Kein Rhythmus-Prügler, sondern klassische Runde

Obwohl man mit Musik oder Performance Arts als erzählerischem Hintergrund als Entwickler leicht in Versuchung kommen könnte, irgendwelche rhythmischen Elemente in den Kampf einzubauen, geht man hier einen konservativen Weg: Am oberen Bildschirmrand ist eine Aktionsleiste, die die Reihenfolge der nächsten Züge anzeigt, so dass man seine Angriffe entsprechend planen kann. Natürlich kann man nicht nur physisch attackieren, sondern auch per Magie. Man kann alternativ Gegenstände verwenden, um Statistik- und damit Kampfwerte temporär zu modifizieren oder Lebensenergie bzw. Mana heilen. Und mit Ausnahme von Itsuki kann man sein Kampftrio verändern, wenn man an der Reihe ist und Reserve in petto hat  und so seine „Elementarzusammenstellung“ ändern, wenn man feststellt, dass man in der gegenwärtigen Gruppierung kaum eine Chance hat. Denn im Zusammenhang mit den Spezialfähigkeiten jeder Figur sowie den wechselbaren Waffen, von denen jede für ein bestimmtes Element steht, bekommen die klassisch geführten Auseinandersetzungen eine frische Note.

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Knallbunt und schrill: Obwohl Ähnlichkeiten zur Persona-Serie vorhanden sind, setzt Tokyo Mirage auf eine “leichtere” Präsentation. © 4P/Screenshot

Schafft man es, entweder die Elementarschwäche des Gegners auszunutzen oder landet einen kritischen Treffer, wird eine Kombo-Attacke, die so genannte „Session Attack“ ausgelöst, bei der die Mitstreiter außerhalb ihres eigentlichen Zuges den jeweiligen Feind zusätzlich angreifen – doch Vorsicht: Natürlich können auch die Gegner eine Kombokette starten. Es gibt später sogar die Möglichkeit, zusammen mit den Mirage-Partnern bestimmte Angriffe zu initiieren oder Kombos aufzubauen, die ein Dutzend Angriffe beinhalten und nebenbei auch noch Lebens- oder magische Energie auffüllen. Zusätzlich gibt es auch noch besonders mächtige Angriffsformen, die mit einer Zwischensequenz eingeleitet werden, an der man sich auch nach dem x-ten Mal nicht satt sieht. Und das alles bei einer sehr leichten Zugänglichkeit. Mitunter könnten die Erklärungen für bestimmte Aktionen zwar üppiger ausfallen, so dass die Zusammenhänge klarer werden. Doch jeder, der schon einmal irgendein Rollenspiel japanischer Ausprägung von Final Fantasy bis Shin Megami Tensei, von Grandia bis Chrono Chross in den Fingern hatte, wird sich hier sehr schnell wohl fühlen und die Kulisse genießen.

Zwischen Kunst und Kitsch


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Wieso sind die Passanten nur als Farbkleckse zu sehen? Die Antwort lässt Raum für Interpretation. © 4P/Screenshot

Vor allem die cineastischen Superangriffe und das Figuren- bzw. Kostümdesign wissen visuell zu überzeugen und machen aus dem Crossover-Projekt eine Wii-U-Augenweide. Doch es gibt im Allgemeinen ohnehin nur wenige Elemente, bei denen Tokyo Mirage einen biederen Eindruck hinterlässt. Das poppig-bunte Design, das sich sowohl durch einen Großteil der Levelgestaltung als auch vor allem durch die Menüs zieht, passt wunderbar zum Popkultur-Thema. Die Anime-Zwischensequenzen wurden aufwändig produziert und sind zusammen mit den speziell für das Spiel komponierten J-Pop-Songs immer ein audiovisueller Höhepunkt. Das gilt angesichts von mangelnder Texturabwechslung zwar nicht immer für die Dungeons, die man auf der Suche nach den skurrilen Gegnern bzw. als Aufgabe einer Mission durchforstet, doch unter dem Strich ist #FE ein sehr ansehnliches Erlebnis. Bei den nur als grobe Farbtexturen dargestellten Zivilisten, die man beim Durchstreifen der leider etwas klein geratenen Hublevels auf dem Weg zum nächsten Dungeon oder zum nahe gelegenen Shop antrifft, werden sich die Geister allerdings scheiden.

