Provan ist ja kein Unbekannter – jedenfalls nicht als Künstler. Seine Sporen hat er sich bei Walt Disney, Jim Henson und Sony Animation verdient. Mit Spate erschafft er allerdings sein erstes Spiel. Zustande kam das Projekt mithilfe einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne.
Entwicklung und Konsequenzen
Geheimnisvoll sind die ersten Minuten, in denen ein Mann namens Timothy Bluth in die Tiefe stürzt, um noch vor dem Aufschlag seine Geschichte zu erzählen. Sie begann in einer Steampunk-Realität Ende des 19. Jahrunderts, als Privatdetektiv Bluth die so genannte Xzone betrat, die „verbotene Zone“, um einen verschwundenen Geschäftsmann aufzuspüren. Was ist dort geschehen? Wohin soll die Reise führen? „Im Verlauf der Geschichte zeigt sich, dass auch Detektiv Bluth ein Geheimnis hütet und dass hinter den Nachforschungen womöglich mehr steckt als ein Gehaltsscheck.“ Die Beschreibung der Kickstarter-Kampagne macht neugierig.
Und dann reißt Provan sein sorgfältig errichtetes Fundament mit einem Schlag ein.
Sobald Bluth die Xzone betritt, verrät er: Seine Tochter ist gestorben, er hängt seitdem an der Flasche und die verbotene Zone ist nur eine Illusion. Das ist alles, darum geht es. Um Verlust, um das Gefühl der Schuld, um den Griff zur Flasche. Ich finde nicht heraus, worum es geht – es wird mir einfach vorgesetzt.
Dabei ist die Geschichte grundsätzlich eine hervorragende Idee! Papo & Yo hat vorgemacht, wie intensiv das Eintauchen in eine solch destruktive Gefühlswelt sein kann. Doch in Spate fehlt das Greifbarmachen der physischen und psychischen Abgründe.
Es gibt keine emotionale Entwicklung und mein Handeln hat keine Konsequenz. Ich laufe lediglich an einer bebilderten Erzählung vorbei. Dass ich mich zum Schluss für “Tod durch Absinth” statt “bewusst weiterleben” entscheiden kann, erscheint wie ein Alibi.
Wie ein Gruselfilm
Das liegt zu einem großen Teil an der Erzählung, die zwar Bluths Trauer und Umnachtung beschreibt, aber stets nur dasselbe mit anderen Worten formuliert. Immer wieder erwähnt er Blackouts und dass er das Gesicht seiner Tochter sieht. Neue Formulierungen gewähren jedoch keine neue Einblicke – irgendwann wollte ich das Immergleiche nicht mehr hören. Interessant ist nur die Verbindung von Geschichte und Spiel, wenn Blackouts durch einen schwarzen Bildschirm dargestellt werden. Halluzinationen sind Bilder der Tochter, skurrile Gestalten oder mysteriöse Symbole.
Die Kulisse ist die Stärke des Filmkünstlers Provan. Mal lässt er seine Hauptfigur über eine riesige Hand laufen, mal durch einen Totenkopf springen. Turmhohe Schatten wachen im Hintergrund, ein andermal scheint die gesamte Umgebung auf dem Kopf zu stehen. Und immer regnet es in Strömen. Eine prachtvolle Kulisse, die von vier düsteren Instrumenten und einer professionellen Stimme wie ein ruhiger Gruselfilm vertont wird!
Absinth als Allzweckdroge?
Ich kann Bluth sogar Absinth trinken lassen, was seine Umwelt in ein grünes Licht taucht. Er läuft dann schneller, springt höher. Und es soll Halluzinationen auslösen. Nur habe ich davon nichts gemerkt. Ich habe den Protagonisten so viel Absinth schlucken lassen,
dass krasse Scheinbilder hätten auftauchen müssen. Doch stattdessen zeigt die Kulisse meist, was ohnehin gesagt wird. So unterstreicht sie zwar das Gesagte, bietet mir aber keinen Einstieg, durch den ich mich aktiv emotional einbringen kann. Es fehlen Geheimnisse wie in Dear Esther, wo ich geisterhafte Gestalten und kleine Gegenstände entdecken konnte.
Spate erreichte nur eins: Das langweilige Spiel hat mich zur Flasche getrieben. Denn die wenigen anspruchsvollen Abschnitte – das Umgehen gefährlicher Sägen oder schnelle Sprünge über verschwindende Plattformen – waren vor allem dank der ungenauen Steuerung eine Herausforderung. Viel häufiger verschob ich Bluth hingegen gefahrlos von links nach rechts, mitunter konnte ich den Analogstick minutenlang nach rechts kippen. Und spätestens dann wollte ich einfach so schnell wie möglich weiterkommen. Von einem Vergleich mit Mario kann in den knappen zwei Stunden keine Rede sein!
"Trinken von Alkohol ohne echte Konsequenzen"
Nichtmal die Frauen werden hübscher?
Minus den Indiebonus also 25 %, oder? ò_ó