Machtpolitik mit Pokerflair

Tja, falsch gepokert: Die Russen haben schon wieder gewonnen! Da spiele ich seit Jahren “Gleichgewicht des Schreckens” am Tisch, aber gegen die KI habe ich mir bereits zweimal als Amerikaner die Zähne ausgebissen – und zwar vorzeitig. Aber das ist gut so, denn diese Brettspielumsetzung von Playdek ist keine halbgare digitale Variante für zwischendurch, sondern eine vollwertige Herausforderung, die auch bei (vermeintlichen) Kennern wie mir nochmal den Ehrgeiz weckt – schließlich kann man hier im Gegensatz zum Original auch alleine um die Vorherrschaft kämpfen.

Und ein Wesen dieses Klassikers ist, dass die Russen in der frühen Phase des Kalten Krieges einige Vorteile genießen,

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“Twilight Struggle” ist eine Konfliktsimulation für zwei Spieler, die aktuell nur auf Englisch spielbar ist. Es ist eine 1:1-Umsetzung des gleichnamigen Brettspiels aus dem Jahr 2005, das als “Gleichgewicht des Schreckens” seit 2012 von Udo Grebe Design auf Deutsch vertrieben wird. © 4P/Screenshot

während die Amerikaner ihre Stärken später einsetzen können. Man kann die rote Expansion nicht stoppen, aber man kann sie mit etwas Geduld geschickt eindämmen und danach zurückschlagen. Dazu muss man das “Brettspielwesen” dieses rundenbasierten Schlagabtausches zwischen West und Ost allerdings verstehen.

Selbst wenn man das Tutorial verinnerlicht hat: Einsteiger sollten auf jeden Fall unter Hammer und Sichel gegen die US-Boys antreten. Schade ist natürlich, dass es nicht mehrere Schwierigkeitsgrade oder einzelne Kampagnen für Neulinge gibt, aber dafür kann man ein Handicap einstellen oder nicht schon ab 1945, sondern erst in der Spätphase des Kalten Krieges starten, um eine schnellere Partie zu erleben; auch die Variante des chinesischen Bürgerkriegs ist dabei.

Brettspielflair und Kennedy spricht

Wie präsentiert sich die digitale Variante? Überaus angenehm ist, dass die Entwickler hinsichtlich des Artdesigns an das Flair des Originals mit seiner an Risiko erinnernden Weltkarte anknüpfen; hinzu kommen stimmungsvolle Sprachsamples von Stalin, Kennedy & Co sowie eine – auf Dauer allerdings zu eintönige – Musikuntermalung. Wichtiger sind die vielen Komfort- und Hilfsfunktionen: Man hat alle wesentlichen Wertungsaspekte sowie abgelegte Karten im Blick, kann sich nochmal in Ruhe alles ausführlich durchlesen, Züge zurücknehmen, vergangene einblenden oder neben dem allgemeinen Zoom über das Mausrad auch direkt eine der sechs wichtigen Regionen wie Europa, Asien oder Afrika vergrößern. Sehr vorbildlich sind zusätzliche Farbleisten für den aktuellen Status quo sowie die Vorschau samt einer prozentuellen Chance, bevor bei geplanten Umstürzen oder anderen Proben gewürfelt wird.

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Alles fängt harmlos in der ersten Runde im Jahr 1945 an, mit gerade mal 15 sowjetischen und 25 amerikanischen Einflusspunkten, teilweise fest vorgegeben, teilweise frei verteilbar. Einsteiger werden vom guten Tutorial durch die komplexe Spielmechanik geführt und sollten gegen die KI die Russen spielen – als Amerikaner hat man es zu Beginn schwerer. © 4P/Screenshot

Es gibt allerdings einen Wermutstropfen für deutsche Einsteiger: Das Spiel ist bisher nur auf Englisch erhältlich, soll aber inkl. einiger Sprachaufnahmen voll lokalisiert werden. Wer das einigermaßen lesen kann, wird aber sowohl vom interaktiven Tutorial als auch vom separat einsehbaren Regelwerk angenehm ausführlich in die Rundentaktik eingeführt, die auf den ersten Blick komplexer wirkt als sie ist. Zu Beginn mag die große Weltkarte mit all den Anzeigen noch verwirren, aber hier geht es wesentlich klarer, flotter und strukturierter zur Sache als etwa in Paradox’ Europa Universalis 4.

Was macht die Faszination aus? Nicht nur am Tisch, auch am Rechner entwickelt sich ein spannender geostrategischer Schlagabtausch zwischen der USA und der UDSSR. Das ist keine dröge Zahlenschubserei wie bei gewöhnlichen Konfliktsimulationen, sondern gerade aufgrund der Karten und Ereignisse eine spannende Angelegenheit, die ich im Folgenden näher vorstelle.

  1. Schöner Test, aber ich würde Anfängern doch dazu raten, die USA zu spielen - dabei lernt man einfach schneller und besser, worauf es ankommt.
    Ein Hotseat-Modus soll übrigens noch nachgeliefert werden.

  2. Das Spiel gegen eine gute KI ist natürlich sehr interessant, denn leider ist mein Freundeskreis wenig spieleaffin - und falls mal gespielt wird, ist selten jemand bereit, das Gleichgewicht des Schreckens zu spielen. Wird gekauft, sobald es DRM-frei und abseits von Steam erhältlich ist.

  3. kabeljau27 hat geschrieben:Leider habt ihr in eurem Test vergessen die vielen, vielen Bugs zu erwähnen. Ich mag fordernde KI, aber wenn es durch die Bugs unfair wird verliere ich doch die Lust.
    Welche Bugs denn konkret?
    Ich hab jetzt acht Spiele hinter mir, 6x als USSR (3:3) und 2x als US (1:1) und konnte keinen einzigen Bug - sprich eine Abweichung von den Regeln oder irgendwas, das nicht ausgeführt worden wäre - entdecken. Hab auch immer im (übersichtlich gehaltenen) Log nachgesehen wenn's mir zu schnell ging.
    KI führt einen ab und an ganz schön in die Irre und weiß mit dem Iran-Coup umzugehen. Als ich US war hatte die KI auch mal ein abweichendes Start-Setup, als sie direkt COMCON geheadlined hatte - schön zu sehen, dass sie das kann.

  4. Leider habt ihr in eurem Test vergessen die vielen, vielen Bugs zu erwähnen. Ich mag fordernde KI, aber wenn es durch die Bugs unfair wird verliere ich doch die Lust.

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