Des Stinkers neue Kleider
Das kommt von zu viel Fernsehen: Die Wampe wächst, der Intelligenzquotient sinkt, man kommt auf blöde Ideen – im Falle von Wario ist das der Wunsch nach einer Karriere als Meisterdieb, nachdem er seinem großen Vorbild »Graf Cannoli« bei der Arbeit über die Schulter schaute. Stellt sich natürlich die Frage nach der weiteren Vorgehensweise: Langjährige Ausbildung im Untergrund? Nä! Lieber eine segensreiche Erfindung wie den »Fernselm«, eine Mischung aus »Fernsehen« und »Helm« – Letzterer wird aufgestülpt und befördert Wario auf Knopfdruck in Ersteres. Dort klaut er dem pummeligen Grafen flugs seinen Zauberstab »Stilgut«, verwandelt sich in den Meisterdieb »Purpurwind«, und kann loslegen, die gesamte Welt von ihren Reichtümern zu befreien. Fragen? Nein? Dachte ich mir schon.
Master of Disguise (MoD) ist kein Jump-n-Run: Zwar springt und rennt ihr mit dem nett animierten Pixelwario durch bunte Pixelwelten, aber das ist nicht eure Hauptaufgabe. Die besteht darin, Schatztruhen zu finden und zu knacken, was erledigt wird, indem man Touchpad-Minigames löst – farblose Bilder auspinseln, einen Haufen Zahlen miteinander verbinden, ohne den Stift abzusetzen, ein Bilderpuzzle zurecht schieben oder Schaben zerquetschen. So weit, so simpel, kompliziert wird es nur dadurch, dass ihr erstmal herausfinden müsst, wie ihr an die eine oder andere Kiste überhaupt herankommt: Ähnlich wie in den Metroid-Games könnt ihr zwar theoretisch von Anfang an überall hin laufen, praktisch seid ihr jedoch auf ein enges Areal begrenzt, das ihr erst nach und nach erweitert, indem ihr neue Kostüme dazugewinnt. Diese Klamotten warten ebenfalls in Kisten auf ihre Entdeckung, jeder der acht Fetzen verleiht euch frische Eigenschaften: Langfinger-Wario kann sehr weit springen, Astro-Wario hat einen Laser, mit dem er in die Richtung schießt, die man via Stylus vorgibt, Wissenschaftler-Wario kann die Umgebung auf versteckte Schätze untersuchen, Drachen-Wario kann Feuer spucken und durch dünne Böden schmettern – und Künstler-Wario kann mitten in die Landschaft Blöcke zeichnen, auf die er anschließend klettern darf. Nachteil: Er kann sich nicht bewegen. Habt ihr mehrere Kostüme freigespielt, könnt ihr jederzeit zwischen den verfügbaren wechseln; nein, ihr müsst! Denn der Kern des Spieldesigns besteht ähnlich wie in Impossible Mission darin, euch grübeln zu lassen, wie ihr jetzt von A nach B kommt – und welche Kostümkräfte ihr dazu benötigt.Je nach Kostüm verfügt Wario über unterschiedliche Kräfte – hier zu sehen als Feuer speiender Drachenwario.
Fummel mich bunt!
So schön der Klamotte-wechsel-dich-Gedanke auch klingt, so mäßig ist er umgesetzt. Denn natürlich wäre es zu viel verlangt, die Kleiderwahl einfach auf die (nicht genutzten) Schulterbuttons zu legen – stattdessen müsst ihr über Warios Kopf ein bestimmtes geometrisches Muster malen, um die Kleider zu aktivieren, für jeden Fummel ein anderes. Das wäre ja nicht besonders schlimm, abgesehen von der Tatsache, dass man recht präzise ansetzen muss, um nicht ständig nur Wario furzen statt sich umziehen zu sehen. Extrem lästig wird es erst, wenn ihr unter Zeitdruck steht – wie bei einem Bosskampf, in dem ihr ständig zwischen mehreren Kostümen wechseln müsst. Krampf, furchtbarer Krampf. Immerhin ist die Steuerung an sich sehr simpel gehalten, so simpel sogar, dass die Digibuttons gar nicht benötigt werden, es sei denn, ihr seid Linkshänder – dann werdet ihr erfreut feststellen, dass A, B, X und Y genau dieselbe Funktion zukommt wie ihren Digipad-Kumpels.
Technisch ist MoD alles andere als spektakulär – müsste ich raten, würde ich schätzen: so 1992. Die Mischung aus Render- und Pixelgrafik ist nett, die Figürchen sind nett, alles ist irgendwie nett, aber mehr auch nicht. Falls ihr gerade keine Lust darauf habt, alle zehn langen Episoden am Stück durchzuspielen, könnt ihr schnellspeichern – allerdings wird dieses Savegame beim nächsten Laden automatisch gelöscht. Zuverlässiger sind daher feste Speicherpunkte innerhalb der Levels bzw. das automatische Sicherungssystem am Ende einer Welt.