Traditionsreiche Geschichte

Wenn es hier mehr als einhundert Kilometer waren, müssen es in den vergangenen zwölf Jahren weit über tausend gewesen sein: mehr als eintausend Kilometer, die ich in den sieben Teilen der Hauptserie (Yakuza 0 zähle ich als Vorgeschichte dazu) und fast allen ihrer Ableger zurückgelegt habe. Die Yakuza-Serie hat einen besonderen Platz in meiner Spiele-Vita eingenommen, weil es mir mehr als jedes GTA das Gefühl vermittelt, mich in einer plastischen Parallelwelt zu befinden.

Dabei ist auch Yakuza 6 keine tiefsinnige Lebenssimulation, sondern ein Prügler, in dem Kazuma etliche Ganoven vermöbelt, um irgendwann deren Bosse auszuschalten. Zwischendurch vertreibt er sich in Karaoke-Bars, beim Dartspielen, am Outrun- oder Virtua-Fighter-Automaten, an einhändigen Banditen, im Fitness-Studio, auf dem Baseball-Platz, in Restaurants oder beim

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Ob das schillernde Kamurocho bei Nacht… © 4P/Screenshot

Flirt mit einer Hostess die Zeit.

Lupe statt Fernrohr

Dass seine Welt diesmal so lebendig wirkt, liegt aber nicht an der Vielzahl der Beschäftigungen. Es liegt daran, dass Sega gar nicht erst versucht, etwa ganz Los Angeles nachzubauen, und sich vielmehr auf wenige Querstraßen eines einzelnen Stadtteils beschränkt: In Kamurocho, einer verblüffend realitätsnahen Version von Tokios Vergnügungsviertel Kabukicho, spiegeln sich neonstrahlende Reklametafeln im nassen Asphalt. Werbetafeln, Fahrräder sowie Mofas stehen auf dem Bürgersteig, während Geschäfte, Bars oder Cafés zum Hereingehen einladen, damit man dort kurze Abenteuer erleben oder sich die Zeit mit kleinen Herausforderungen vertreiben möge.

Ständig wechselt das detaillierte Muster der Pflastersteine, die Ventilatoren etlicher Klimaanlagen „zieren“ abgewetzte Mauern vernachlässigter Hinterhöfe – wo Rockstar hauptsächlich das Gefühl einfängt, durch eine große Stadt zu cruisen, richten Segas Entwickler ihren Blick ähnlich wie gute Anime-Zeichner auf scheinbar unwichtige Kleinigkeiten. Das in dicken Asphaltnähten gespiegelte Neonlicht erdet Kamurocho stärker als es ein Meer aus Wolkenkratzern je könnte.

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… oder das dörfliche Onomichi: Yakuza 6 sieht vor allem in Bewegung umwerfend gut aus. © 4P/Screenshot

In der Ruhe liegt die Schönheit

Und endlich ist der normale Gang Kazumas wichtigste Fortbewegungsart! Denn zum ersten Mal genießt man das einzigartige Vor-Ort-Sein, wahlweise sogar in Ego-Perspektive, ohne ihn durch Halten eines zusätzlichen Knopfs erst vom Rennen abzuhalten. Diese Langsamkeit hebt das Spielgefühl auf eine Stufe, von der die Serie zuvor ein ganzes Stück entfernt war. Gefühlt steht man direkt daneben, wenn der ehemalige Yakuza jede Tür per Hand öffnet, anstatt einfach hindurch zu preschen. Man beobachtet ihn, wie er jeden Schritt auf eine Stufe setzt, anstatt drüber weg zu gleiten, lauscht allen erstmals komplett vertonten Passanten und Auftraggebern, und begleitet ihn in eins der vielen Etablissement, die alle ohne Ladeunterbrechung begehbar sind. Es fühlt sich großartig an, ein Café am Millennium Tower zu betreten, um vom ersten Stock oder gar der Dachterrasse aus auf die Straßen davor zu blicken.

Ja, ich habe gerade eine komplette Seite lang nur das Laufen durch virtuelle Kulissen beschrieben. Aber gerade in einer offenen Welt ist das Mittendringefühl für mich von entscheidender Bedeutung. Und Yakuza 6 erzeugt die mit Abstand beste Illusion Teil einer lebendigen Welt zu sein!

  1. bin nun fast durch...Story gefiel mir gut, Minigames gibts echt zu wenig und generell kommt das Spiel ein bissel gerusht rüber: unfertige Bereiche, komisches Kampfsystem im Gegensatz zu vorher (weniger Tiefe) und generell etwas kurz für ein Yakuza Game. Und VIEL zu einfach auf hard, das ist echt witzlos. Aber trotzdem gut, ich bin gespannt wie es ausgeht.
    Denke Kiwami 2 wird das insgesamt rundere Paket und hoffe, das das ganz neue Yakuza mit dem neuen Protagonisten nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt

  2. Der Mehrwert würde sich meiner Vermutung nach in sehr überschaubaren Grenzen halten. Das Folgende enthält keine Spoiler, aber eine Beschreibung dessen, worum es grob geht, deshalb für alle Fälle mit Tag:

    Show
    Der sich durch alle Spiele ziehende rote Faden (um etwa eine Hand voll wiederkehrende Figuren, allen voran Haruka) ist nämlich eigentlich recht dünn und dient auch in Yakuza nur als Anstoß. Die eigentlichen Geschichten drehen sich vielmehr um Intrigen und Machenschaften in den Reihen der Yakuza, sind aber in sich abgeschlossen.
    Nur Kazumas Bestreben, sich ein Leben abseits seines Daseins als Tojo-Mitglied aufzubauen, und seine emotionale Bindung an Haruka sind für Yakuza 6 wichtig. Aber ich bin mir eben sicher, dass man nicht die anderen Spiele gespielt haben muss, um beides zu verstehen - was umso mehr gilt, wenn du nach Kiwami 1 die grundsätzliche Konstellation ohnehin schon kennst.
    Abgesehen davon noch mal als Empfehlung für einen Mittelweg: Was in Teil 6 eine halbwegs große Rolle spielt, bezieht sich vor allem auf Teil 1, 3 und 5.

  3. 4P|Benjamin hat geschrieben: 18.04.2018 09:08Der Punkt ist, dass es keine Rolle spielt, wenn man nicht das erste Mal die komplette Geschichte in der "richtigen" Reihenfolge erleben will. Man zockt einfach, worauf man Bock hat, MUSS aber vor 6 kein Yakuza gespielt haben, um das zu genießen.
    Da ich lange gepennt habe, was die Yakuza-Reihe angeht, muss ich da auch mal genauer einhaken:
    Wenn man wie ich mit Yakuza Kiwami eingestiegen ist und mit Yakuza Kiwami 2 weitermachen will/wird, macht es dann Sinn im Anschluss "Yakuza 6" zu spielen (und somit die Teile 3,4,5 außen vor zu lassen)? Ich spreche keinesfalls von der Spielmechanik, da ich schon gehört hatte, dass es keine große Weiterentwicklung gab, sondern alles rein story-bezogen.
    Oder sollte man vor dem 6er auf ein "Yakuza Kiwami 3,4,5" hoffen (oder alternativ die PS3 entstauben und sich diese per PSN Store beziehen).

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