Vom Update zum kompletten Spiel

Der Verlauf der Entwicklung erinnert an die Geschichten über Super Mario Galaxy 2: Eigentlich sollte das im Early Access gestartete Superhot: Mind Control Delete nur eine kleine kostenlose Erweiterung werden, doch dann wuchs das Projekt stark an, so dass sich das „Superhot Team“ für eine eigene Veröffentlichung auf Steam entschied. Worum es sich bei dem Produkt mit dem sperrigen Namen wirklich handelt, wissen die Entwickler offenbar selbst nicht so genau: In den Pressemitteilungen ist mal von einer Standalone-Erweiterung die Rede, anderswo von einem komplett eigenständigen Spiel. Wie dem auch sei: Das Studio zeigt sich beim Verkaufsmodell äußerst großzügig (siehe Kasten oben links). Virtual Reality wird nicht unterstützt, was aufgrund der starken Unterschiede bei Steuerung und Levelaufbau aber auch wenig Sinn ergäbe.

Das Grundprinzip ist auch in Mind Control Delete vorhanden: Je nachdem, wie schnell man sich umsieht, zur Waffe greift, vorwärts läuft oder mit der Faust zuschlägt – so schnell läuft auch die Zeit weiter. Der Vergleich mit Neo aus der Matrix mag abgegriffen sein, aber er passt nach wie vor. In der erneut schlichten aber stilvoll surreal designten Fantasiewelt hat der Spieler hat die komplette Kontrolle darüber, wie schnell oder langsam er durch den Kugelhagel läuft. Wenn man zuletzt den VR-Ableger gespielt hat und sich mit ausladenden Verrenkungen durch die Projektile getaucht ist, wirkt die Rückkehr zur alten Steuerung mit Maus und Tastatur bzw. Controller erst einmal ziemlich steif.

Supercoole Fähigkeiten?

Superhot: Mind Control Delete wird 24,99 Dollar kosten. Alle Spieler, die das erste Spiel (Superhot) vor dem Launch von Superhot: Mind Control Delete am 16. Juli gekauft haben, erhalten das neue Spiel kostenlos – egal auf welcher Plattform. Damit verschenken die Entwickler mehr als zwei Millionen Exemplare, heißt es – u.a. als Dankeschön für die Unterstützung des Teams. © 4P/Screenshot

Nach einigen Minuten der Gewöhnung denkt man aber nicht mehr darüber nach und freut sich stattdessen über die neuen freischaltbaren „Hacks“ bzw. Spezialfähigkeiten. Es lassen sich Feinheiten wie Laufgeschwindigkeit, Nachladezeit oder eine zufällig wechselnde Startwaffe festlegen. Als besonders nützlich erweist sich das „Laden“ – eine Art frontale Ramm-Attacke, mit der man sich blitzschnell an einen Gegner heranzieht. Danach erledigt man ihn mit ein paar Fausthieben, fischt seine aus der Hand geschlagene Maschinenpistole aus der Luft und dreht gerade noch rechtzeitig den Kopf zur Seite, um dem roten Schweif einer Kugel auszuweichen. Aus den gleißenden Seitengängen des Yakuza-Lofts sind schließlich einige weitere rote Gesellen erschienen, die das Kreuzfeuer eröffnen.

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Fast wie bei der Macht zieht man das Katana zurück und durchteilt dabei die klirrenden Widersacher. © 4P/Screenshot
Natürlich darf man nach wie vor Ninja-Sterne oder sogar Alltagsgegenstände wie Aschenbecher aufheben, um sie auf die „roten Buben“ zu schleudern und ihnen so die Waffe aus der Hand zu stoßen. Schön, dass ihre KI und Panzerung ein wenig aufpoliert wurden: Manche Widersacher lassen sich z.B. nur an einem empfindlichen roten Körperteil zersplittern – andere wehren Kugeln mit dem wirbelnden Katana ab. Apropos splittern: Die Gewalt wirkt erneut sehr abstrakt. Eine angenehme Abwechslung also zur sehr expliziten Darstellung in Doom Eternal oder The Last of Us Part 2. Auf der Xbox One X gab es übrigens keine technischen Unterschiede zur PC-Fassung zu entdecken, was bei diesem Design niemanden wundern dürfte.

Auf Dauer repetitiv

Schade, dass sich die Entwickler diesmal für einen „Rogue-lite“-Einschlag entschieden haben. Zu Beginn ist es noch richtig aufregend, die neuen Fähigkeiten im Rahmen des deutlich actionlastigeren Spielablaufs auszuprobieren und sich souverän durch die Massen zu metzeln. Nach ein paar Stunden wird es aber immer fader, nachdem man in der „Hacker-Oberwelt“ einen der zusammengewürfelten „Runs“ startet. Immer wieder wird man in die gleichen Kulissen wie eine Disco, Büros, eine Tankstelle oder eine Kanalisation geschmissen, um von kniffligeren Gegnerscharen attackiert zu werden. Das wird nicht nur inszenatorisch öde – weil man sich eher wie im Zufallsgenerator fühlt als in einem liebevoll ausgearbeiteten Abenteuer – sondern auch zu leicht. Die Freischaltungen halten den Schwierigkeitsgrad insgesamt zu niedrig. Wenn das Katana neuerdings wie mit einer Gravity-Gun durch die Gegner gezogen wird, kommt einfach nicht das gleiche Gefühl der Bedrohung auf wie etwa bei der fliegenden Klinge von Asgard‘s Wrath.

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Ein Stern, der deinen Namen trägt! © 4P/Screenshot

Die sorgsam ausgearbeiteten, puzzlelastigeren Levels von Teil 1 gestalteten sich deutlich spannender – und der VR-Ableger ist im Bereich der intensiven Körperpräsenz ohnehin ungeschlagen. Beide Kampagnen waren zwar äußerst kurz, doch mit dem Strecken des neuen Spiels mit Hilfe zufallsgenerierter Ansätze haben sich die Entwickler keinen Gefallen getan. Bevor die Enttäuschung zu krass klingt: Auch in Mind Control Delete steckt ein unterhaltsamer Arcade-Shooter, mit einer coolen Zeitlupen-Mechanik und erfreulich experimentierfreudigen Extras. Die surrealen Menüs, der dumpf morphende Zeitlupen-Soundtrack und bizarre Ausflüge in „korrupte“ Abschnitte sorgen schließlich auf Anhieb für die passende Stimmung. Auf Dauer können einem als Kenner der Vorgänger aber schon mal die Augen zufallen.

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