Ritter Dirk hat’s vorgemacht

Achtung: Der folgende Text enthält massive Spoiler zur Story und dem Spielverlauf! Das Fazit kommt hingegen ohne Spoiler aus!



Seitdem Entwickler Supermassive Games mit Until Dawn auf der PlayStation 4 für recht angenehme Gänsehaut bei Gruselfreunden sorgte, haben sich die Damen und Herren aus dem englischen Guildford fast gänzlich diesem einen Genre verschrieben: Vor den Augen des Spielers wird die meiste Zeit ein computergenerierter Film abgespult, in einigen Szenen wird in begrenzten Arealen herumgelaufen – und zwischendurch noch eine Menge gequatscht. Die Aufmerksamkeit des Spielers soll derweil durch in den Spielverlauf eingewobene, kurze Geschicklichkeits- und Reaktionstests, die schon Ritter Dirk 1983 in Dragon’s Lair auf die Sprünge halfen, aufrechterhalten werden. Denn gelingt es dem Spieler nicht, eines dieser Quick-Time-Events erfolgreich zu absolvieren, bedeutet das in den meisten Fällen den sicheren und recht fies dargestellten Bildschirmtod einer der Figuren.

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Mr. Hackett brennt darauf, dass die Kids vor dem Einbruch der Nacht das Camp verlassen. © 4P/Screenshot

Daraus folgt dann ein leicht abgeänderter Verlauf der erzählten Geschichte, die am Ende des Spiels mit den verbleibenden Figuren mehr oder weniger zusammengeführt wird. Besonders auf die fein abgescannten und dann im Spiel realistisch dargestellten Gesichter und die damit verbundenen Emotionen der verschiedenen Protagonisten legt Supermassive großen Wert, um das Spiel wirklich wie einen echten Film anmuten zu lassen. Dieses Spielprinzip funktioniert mal ganz schön, wie in Until Dawn, und mal weniger gut, wie in den drei bisherigen Teilen der Dark Pictures-Anthology. Das höchste der Gefühle ist es natürlich, alle auf dem Silbertablett servierten Spielfiguren unbeschadet aus der Sache rauszubringen, oder sich an deren matschig inszeniertem Ableben zu ergötzen. Nun gibt es mit The Quarry einen neuen Versuch, den Spieler auf moderne und aufwändige Weise das Fürchten zu lehren.

Unvergessliche Zeiten


In den 80er und 90er Jahren feierten die Teenie-Horrorschocker – oft in übelster Qualität auf VHS-Kassette – den großen Durchbruch – gerne, wenn die Eltern mal nicht zu Hause waren, und ein Freund zum “Lernen” vorbeikam. Doch statt Mathe gab es dann die ersten, bei Fans bis heute nachhallenden Treffen mit Jason Vorhees, Freddy Krueger, Michael Myers, Leatherface, Ghostface, den Gremlins, den Creeps, dem American Werewolf und vielen mehr. Das Genre feierte sich irgendwann einfach nur noch selbst und sogar die ellenlange Liste der Klischees wurde wieder und wieder brav abgearbeitet, um die blutgierige Gefolgschaft vor der Flimmerkaste oder im Kinosaal in die Sitze zu drücken.

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Abigail zeichnet gern in ihr Notizbuch, steht allerdings auch einem Techtelmechtel mit Nick nicht ganz abgeneigt gegenüber. © 4P/Screenshot

Partout nicht anspringende Autos, im Matsch durchdrehende Reifen, Türen, die sich von selbst schließen. Unglücklich endende, zarte Liebesbeziehungen und immer neue Gründe für die Gruppe der Protagonisten, sich aufzuteilen. Dazu nicht funktionierende Telefone oder Handys ohne Empfang, das hübsche Scheusal-Mädchen, die biedere, aber schlaue Jungfrau, das Alpha-Männchen, der Nerd. Und natürlich einfach mal durch den dunklen Wald laufen, nur um sich Sekunden später zu fragen, wo man ist – all das wurde und wird bis heute immer gerne genommen. Ach ja: Bewohner abgelegener ländlicher Regionen sind sowieso immer entstellte und blutrünstige Rednecks!

