Vom Bordstein zur Skyline und zurück in die Gosse

Diesmal ist Sonics Trip in überwucherte Tempel an die gleichnamige TV-Serie Sonic Boom angelehnt. Während der 3DS ein klassisches zweidimensionales Jump-n-Run mit eigener Story bekommt, erzählt der 3D-Plattformer auf Wii U die Vorgeschichte. Bei einem Rennen mit Dr. Robotnik entdecken Sonic und seine Freunde einige mystische Ruinen. Es handelt sich um die Überbleibsel einer tausend Jahre alten Zivilisation, in der offenbar auch der blaue Igel eine Rolle gespielt hat. Die Urahnen nutzen bereits komplexe Apparaturen und eine schier grenzenlose Energiequelle. Allerdings trieb seinerzeit auch ein fieses Reptil namens Lyric sein Unwesen, das im Laufe des Spiels zu Sonics neuem Gegenspieler avanciert.

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Zu schwache Blecheimer muss man leider gleich dutzendfach vertrimmen. © 4P/Screenshot

Die Gespräche zwischen Sonic, Tails & Co. Gingen klingen allerdings derart infantil, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn plötzlich Samson ins Bild geplatzt wäre, um die Szene mit einem zünftigen „Uiuiui!“ zu kommentieren. „Hey, das vorne sind Rampen!“, „Die können wir bestimmt als Rampen benutzen!“ Toll kombiniert, Sherlock! Auch Amys grausam synchronisiertes Gequieke über Mode bewegt sich hart an der Grenze zur akustischen Körperverletzung.

Tomb Raider lässt grüßen

Leider wird es auch beim Hüpfen, Rennen und Kämpfen nicht wirklich besser. Die überwucherten Schluchten, Bergwerke und riesigen Zahnräder unter Tage haben mich zwar angenehm ans gute alte Sonic Adventure erinnert, doch leider gilt das auch für die Technik: Zumindest in meiner Erinnerung waren die Texturen auf Dreamcast und Gamecube auch nicht viel unschärfer als das, was Sega seinen Kunden hier zumutet. Und das, obwohl sogar die potente CryEngine lizenziert wurde! Während Sonic, Tails, Amy und Knuckles durch die Landschaft sprinten, wechsle ich immer wieder per Steuerkreuz zwischen den vier Freunden. Tails verschießt z.B. Projektile und schwebt mittels Schwanz-Helicopter über Abgründe, Amy beherrscht einen Dreifach-Sprung und Knuckles klettert an rauen Felswänden zu abgelegenen Vorsprüngen. Neu dabei ist außerdem eine Energie-Harpune, mit der ich mich an elektrischen Haken entlang schwinge und Schalter aus der Wand ziehe. Nach und nach erschließe ich mir in der offenen, aber überschaubaren Welt neue Gebiete und geheime Grotten voller gigantischer antiker Konstruktionen und Mechanismen.

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Immerhin die Konzeptzeichner haben sich beim Design einiger Schauplätze Mühe gebeben. Die Innenräume und Grotten ähneln sich aber stark. © 4P/Screenshot

Rätsel ergeben sich trotzdem nicht wirklich: Hier und da gibt es abseits des Weges ein paar versteckte Boni zu entdecken, alle anderen Puzzle-Ansätze werden aber im Keim erstickt, weil sie meist völlig offensichtlich in den Weg gebaut wurden. Außerdem mimt Sonic oder einer der Begleiter Co ständig den Spielverderber und verrät die Lösung, wenn ich länger als eine Sekunde vor einer Konstruktion verweile: „Da ist eine poröse Wand – die lässt sich bestimmt durchbrechen!“, „Zieh doch mal am Hebel – mal sehen, was passiert!“ Ja doch, ich bin doch schon auf dem Weg! Nun lass mich doch mal eine Sekunde lang selbstständig agieren, statt mir wie einem Kleinkind alles vorzubeten. Selbst die vermutlich ziemlich junge Zielgruppe der Serie hat bestimmt mehr drauf, als Entwickler Big Red Button ihnen zumutet.

Outsourcing von Spielspaß

Big Red Button? Ja: Sega hat sich nicht mal mehr persönlich mit der Entwicklung eines Sonic-Spiels abgegeben. Es befinden sich zwar Ex-Mitglieder von Naughty Dog im Team, davon ist hier aber beim besten Willen nichts zu spüren. Auch die Kämpfe in runden Arenen arten meist in unmotiviertes Knopfgehämmer aus. Ich kann zwar jede Menge Sammelkram und alte Relikte anhäufen, um einige Statuswerte oder Spezialtechniken aufzumotzen, doch das spielt wegen der zu schwachen Gegner ohnehin kaum eine Rolle. Nicht einmal Sonics Königsdisziplin – das Sprinten und Hüpfen, hat mich wirklich gefordert. Durch die zickige wackelnde Kamera und eine niedrige Bildwiederholrate kommt nicht einmal das serientypische Geschwindigkeitsgefühl auf. Vor allem in Loopings oder beim Gleiten an einer Elektro-Schiene wird es durch das leichte Ruckeln anstrengend, den Überblick zu behalten. Zwischendurch schaltet die Perspektive übrigens immer wieder in die Seitenansicht, aus der ich z.B. mit Knuckles verschüttete Bergarbeiter rette. Dazu stoße ich mit Hilfe seiner Bärenkräfte durch dicke Geröllhaufen.

