Leider ist alles andere außerhalb dieser psychologisch interessanten Fragerunden spielerisch nicht der Rede wert und statt offener Erkundungsreize oder wenigstens detektivischer Recherche herrscht meist Ablaufroutine, zumal man auf Knopfdruck die Anweisung bekommt, wo man als Nächstes hin soll: Geh ins Obergeschoss, geh in Behandlungsraum C, geh ins Archiv und so weiter. Viel zu oft muss man einfach nur von A nach B laufen und dort eine Puppe oder einen Brief platzieren oder mal extrem simple Schalterrätsel bewältigen – und besonders weitläufig ist die Anlage nicht. Hinzu kommen unlogische Situationen wie plötzlich verschlossene oder geöffnete Türen, obwohl man sich nicht in einer surrealen Erinnerung, sondern in der toskanischen Realität befindet, in der es weder Geister noch Übersinnliches gibt.
Die größte Herausforderung bleibt die hakelige Steuerung, denn man muss ständig die Karten auf den Fluren langsam heranzoomen (warum werden die nicht einmal archiviert und gut?), hängt schonmal an kleinen Hindernissen und öffnet in schlimmer Monotonie Türen oder Schränke – manchmal muss man beide Flügel sogar einzeln anwählen, sonst kommt man nicht durch. Sehr enttäuschend ist zudem,
dass man zwar manchen Gegenstand als 3D-Objekt näher untersuchen kann, inklusive halbherzigem (!) Drehen und Zoomen, aber dass man hier weder etwas entdecken noch rätseln kann. Selbst Briefe darf man nicht komplett auf die Rückseite drehen. Hier wurde viel Potenzial verschenkt!
Stattdessen muss man sich sehr viel vorlesen lassen, immerhin gut auf Deutsch eingesprochen, und braucht eine Lupe, um so manche Texthinweise zu lesen, die in zu kleiner Schrift oben rechts angezeigt werden. Hinzu kommen die Stilbrüche in der Präsentation, die einen mit ihren gezeichneten Rückblicken immer wieder aus dem Erlebnis herausreißen. Immerhin wirken die gespielten Passagen in der Vergangenheit mit ihren surrealen Verzerrungen oder dem Gang durch die diffus graue Welt der 30er Jahre mit den puppenhaft Inhaftierten eindringlicher – hier wird trotz schrecklich steifer Animationen zumindest die kalte Fratze von Wärtern ebenso greifbar wie das entseelte Gesicht all der gequälten menschlichen Marionetten.
Labyrinth der Langeweile
Irgendwann ab dem letzten Drittel dieses Psychotrips war ich aber nur noch genervt. Wie gut man das Erkunden inszenieren kann, ohne dass man sich dermaßen gegängelt fühlt, hat What Remains of Edith Finch kürzlich eindrucksvoll bewiesen – hier erlebt man das Gegenteil. Was hat die Entwickler bloß geritten, dieses erzählerisch so interessante Abenteuer dermaßen künstlich zu strecken? Hier wird das Klischee des “Wandersimulators” leider rücksichtslos bedient, weil irgendjemand auf die Idee kam, dass es außerhalb der Psychiatrie ja noch eine Landschaft, einen Friedhof und Pavillons gibt.
Also muss man plötzlich einem Leichenwagen hinterher laufen, nur um dabei die schwache Technik anstatt eine idyllische Toskana zu erleben. Nur auf den allerersten Blick sorgt das Licht zusammen mit der Architektur sowie der Flora für so etwas wie mediterranes Flair. Aber im Gegensatz zum ansehnlichen The Vanishing of Ethan Carter ist dieses von der Unity-Engine inszenierte Town of Light vor allem außerhalb der Psychiatrie eine komplette grafische Ernüchterung – hier kommt es beim langsamen Wandern zu Popups, Flimmern und starken Bildrateneinbrüchen. Auf den zweiten Blick sieht das nicht schön, sondern nur noch spröde aus – jegliche Faszination geht hier flöten.
