Wie würde der Mars aussehen, wenn statt grüner Männchen humanoide Faschisten oder Kommunisten dort regieren? Vermutlich so düster und deprimierend wie in diesem Abenteuer von Spiders, das in eine Welt entführt, die die Franzosen bereits in Mars: War Logs vorgestellt haben. Das Intro skizziert eine dystopische Zukunft auf dem Roten Planeten, wo mutierte Menschen wie Aussätzige behandelt werden, das Artdesign setzt auf monumentale Symbolik und großflächige Propaganda im Stile der Sowjetunion und des Dritten Reichs. Schon früh wird man zudem Zeuge brutaler Gewalt gegenüber Zivilisten und fühlt sich aus den eigenen Reihen beobachtet. All das sind interessante Ansätze.
Leider werden auch einige Probleme schon im nicht nur erzählerisch enttäuschenden Einstieg deutlich, wenn z.B. die englische Sprachausgabe nicht zur Mimik passt, kleine Grafikbugs auftauchen oder die Bildrate schwankt . Und das Spiel kann später in seinem Alltag auf den kaum belebten Straßen die gesellschaftlichen Konflikte und Spannungen immer nur andeuten. Schön ist, dass man Gespräche im Vorbeigehen anhören und so auch Hinweise aufschnappen kann und dass sich Slums & Co von anderen Gegenden unterscheiden. Aber auf den Streifzügen durch die Stadtviertel von Ophir beobachtet man letztlich zu wenig Lebendiges, zu viel Statisches und viele ähnliche oder fast schon peinlich designte Figuren. Sprich: Die Spielwelt verspricht erzählerisch einiges, hält aber letztlich weder ästhetisch noch inhaltlich ihre angestrebte Vision aufrecht.
Zwischen Gabe und Fluch
Aber dafür lernt man den Machtapparat immerhin aus eigener Erfahrung kennen. Wenn Wasser knapp ist, Menschen mutieren und die Regierenden am liebsten unterdrücken, kann eine Elitepolizei mit Spezialfähigkeiten nicht schaden. In der Rolle eines dieser “Technomancer” startet man das Abenteuer nach einer kurzen Charaktererschaffung, in der man weder Geschlecht noch Statur, sondern lediglich Haare, Haut, Augen sowie Gesicht des Protagonisten Zachariah anpassen darf. Und der ist zunächst alles andere als sympathisch oder gar charismatisch – er redet wie ein robotischer Offiziersanwärter: Ja, Sir. Ja, Chef. Ja, Meister.
Dass man sich nicht für eine Frau entscheiden kann, ist nicht das Problem. Viel wichtiger ist abseits der wirklich langweiligen ersten Schritte in einer Grau-in-Grau-Kulisse: Wie will die Story diesen gelackten Befehlsempfänger zur moralisch handelnden Figur machen? Wie soll man sich mit ihm identifizieren? Zum einen gibt es innerhalb der Technomancer die Bösen und die Guten; wie etwa den Ausbilder und Mentor von Zachariah, der ein wenig an Wesker aus Resident Evil erinnert und seinen Schützling verständnisvoll einweiht. Und natürlich gibt es den entsprechenden Antagonisten, der skrupellos führt. Zum anderen gelten sie zwar als Orden mit heiliger Gabe, aber was wäre, wenn diese zauberhafte Elektromacht gar nicht von den Göttern käme, sondern Ausdruck der marsianischen Mutation wäre? Dann wären die Elitepolizisten ja selbst Aussätzige…
Da Spiders' nächste Etappe mit Namen "Greedfall" vor der Tür steht und das Spiel mein Interesse geweckt hat, wollte ich das Studio näher kennenlernen... mit "The Technomancer". Die angesprochenen Defizite hinsichtlich der Animationen von Gestik und Mimik kann ich hier und da nachvollziehen, diese sind im besten Fall durchschnitt, sahen bzw. sehen anno 2019 in einigen AAA-RPG-Spielen (stellenweise) ähnlich oder gar schlechter aus. Zu einigen Kritikpunkten bezüglich dem Art-Style muss ich hinzufügen, dass diese sehr subjektiv sind. Ich für meinen Teil hab in Technomancer einen Narren an diesen schmutzig-metallenen Rüstungen á la Blade Runner gefressen: Jedes Rüstungsteil und jede Waffe schreit nur so nach Zweckmäßigkeit und passt, aufgrund der begrenzten Rohstoffe auf dem Mars welche in The Technomancer Erwähnung finden, hervorragend in dieses, von Minimalismus geprägte, Cyberpunk-Szenario hinein. Stilistisch orientiert sich The Technomancer am Cyperpunk der 80er bzw. 90er Jahre und zeichnet eine entsprechend dystopische Welt mit Extremen. Aus rein immersiver Sicht gelingt dies wie ich finde sehr gut. Kein anderes RPG Spiel hat bisher in mir den klassischen Bioware-Flare der 00er Jahre geweckt wie "The Technomancer". Wer Mass Effects Rollenspiel und die damit verbundene Entscheidungsfreiheit gemocht hat, wird The Technomancer lieben, denn hier haben die Entscheidungen ein Stück weit mehr Gewicht und sind viel unmittelbarer/direkter mit viel extremeren Konsequenzen.