Schatten in der Dunkelheit


Den Einstieg in The Quarry kann man mit Blick auf die Vorlagen auch nur als gelungen bezeichnen, die ersten Minuten ziehen den Spieler sofort in ihren Bann. Zwei verliebte, aber verängstigte Teenies im verunglückten Auto, ein dunkler Wald samt einer geisterhaften Erscheinung, die geschickt nur wenige Frames lang zu sehen ist. Hektisch wird per QTE über Baumwurzeln gesprungen und unter spitzen Ästen hindurchgetaucht, die Taschenlampe beleuchtet die angsteinflößende Umgebung spärlich. Dazu noch ein zwielichtiger Cop (Ted Raimi) mit der beliebten Hinterwäldler-Autorität und ein überraschendes Kapitel-Ende mit Gänsehaut-Garantie. So sehen gute Horrorfilme zum Mitspielen aus! Leider folgen jetzt noch neun weitere Kapitel, die sich in weiten Teilen nicht mit derartigen Meriten behängen können. Dazu gleich mehr…

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Der Bruder des Film-Regisseurs Sam Raimi, Ted Raimi, macht seine Sache als zwielichtiger Gesetzeshüter recht gut. © 4P/Screenshot

Der Sommer ist fast vorbei, die jugendliche Erzieher-Truppe macht sich für den Aufbruch aus dem Ferien-Camp Hackett’s Quarry bereit. Muskelpaket Jacob (Zach Tinker) hat Liebeskummer, seine Ex-Flamme Emma (Halston Sage) macht sich einen Spaß daraus, die coole Kaitlyn (Brenda Song) hat ein paar lockere Sprüche auf Lager, Nesthäkchen Abigail (Ariel Winter) ist zu allen ganz freundlich und Nerd Ryan (Justice Smith) hat sich zum Hören seines Podcasts unter die Veranda verzogen. Dylan (Miles Robbins) und Nick (Evan Evagora) überlegen noch, ob sie schwul sind, der bärbeißige Camp-Besitzer Chris Hackett (David Arquette) hat für solchen Firlefanz keine Zeit und will die Bälger einfach nur möglichst schnell loswerden.

  1. Khorneblume hat geschrieben: 19.06.2022 09:24
    PlayerDeluxe hat geschrieben: 19.06.2022 08:24 Ich empfinde es einfach als Unfug. Es stört beim Lesen und noch mehr beim Zuhören.
    Wie viel Zeit verbringst du denn im Schnitt so mit den Rückseiten von Spielecovern?
    Ich kann mich nicht erinnern mir in den letzten 20 Jahren die Rückseite eines Spielecovers angeguckt zu haben. Ich dachte bisher das wäre ein ídealer Platz für tote Briefkästen und dergleichen. Aber anscheinend sind Spielcoverrückseiten den Leuten wichtiger als ich dachte.
    @Topic
    Also ich verstehe nicht warum Until Dawn im Vergleich immer hochgehalten wird, wenn einem das Prinzip nicht gefällt. Das war doch auch all over the place, unlogisch und hatte keine richtigen Entscheidungen bzw. die wenigen waren schlecht implementiert oder erst sehr späte im Spiel.
    Das ist doch immer das gleiche wie bei Telltale...wirkliche Entscheidungen müssen auch alle programmiert, eingesprochen, motion-captured usw. werden. Je mehr Entscheidungen desto teurer. + das die offensichtlich miese Drehbuchautoren sind. Spiele die für Lets Plays geboren sind.

  2. Ich empfand die Story viel zu sicher. Es kommt mir alles wie eine Alternativ-version von Until Dawn vor ohne neue Impulse zu setzen. Die Cast fand Ich hier auch echt unsympathisch mit schlechtem Beziehungsaufbau. Alle Ideen von Until Dawn wurden einfach schamlos übertragen. Desweiteren gab es immense psychologische Lücken, also wie die Charaktere agieren und miteinander reden ist jetzt wirklich nicht menschlich.
    Sehr schade, weil Grafik, Sound und technische Präsentation sind besser als alle anderen SMG Spiele bisher, aber die Charaktere und Story fand Ich echt dröge und Ideenlos. Außerhalb von 4players waren die Rezensionen auch durchwegs positiv und es wurde eher positiv mit Until Dawn und TDPA Ablegern verglichen, aber Ich kann eher dieser Rezension zustimmen.
    Mmn hat sich ein sehr starken Eindruck verbreitet, dass Shareholder und Publisher zu sehr beim kreativen Prozess mit von der Partie waren.
    Leider scheint es auch funktioniert zu haben. Ich hoffe der nächste Titel knallt besser. House of Ashes hat mir da um einiges mehr gefallen.

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