Fiktives Szenario, realistischer Bezug

The Westport Independent spielt in einem fiktiven Staat nach dem Zweiten Weltkrieg mit gerade etablierter tyrannischer Regierung. Es versetzt euch in die Rolle eines Chefredakteurs des Jahres 1948, der mit seiner gleichnamigen Wochenzeitung die öffentliche Meinung in vier Stadtteilen beeinflussen kann – im Sinne des Regimes oder der Opposition. So kann es am Ende z.B. zu einer Mehrheit für die “Loyalisten”, zu Aufruhr und Straßenkämpfen oder gar einer Rebellion kommen. Aber Letztere ist nicht so leicht in den ersten Anläufen zu erreichen…

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Kann man die letzten zwölf Wochen Pressefreiheit so nutzen, dass die Regierung gestürzt wird? © 4P/Screenshot

Dieses Spiel ist gerade deshalb so interessant, weil es viele aktuelle Bezüge gibt. Nicht irgendwo weit weg in Nordkorea oder in Russland, wo die Einflussnahme des Staates auf die Medien fest etabliert ist, sondern mitten im “freien” Europa. Haben deutsche Zeitungen vor den Ereignissen in Köln ausreichend über die Schattenseiten der Integration berichtet? Hat hat man heikle Themen weggelassen oder beschönigt, damit Bürger nicht beunruhigt werden?  Aus der schnell krakeelten Verschwörungstheorie samt “Lügenpresse” wird in diesem Spiel ganz praktischer Alltag.

Drei Monate Endspurt der Pressefreiheit


Der Vergleich mit der Situation in Polen drängt sich noch viel deutlicher auf, weil die politische Ausgangslage ähnlich ist. Auch im Spiel sorgt eine gerade an die Macht gelangte rechtskonservative Regierung dafür, dass Demokratie und

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Überschriften kann man auf Knopfdruck reißerischer gestalten, die Fakten darunter kann man streichen. © 4P/Screenshot

Pressefreiheit beschnitten werden.  Auch virtuell kündigen Journalisten, weil sie nicht manipuliert werden wollen, der Zensurhammer kreist bereits und die Gesellschaft scheint gespalten. Man startet das Spiel quasi im Endspurt der Pressefreiheit: Noch gibt es keine offizielle Zensur, noch darf man schreiben was man will. Aber das Mediengesetz wird in zwölf Wochen in Kraft treten, dann könnte die Regierung die Zeitung einfach dicht machen.

Wie kann man als Chefredakteur etwas beeinflussen? Man wählt einen Artikel aus einem Pool aus, klickt oder tippt auf eine Überschrift und bekommt sofort eine Alternative angezeigt – die z.B. ehrlicher oder reißerischer sein kann. Hier zeigt dieses Spiel sehr schön auf, welche Macht in der Wortwahl steckt. Aus dem eher lustigen “PRESIDENT STRUCK BY TOMATO” kann man auch ein bedrohlicheres “PRESIDENT VICIOUSLY ATTACKED BY REBEL SYMPATHIZER” machen. Statt “MAN ATTACKS POLICE OFFICER” heißt es “MAN DEFENDS TEENAGER, POLICE OFFICER PRESSES CHARGES” – das Spiel ist aktuell nur auf Englisch erhältlich.

  1. padi3 hat geschrieben: Warum ist BRD, USA, usw. nicht mitdabei? Kein Selbstbestimmungsrecht nur weil Russland davon profitiert?
    Lies doch einfach die Abschnitte, unter welchen Umständen sich die Region "abgespalten" hat. Das ist genau derselbe Murks wie jetzt in der Ostukraine.

  2. ähnlicher fall:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Abchasien
    Die Georgische SSR war eine der ersten Unionsrepubliken, die sich von der Sowjetunion lossagte. Erster Staatspräsident wurde der Nationalist Swiad Gamsachurdia, der eine sehr minderheitenfeindliche Politik verfolgte. In mehrheitlich von Minderheiten bewohnten Regionen, insbesondere in Abchasien und Südossetien, war die Lage ohnehin bereits angespannt. Es begannen dort nun größere Unruhen und Massendemonstrationen.
    Neben den Abchasen sahen auch große Teile der in Abchasien lebenden Armenier, Russen und Ukrainer ihre Rechte in einem neuen georgischen Nationalstaat als bedroht an. Aus Protest gegen die Politik Georgiens solidarisierten sich daher die meisten nicht-georgischen Bewohner Abchasiens mit den Abchasen.
    Seit 2008 haben vier UN-Mitgliedsstaaten die Unabhängigkeit Abchasiens anerkannt: Russland, Nicaragua, Venezuela
    Warum ist BRD, USA, usw. nicht mitdabei? Kein Selbstbestimmungsrecht nur weil Russland davon profitiert?

  3. Poly hat geschrieben:Angefangen vom Referendum an sich. Eine Zustimmung von weit über 90%? Ein solches Ergebnis muss einen sofort aufhorchen lassen. Solche Ergebnisse gibt es nie in fairen Wahlen. Es passiert einfach nicht weil Menschen sich nie so einig sind. Selbst wenn alle russischstämmigen (etwa 60%) auf der Krim dafür waren, die Krimtataren waren es wohl kaum (etwa 12% der Bevölkerung)
    Dann warum ließ man keine neutralen Wahlbeobachter zu?
    Weiter was das Vorfeld der Wahlen angeht. Die Wahl wurde viel zu schnell abgehalten. Es gab kaum Möglichkeiten für beide Seiten Wahlkampf zu betreiben.
    Gut, dazu muss man sagen, dass die Krimtataren die "Wahl" afaik größtenteils boykottiert haben.

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