D-Jugend-Erinnerungen

Die Lernkurve als Spieler des Virtual Reality Football Club ist enorm steil. Denn zunächst muss man sich daran gewöhnen, dass man seine VR-Füße mit Bewegungen von Armen und Händen steuert. VRFC inszeniert der Deutschen (und Briten) Lieblingssport nicht als taktisches Tippkick-Geplänkel mit isometrischer Ansicht oder gar als Manager. Man schlüpft in die Rolle eines Spielers, den man mit ein paar rudimentären Optionen personalisieren kann und ist dann in Egosicht mitten im Geschehen. Schüsse, Pässe, Laufbewegungen (auch seit- oder rückwärts): Alles wird über die Move-Knüppel kontrolliert. Beim Geradeaus-Laufen, umgesetzt durch natürliche Schwingbewegungen der Arme, ist dies alles noch intuitiv und immersiv – zumal mit den sichtbaren Armen ein visueller Fixpunkt gegeben wird, um tendenzielle Bewegungskrankheit zu minimieren. Doch bei Seitwärtsbewegungen und Drehungen, die zusätzlich zum Armschwung noch Tastendrucke benötigen, beginnen die Schwierigkeiten. Denn letztlich ist nur hierüber eine vernünftige Positionierung zum Spielgerät möglich, so dass man über eine weitere Taste und Ausholbewegung mit dem Fuß (also der Hand bzw. dem Arm) nicht nur Pässe oder Schüsse versucht, sondern sie tatsächlich effektiv einsetzen kann. Zwar kann man auch per Tastendruck die Figur zum Ball ausrichten, doch dies kann durch sehr schnelle Drehungen auch bei gestählten VR-Mägen zu einem leichten flauen Gefühl führen – es wird deutlich, dass die Bewegungswarnung, die das Team von Cherry Pop Games (Sports Bar VR) an den Anfang gesetzt hat, ihre Berechtigung hat.

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Bei den Matches der Vierer-Teams kommt die soziale Komponente des Mannschaftssports Fußball gut zur Geltung. Ohne Kommunikation ist man schnell auf der Verliererstraße. © 4P/Screenshot

Ich fühlte mich von den mechanischen Anforderungen spontan an meine Anfänge als Hobby-Fußballer in der E- bzw. D-Jugend erinnert, wenn man nach und nach an die richtigen Pass- und Schusstechniken herangeführt wird. Dementsprechend sollte man auch in VRFC viel Zeit in die paar Trainings-Module stecken, die einem das Passspiel und Schießen näherbringen. Denn wie in der Realität ist die Position des Spielers zum Ball mit entscheidend dafür, ob und wie stark die Kugel Richtung Ziel geht. Hat man das Training idealerweise ein paar Mal absolviert (dauert nur jeweils ein paar Minuten), stellt man fest, dass man auch Feinheiten wie Effet usw. anbringen kann, indem man die Fußhaltung über die Ausrichtung der Hand verändert. Doch obwohl derartige Modifikationen der Flugbahn möglich sind, ist die Ballphysik nicht realistisch – zumindest nicht realistisch genug, um überzeugen zu können. Das Spielgerät wirkt häufig viel zu leicht, beinahe so, als ob man mit irgendeinem Kunststoffball für Kinder herumkickt. Doch nicht nur das ist schuld daran, dass man sich Erfolge schwer erarbeiten muss. Als Fußball-Fan, der in seiner aktiven Laufbahn vom Spieler über Jugendtrainer bis hin zum Schiri alles gemacht hat, finde ich es löblich, dass ein Team wie Cherry Pop versucht, den Fußball als zentrales Element der VR-Erfahrung zu präsentieren. Doch ob es wirklich clever war, die Bewegungen in dieser Form zu emulieren, anstatt dem Spieler eine vollwertige Pad-Steuerung in die Hand zu geben, wage ich zu bezweifeln. Ein “Sociable Soccer” aus Ego-Sicht hätte mir vollkommen gereicht. Die Bewegungsexperimente sind zwar gut gemeint und sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, aber in dieser Form der Dynamik nicht zuträglich.

Hallenfußball


Apropos “Sociable Soccer”: Außer Training gibt es für Solisten nichts zu tun. Cherry Pop geht zwar davon aus, dass man in absehbarer Zeit weitere Inhalte für Alleinspieler nachliefert, doch der Fokus liegt ohne Zweifel auf den Mehrspielerduellen, bei denen man in zwei Teams à vier Spielern antritt, während der Torwart von der maximal auf Bezirksliga-Niveau agierenden KI übernommen wird. Und hier werden weitere Mankos der letztlich eher oberflächlichen Mechanik deutlich. Es gibt keine aktiven Abwehraktionen außer dem Versuch, sich in den Weg zu stellen. Und überhaupt spielt sich VR-Fußball eher so, als ob maximal C-Jugendmannschaften in der Halle gegeneinander antreten. Alles etwas wild und mitunter unbeholfen, aber dennoch irgendwie unterhaltsam. Wobei dies nicht für die Zuschauer gilt. Denn obwohl man hier die aktuelle Unreal-Engine nutzt, ist die Kulisse abseits des satten Grüns, auf dem man unterwegs ist, ebenso zweckmäßig wie die Mechanik. Und dennoch übt der soziale Aspekt des Mannschaftssports eine gewisse Faszination aus. Allerdings muss man erst die mitunter

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Der Fokus von VRFC liegt auf den Mehrspieler-Duellen. Für Solisten gibt es nur ein Trainingsprogramm. © 4P/Screenshot

lange Wartezeit in der Lobby auf andere Spieler hinter sich bringen, die allerdings dadurch verkürzt wird, dass hier optional ein Cross-Plattform-Spiel mit Fußballern hinter den Rift- bzw. Vive-Brillen ermöglicht wird.

Ist man erstmal in einem Team, ist die Qualität des Spielerlebnisses stark abhängig von der Art und Weise, wie die Mitspieler mit einem umgehen. In den Partien, die ich gemacht habe, gab es zumindest ein breites Spektrum an Erlebnissen. In einem Match kam ich mir vor wie der Knirps, der als letzter einem Team zugelost wird: Nachdem ich meine ersten Fehlpässe gespielt hatte, wurde ich für den Rest des Spiels von den anderen weitgehend ignoriert und selbst in aussichtsreichen Positionen nicht angespielt. Es geht aber auch anders: Bei einem weiteren Anlauf haben sich die anderen Spieler tatsächlich in einem gewissen Rahmen bemüht, mir Tipps zu geben, wie ich dies oder jenes besser oder anders machen kann. Dann wiederum ist es mir auch passiert, mit einem oder mehreren Trollen in einer Mannschaft zu sein, die einem das Spiel regelrecht madig machen können. Genau so wie man es auf Bolzplätzen landauf, landab als Kind oder Heranwachsender ständig erlebt hat. Denn in einem Punkt hat VRFC Fußball ziemlich gut erfasst: Man verliert und siegt gemeinsam. Denn auch der elitärste Troll kann nicht alleine gewinnen und wird früher oder später auf der Verliererstraße stehen, wenn er seine Mitspieler die ganze Zeit beschimpft. Doch soziale Dynamik hin, Steuerungsexperimente her, wäre VRFC als padbasiertes Erlebnis oder als Variante von Tipp-Kick oder Subbuteo effektiver und interessanter gewesen. Zumal auch die Sozialkomponente in dem Fall weiterhin wichtig gewesen wäre.

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