Aber auch das Spieldesign bricht während dieser Ausflüge aufs Land komplett ein: Man muss tatsächlich wie an der Schnur gezogen Lichtern folgen, jedes Gestell eines Spielplatzes nutzen und in einem surrealen Labyrinth der Erinnerungen einige Bildmotive an Wänden finden. Hab ich einige gesagt? Es sind 17! Und wenn da erst 1/17, dann 2/17, dann 3/17 eingeblendet wird, während man blöde umherirrt, fühlt man sich wie in einem schlechten Ubisoft-Film, in dem Assassinen irgendwelche Federn sammeln sollen. Es war lediglich die Aussicht auf das baldige Finale, die mich durchhalten ließ.
Wo der Titel gerade im Sale für 4,99€ zu bekommen ist kann ich nicht mehr nein sagen, obwohl die Demo mich nicht mitgerissen hat. Aber die Bewertungen im Xbox One Store sind größtenteils sehr positiv. Man muß wohl die spielerischen Unzulänglichkeiten beiseite schieben und sich mehr auf das Erlebte der Protagonistin im historischen Kontext konzentrieren.
Ja das Spiel hat mich leider auch enttäuscht. In dem Test sind für das kurze Gameplay echt viele Hinweise drin ;D aber das Spiel hat es ja nicht wirklich besser verdient (leider). Potential wurde wirklich verschenkt. Ich hatte zum Beispiel immer gedacht man würde auch noch mehr über andere Insassen herausfinden können oder mir vorgestellt wie man im Stile eines Live is Strange zu anderen in der Vergangenheit Kontakte knüpfen könnte oder eventuell aus der Hölle entkommen...
Zu dem Thema auch schon viele Filme und Bücher die das besser bearbeiten. Von daher war die Enttäuschung bei mir auch noch größer. Dennoch. Es sind viele schockierende Dinge drin, besonders wenn man noch jung ist und sich mit dem Thema noch gar nicht auseinander gesetzt hat. Dann kann es sehr wohl ein Weltbild ins wanken bringen. Doch die technische Umsetzung ist wirklich übel.
Zugegeben ich hab als Adventure nicht viel erwartet und für 19 Euro es auch nicht bereut. Aber es gibt viel zu wenig Rätsel und Story in dem Spiel.
Ah ja, die Hinweise im letzten Drittel (1/17), muss man nicht alle sammeln. Bei mir gab es einen Gang wo das Licht verschwindet bis der Bildschirm schwarz wird. Da dachte ich jetzt ist es abgestürzt. Gleich darauf folgte wieder etwas wie das Intro und ich hatte mich geärgert das ich nicht alles gesammelt hatte. Aber das Spiel noch mal zu spielen. Da fehlt einfach jeder Anreiz.
Update: 2019 - Nach einigen Jahren hat das Spiel - vielleicht auch weil ich es durch gespielt hab- Eine Art Musik-Video dabei, von einem Mädchen oder Frau, die wirklich in dieser Praxis war. Das ganze ist, eben weil es nach einer wahren Begebenheit erzählt wird, vielmehr ein historisches Dokument jener Zeit und jener Abhängigkeit. Dabei durchdringt es auf seine ganz eigene Weise den Tunnel der Zeit. Genau das macht es so besonders und es auch irgendwie zu einer Kunst, auch wenn die Software Fehler besitzt. Die Aufklärung allein ist es schon wert sich da mal durch zu klicken. Man hätte mehr draus machen...
Kann den Test nur zustimmen. Das Spiel ist tolles Beispiel, wie eine gute Idee durch eine miese Umsetzung verkackt wird. Schlechte Regie und technisch alles andere als gut. Fühlt sich wie ein Unity-Spiel von vor 5 Jahren an. Dadurch habe ich wieder ein hass auf diese Engine bekommen, obwohl sie sich enorm verbessert hat, aber in den falschen Händen...
Ja, auch auf italienisch, wenn du magst.Durchgespielt habe ich es nicht, weil mir das Labyrinth am Ende einfach zu doof wurde.
Hatte mir beim PC-Release damals ein Let´s Play angesehen, was mich damals komischerweise am meisten gestört hat, war Pandorya´s Synchronisation. Vor allem wenn sie "Charlotte" sagt ... Dabei mag ich sie und schaue mir sehr oft Videos von ihr an. Aber bei diesem Spiel stört mich ihr Lispeln leider sehr.
Gibt´s eine Einstellung um das Spiel auf englisch zu spielen?