Namen und Akteure erschlagen wird. Die Entwickler und Ken Follett haben sich keinen Gefallen damit getan, das Spiel derart sperrig zu eröffnen. Nach einer im wahrsten Sinne schweren Geburt im verschneiten Wald wird das ausgesetzte Baby vom Bruder des warmherzigen Klostervorstehers Philip gerettet. Mal schlüpft man in Philips Rolle, der sich schon bei seinem Besuch in der großen Mutterpriorei im fiktiven Kingsbridge mit vielen schweren Gesprächen, Entscheidungen und Anfeindungen auseinandersetzen muss. Anderswo steuert man den Vater Tom Builder, der als Architekt an seinen hohen Ansprüchen gescheitert ist und die obdachlose Familie durchbringen muss.

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Der junge Jack besitzt trotz fehlender Erfahrung auch soziales Feingefühl. Als er in einem Gespräch mit Toms frustriertem Sohn nachbohrt, erfährt er, dass dieser sich nicht von seinem Vater ernstgenommen fühlt. © 4P/Screenshot

Vielleicht hätte man zu Beginn die Dramaturgie für das Spiel ein wenig umstellen sollen, um dem ebenfalls spielbaren Jungen Jack mehr Zeit einzuräumen. Da er als Ausgestoßener abgeschottet von der Zivilisation mit seiner Mutter im Wald aufwuchs, entdeckt er die Wirren der Geschichte nämlich ähnlich unerfahren wie jemand, der den Roman noch nicht gelesen hat. Trotz einem Mangel an Erfahrung ist er durchaus aufgeweckt und wissbegierig und erlegt zu Beginn sogar mit Hilfe seiner Schleuder sein erstes Reh. Die Jagd läuft wie andere Aktionen auch mit einem kleinen Geschicklichkeitstest ab. Er erinnert eher an eine Beschäftigungstherapie als an Spieldesign: Ein paar mal im passenden Moment aufs Knöpfchen drücken – und schon klappt der Zwillenschuss oder der Diebstahl einer kleinen Hähnchenkeule, mit der man bei zwei Rittern Eindruck schinden will.

Fokus auf die Geschichte

Die auf das Gamepad zugeschnittene Steuerung verrichtet seinen Dienst meist ordentlich, wirkt aber nicht ganz so ausgefeilt wie in anderen Titeln von Daedalic. Der Übergang zu angrenzenden Bildschirmen gestaltet sich etwas umständlich, zumal die Figuren manchmal unter seltsamen Zuckungen leiden. Ein wenig gestört hat mich auch der Umstand, dass man manche Erkenntnisse nicht direkt im Dialog ansprechen kann, sondern die entsprechende Idee erst wie einen Gegenstand aus dem Inventar holen muss. Meist kommt man allerdings durch Abklappern der Umgebung und einfache Kombinationsgabe auf die Lösung, so dass auch Einsteiger nicht lange auf die Fortführung der Geschichte warten müssen.

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Die simplen Reaktionstests sind nicht gerade spannend. © 4P/Screenshot

Wer möchte, darf alternativ auch mit der Maus auf Orte und Objekte klicken. Gegen Frust beim Suchen hilft eine Hotspot-Anzeige. Hinweise fehlen hier (von Notizen abgesehen), sind aber auch nicht wirklich nötig. Der Mangel an Rätselanspruch wirft natürlich die Frage auf, ob es sich überhaupt noch um ein Spiel handelt. Falls man Serien wie Batman: The Telltale Series als solches empfindet, lautet die Antwort „ja“. Im Laufe der ersten Episode streut das Team rund um Mathias Kempke (Night of the Rabbit) ähnlich viele (oder besser gesagt ähnlich wenige) kleine Rätsel ein wie in aktuellen Telltale-Serien. Die Erzählung sowie die zahlreichen kleinen Dialog-Entscheidungen spielen aber auch hier eine viel größere Rolle.

 

  1. Wer sich die Computerbild-Spiele kauft, bekommt auch noch einen Gutschein für die anderen beiden Teile, die später kommen. So bekommt man das komplette Spiel für insgesamt 12,59€. Für Fans sicher kein schlechtes Angebot.

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