Das Spiel ist kein Meisterwerk aber es bietet unter der rauen Oberfläche ein individuelles Spielerlebnis welches sehr einzigartig ist und sich vom breiten Mainstream der Gegenwart, aber auch von den standard Indie-RPGs abhebt.
Wertungstechnisch wäre es bei mir im Bereich zwischen 70-75% anzuordnen, zumal es definitiv eine Steigerung zu den vorherigen zwei Spielen des selben Studios sind. Als Riesenfan des Cyberpunk der 80er- und 90er Jahre würde meine subjektive Wertung eventuell leicht höher ausfallen.
*abstaub*
das Spiel gab es im Sale bei Gold für 16€ - wird was für die warmen Sommertage . Hatte ich für die PS4 habe es aber mit verkauft.
Zur Zeit stehen noch Rime, Mafia 3 und TWD Season 3 an.
Besser spät als nie: Ich habe The Technomancer abgeschlossen.
Ein Spiel, bei dem man an jeder Ecke und Kante merkt, dass das Budget verdammt knapp gewesen sein muss.
Und dennoch war nicht alles schlecht. Teilweise brachte es sogar Tugenden mit sich, die mir bei anderen AAA-Rollenspielen von heute fehlen.
Ich gebe dem Spiel 64%.
Trotz dieser niedrigen Wertung wäre ich bereit, einen Nachfolger zu spielen.
Moment, verstehe ich das richtig?
Ihr seid alle mit der Wertung "Ist nicht so gut wie AAA Spiele" nicht einverstanden, während ihr einräumt, dass das Spiel nicht so gut ist wie AAA Spiele?
Hab das Spiel fast durch und bin mir den Reviews im Internet echt nicht einverstanden.
Hat es ein Kampfsystem wie Batman? - Nö. Eine dichte, atmosphärische Welt wie Witcher 3? Auch nicht. Sieht es so gut aus wie Tomb Raider? Bestimmt nicht. Aber muss man jetzt jedes Spiel an Produktionen mit dreistelligem Millionenbudget messen? Wenn ja, dann hätten wir demnächst gar nichts mehr zu spielen außer die jährlichen Neuauflagen von Ubisoft.
Mit dem Produktionsbudget und der kurzen Zeit hat das Studio meiner Meinung nach ein unglaublich gutes Spiel rausgeholt.
Die Charaktere werden im Laufe der Zeit aufgebaut. Quatschen während der Missionen - wie aus z.B. Dragonage bekannt - fröhlich vor sich her und unterhalten sich miteinander. Der Protagonist ist tatsächlich etwas generisch, aber ist das was schlimmes?
Die Story als ganzes ist kreativ, hat etliche Wendungen und nen Spannungsbogen. Die unzähligen kleinen Nebensquests sind sehr abwechslungsreich. Was man leider etwas vermisst, sind Konsequenzen aus Entscheidungen. Scheint nicht so, als hätten die einen Einfluss später im Spiel.
Das Kampfsystem ist nicht ganz so flüssig wie ein Batman, Witcher oder Shadow of Mordor, aber die Kämpfe sehen echt gut aus, machen Spaß und sind vor allem nicht zu einfach. Auch spät im Spiel muss man noch wirklich aufpassen. Andererseits ist es auch nicht brutal unfair wie bei Dark Souls, so dass kein Frust aufkommen sollte.
Insgesamt eins der besseres Spiele (von AAA Titeln mal abgesehen) in diesem Quartal. Kein Grund, drauf rumzutrampeln, nur weil man von den Blockbusterproduktionen, die ein mal im Jahr erscheinen, total verwöhnt ist.