Keine Angst: Man benötigt weder naturwissenschaftliches Vorwissen noch muss man eine Vorliebe für die Chemie mitbringen. SpaceChem ist ein reines Puzzlespiel, die Chemie dient nur als Fassade – eine gut gemachte, weil sie vom Periodensystem bis zu exakten Formeln alle Aspekte eines Grundkurses enthält. Schade, dass Entwickler Zach Barth für seine iPad-Umsetzung auf die Geschichte von Sabotageakten auf fernen Planeten verzichtet. Die wurde zwar ausschließlich in bebilderten Texten erzählt, verlieh dem Puzzeln aber etwas Farbe. Schade auch, dass die nicht überragenden, aber durchaus abwechslungsreichen Boss-Rätsel fehlen und dass man stets nur eine Aufgabe lösen darf. Gerade in Anbetracht der knackigen Herausforderungen würde dem Kopf gelegentliche Abwechslung gut tun. Immerhin: Die Touchscreen-Fassung enthält bereits den für die anderen Versionen nachgelieferten Editor samt Onlineanbindung. Auf den ersten Blick staubtrocken – und trotzdem rätselt man stundenlang an der perfekten Lösung. Im ResearchNet erstellt man eigene Rätsel und teilt sie mit der Welt.
Und wie funktioniert SpaceChem? Stellt euch der Einfachheit halber statt eines Reaktors eine leere Fabrikhalle vor, in der zwei voneinander unabhängige Kräne über Schienen an der Decke fahren. Die Laufrichtung der Schienen darf man frei bestimmen, ebenso welche Aktion jeder Kran an welcher Position ausführt. In der linken Hälfte werden vorgegebene Moleküle bereitgestellt, in der rechten Hälfte sollen ganz bestimmte Moleküle abgeliefert werden.
Touch statt Klick
Ein wichtiger Kniff: Elemente können nur auf vier Feldern verbunden oder getrennt werden. Lediglich die Position dieser Quadrate darf man sich aussuchen. Auch andere Aktionen wie ein Schalter, der frei wählbare Elemente in einen alternativen Kreislauf lenkt, können nicht beliebig oft platziert werden. Während sich die Schienen beider Kräne zudem überschneiden dürfen, kann eine Schiene ihren eigenen Strang nur einmal im rechten Winkel kreuzen. Schade, dass das Setzen der vielen Aktionssymbole und Richtungsweiser für die Schienen schnell zur Sisyphusarbeit wird und dass sich SpaceChem kaum Zeit nimmt, das vertrackte Prinzip ausführlich zu erklären. Immerhin führt inzwischen der Link zu einem YouTube-Video zu einer anschaulichen Einführung und insgesamt funktioniert die etwas vertrackte Steuerung auch auf dem iPad recht zuverlässig.
Alles in allem passt das Entwerfen und Verschieben einfach besser auf den Touchscreen als auf einen großen Rechner. Ärgerlich ist allerdings, dass man sämtliche Symbole anfassen und verschieben muss – bequemer wäre das zweimalige kurze Antippen der gewünschten Aktion: einmal zum Auswählen, ein zweites Mal zum Absetzen. Abgesehen davon werden wichtige Symbole im Editor unnötig winzig dargestellt. Ich wünsche mir zudem nach wie vor eine Möglichkeit, meine Blaupausen jederzeit speichern und laden zu dürfen. So könnte man Lösungsansätze besser vergleichen, ein Neustart würde nicht das endgültige Verwerfen eines Bauplans bedeuten und unterschiedliche Ergebnisse wären besser vergleichbar.
Es ist dein Bauplan!
Es sind ärgerliche Kleinigkeiten, aber es ist auch alles, was sich SpaceChem zu Schulden kommen lässt. Hat man sich erst einmal in das Erschaffen der Baupläne hineingedacht, brütet man nämlich selbst kurz vorm Einschlafen noch Lösungen aus.
Und es geht weiter! Denn meist ist der eine Reaktor mit seinen zwei Endprodukten nur eine Zwischenstation. Meist müssen verschiedene Rohstoffe mehrfach verarbeitet werden, um die geforderten Moleküle zu erhalten. Über welche Zwischenschritte dies gelingt, ist im besten Fall völlig offen. Ein System aus Röhren muss mehrere Reaktoren dabei möglichst clever verbinden. Oder kommt man etwa mit weniger Reaktoren aus als zunächst gedacht? Der Vergleich mit der Effektivität anderer Spieler liefert jedenfalls oft genug eine ernüchternde Bilanz der gezeigten Fähigkeiten. Spätestens jetzt zünden die Grauen Zellen ausgebuffter Tüftler – und brüten stundenlang über dem perfekten Chemiekreislauf.
Die clevere Chemiekeule