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Die schlichten Schalter-Puzzles sind viel zu einfach konstruiert. © 4P/Screenshot

Ein theoretischer Vorteil ist, dass in den Story-Modus jederzeit ein Freund offline einsteigen kann. Sonics Freunde laufen sonst computergesteuert mit, was von einigen KI-Aussetzern abgesehen recht ordentlichen funktioniert. In der Praxis ist das geteilte Leid im Koop-Spiel aber noch größer, weil die Engine offenbar damit überfordert ist, die Kulisse getrennt für Fernseher und den Touchscreen des Gamepads zu berechnen. Das Ergebnis sind wilde Ruckel-Attacken. In den drei faden zusätzlichen Arcade-Modi für bis zu vier Spieler gehen die technischen Probleme sogar so weit, dass Sonic manchmal mit ein paar Zehntelsekunden Verzögerung springt – nicht gerade praktisch für ein Wettrennen um die Bestzeit!

 

  1. Falls sich eventuell noch jemand für die Hintergründe zu diesem Fiasko interessieren sollte, ein Youtuber hat da ein recht interessantes Video bzgl. dieser zusammenrecherchiert. Anscheinend hat sich Sega da kräftig in die Entwicklung eingemischt und Verwirrung gestiftet - sie wollten wohl ein eigenständiges Paralleluniversum für Sonic für den nordamerikanischen Markt, jedoch zugleich wiederum ein nicht zu eigenständiges mit z.B. eigener Origin Story. Der Todesstoß soll dann der während der laufenden Entwicklung eingeführte WiiU-Exklusivitätsdeal gewesen sein, weil BRB auf ebendieser Plattform mit der ohnehin schon zickigen CryEngine (welche die WiiU-Architektur nicht unterstützte) und dem Downscaling (das Spiel war ursprünglich für PS4 und X1 angedacht) nicht mehr zurechtkam:
    https://www.youtube.com/watch?v=sNxaQ2jAPIk

  2. Ich versteh es einfach nicht... Sonic Colors und Sonic Generation waren so gute Sonic Spiele dass man sagten konnte dass der Igel zur alten Qualität zurückgekehrt ist, Sonic the Hedgehog 4 Episode 1 war auch ganz solide... aber auf der anderen Seite gabs dann wieder Spiele wie Sonic the Hedgehog 4 Episode 2, Sonic: Lost world und jetzt Boom, welche immer schwächer wurden... ich hoffe SEGA arbeitet nebenbei mit dem Entwicklerstudio von Colors und Generations an einen richtig guten Sonic Spiel, als Entschuldigung für diese katastrophalen Spiele...

  3. )FireEmblem(Awakening hat geschrieben:Und Sonic bewegt sich durch die Ruinen einer antiken Kultur und sammelt dort schätze. Wie z.b.....?
    Wie z.B. Jak & Daxter in Jak & Daxter: The Precursor Legacy :)
    Ich denke, wenn da wirklich der Teil von Ex-Naughty Dog Leuten gewerkelt hätte, die für Uncharted verantwortlich wären und Sonic ihren Stempel hätten aufdrücken wollen, würde das Spiel anders aussehen. Vor allem aber wäre es nicht so eine Präsentations- und technische Katastrophe.
    Man kann von Uncharted halten, was man will, aber es ist definitiv glattgebügelt.

  4. Wie erklärst du dir dann, das Sonic die gleiche Schürze am Hals hat wie dragon oder Drake, weiß der Kuckuck wie der Indiana Jones Ripoff heißt. Ein wenig zu .... zufällig? Und Sonic bewegt sich durch die Ruinen einer antiken Kultur und sammelt dort schätze. Wie z.b.....?
    Aber ja, Jak and dexter stand maßgeblich als Inspirationsquelle.

  5. )FireEmblem(Awakening hat geschrieben:Das geschieht also, wenn man die Nasen von Naughty Dog, die shooter-animationsfilme mit anspruchslosen easy peasy quicktime events drehen auf eine neuauflage von sonic loslässt...stilistisch und Gameplaytechnisch ein Totalausfall. Wen wundert es.
    Es handelte sich bei den Leuten von BRB um jene Ex-Naughties, die hauptsächlich an Jak & Daxter und Crash Bandicoot gewerkelt haben.

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