Denn die sehen in der Tat weder besonders schön noch besonders homogen integriert aus. Allerdings habe ich meine eigene Theorie und sehe sie stellvertretend für die weitgehend anonyme Masse, die ihren Idolen auf der Bühne zujubelt sowie als Metapher für die Einsamkeit des Helden. Dadurch werden diese NPCs zwar nicht hübscher, aber sie passen sich so wunderbar in die Thematik ein. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sich Atlus bzw. Nintendo mit einer Designentscheidung neuer Fans berauben. Ich persönlich störe mich zwar nicht an der rein japanischen Sprachausgabe, die auch hierzulande nur mit englischen Untertiteln versehen wurde. Doch wer nur über das schicke Cover oder pure Neugier auf Tokyo Mirage Sessions stößt und dann feststellt, dass er akustisch gar nichts und ggf. textuell nur wenig versteht, wird trotz aller inhaltlicher Vorzüge nur wenig Spaß haben.

Zeitfresser

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Die Helden aus Fire Emblem tauchen meist nur in Cameo-Auftritten auf. Die Einflüsse der Taktik-Rollenspiele auf das Kampfsystem sind prägnanter. © 4P/Screenshot

Wer sich allerdings auf #FE einlässt, hat viel zu tun. Auch ohne den sonst üblichen Grind gibt es genug Inhalte, um dutzende unterhaltsame Stunden zu verbringen. Es gibt ausreichend Haupt- und Nebenmissionen, wobei sich über Letztere sogar neue Fähigkeiten freischalten lassen. Man sogar oberflächlich soziale Verbindungen pflegen, die sich aber nur rudimentär auf das Spiel auswirken und nicht einmal ansatzweise die Partyinteraktion von Bioware-Titeln erreichen. Doch viel wichtiger: Die Pflege der Charaktere ist vielschichtig. Zwar kann man die nach einem Levelaufstieg vergebenen Statsistikpunkte nicht selbst verteilen, sondern ist auf die Zuteilung durch das Spiel reduziert. Doch dafür kann man später sogar eigene Waffen herstellen, damit maßgeblich Einfluss auf die Elementarkräfte bzw. -Verteilung innerhalb der Gruppe nehmen und hat bei der Wahl der Fähigkeiten größtmögliche Freiheit.

Schade ist allerdings, dass die Anzahl der erlaubten Spezialoptionen limitiert ist. So muss man irgendwann bei jeder hinzukommenden Fähigkeit entscheiden, ob man sie ignoriert (und sie dann verfällt) oder sie “anlegt” und dafür eine andere permanent verliert. Da man hier u.U. zu Gunsten einer neuen Option auf eine Elementarkraft verzichtet, man aber kurz darauf feststellt, dass man genau diese noch brauchen könnte, kommt ab und an leichter Frust auf. Da man aber beinahe überall speichern kann, lässt sich dieser Trial&Error-Prozess auf ein erträgliches Maß an Zeitaufwand reduzieren.

  1. yopparai hat geschrieben:Ansonsten muss ich nach dem ersten echten Dungeon noch lobend erwähnen, dass man da nicht einfach durchrennen kann, sondern Rätsel lösen muss. Das hab ich in den letzten Jahren bei Rollenspielen irgendwie vermisst und gerade hier nicht erwartet. Bei Persona waren die Dungeons für mich immer das langweiligste.
    Ohne zuviel verraten zu wollen (habe auch gerade erst Kapitel 2 beendet), der zweite Story-Dungeon hat auch eine Art Rätsel zu bieten. Scheint sich wohl durch das gesamte Spiel zu ziehen, was ich persönlich sehr begrüße. Gibt nix langweiligeres als einfach nur stundenlang irgendwelche Korridore abzulatschen, von daher schön, dass man die Prozedur in Tokyo Mirage mit kleinen Rätseln auflockert.

  2. eigentlichegal hat geschrieben:Ich zitiere dich nur, damit dir angezeigt wird, dass ich was von dir will. :) Du hast doch Tokyo Mirage (TM) und kannst mir vielleicht weiterhelfen. Ich habe bisher noch kein einziges Persona gezockt, bin aber leidenschaftlicher JRPG-Fan (auch wenn sich das für den ein oder anderen widersprechen mag :P) und bin auch dem "Mainstream-Anime" (was immer man sich genau darunter vorstellt) sehr zugetan. Nun meine Frage an dich, die ich bisher aus den Reviews nicht herauslesen konnte: Ist die Story von TM aufgrund des Settings zum Fremdschämen? Ich kann mir unter diesem Banner der Kreativen eigentlich nur ziemlichen Unsinn vorstellen. Generell hätte ich nämlich schon Bock auf dieses Japansetting und finde den Animelook sehr ansprechend und über das Kampfsystem hört man ja allenthalben nur positives.
    Schwierige Frage, denn ob was zum fremdschämen ist, ist glaub ich von der Person abhängig. Von der Story her bin ich auch noch gar nicht so weit, vll. 4 oder 5h drin. Die Songtexte sind jedenfalls total zum fremdschämen, aber die sind ja zum Glück nicht übersetzt ^^...
    Es ist jedenfalls total kitschig. Viel kitschiger als ein Persona. Man braucht schon ein dickes Fell. Man kennt das aus entsprechenden Anime. Selbstverständlich wollen alle immer nur Idols werden, weil sie alle Menschen glücklich machen und ihre Herzen durch Musik erreichen wollen (während ich dies tippe läuft hinten der Schmalz aus der Tastatur...)
    Mag sein, dass sich das im Lauf des Spiels noch gibt, wie gesagt, ich bin erst knapp 5h drin (Zero Time Dilemma ist etwas dazwischengegrätscht...). Auf die von Levi angesprochenen satirischen Momente versuch' ich mal zu achten, angesprungen ham sie mich aber bisher nicht.
    Auf der anderen Seite empfinde ich das Kampfsystem durchaus auch als originell, man versucht quasi immer erstmal Schwächen bestimmter Gegner zu ermitteln und dann Ketten zu bauen, denn immer wenn man eine Schwäche ausnutzt, kann ein anderes Partymitglied, das eine...

  3. Wie Levi bereits erwähnt hat, parodiert die Story viele dieser Klischees regelrecht und die Figuren die diese am stärksten darstellen sind prinzipiell auch so angelegt, dass man diese erkennt (z.B. strunzdumm). Die meisten der Charaktere kommentieren dieses Verhalten dann aber auch kritisch bzw. humoristisch. Dieses Spiel beinhalte ja eigentlcih auch eine explizite Kritik der japanischen Popkultur, was leider durch die Zensur natürlich nicht ganz so erkenntlich ist, (Siehe Entfernung der Pinup-Bilder und Pinup-Vergangenheit eines bestimmten Charakters.)

  4. bin nicht yopparai aber ich antworte trotzdem mal:
    Die Story hat Fremdschäm-Charakter ... aber sie spielt auch regelrecht damit.
    So gibts zum Beispiel eine Stelle, bei der du explizit von einen "jüngeren" Charakter mit "Onii-Chan" angesprochen wirst. ... (Als Anspielung auf gewisse Anime-Trope) Deinem Charakter ist das aber praktischerweise ähnlich peinlich wie dem Spieler selbst :ugly:
    Sowieso hilft der Hauptchar mit seiner "Ablehnung" des ganzen Idol-Krams dafür, dass man gut mit zurecht kommt ... bzw später mit reinwächst?! (hab erst Prologue beendet ... blödes RL :( )

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