Made in China

Dabei ist Shenzhen I/O kein kompliziertes Spiel: Seine Geschichte ist flott erzählt, sein Inhalt schnell beschrieben. Es spielt in der nahen Zukunft der chinesischen Metropole Shenzhen. Als Angestellter eines Longteng genannten Unternehmens setzt man Schaltkreise aus verschiedenen Bauteilen zusammen und programmiert deren Mikrocontroller so, dass sie verschiedene Eingaben an gewünschte Ausgabegeräte weiterleiten. So entstehen Displays, die auf Knopfdruck einen Betrag addieren oder subtrahieren, sowie Module, die den Klang eingehender Musik verändern.

Land und Leute lernt man durch E-Mails kennen – erfreulich gut geschriebene von erstaunlich greifbaren Charakteren. Auch Aufträge erhält man per Elektropost, wobei man fast immer zwischen verschiedenen Projekten wählen darf. Auf dieser einfachen Benutzeroberfläche entwickelt Shenzhen I/O ein überraschend glaubwürdiges Eigenleben. Mit der

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Per E-Mail erhält man nicht nur Aufträge, sondern lernt auch Land und Leute kennen. © 4P/Screenshot

Gruppendynamik eines Rollenspiels hat das natürlich nichts gemein! Weil Inhalt und Darstellung aber sinnvoll zusammenpassen, fühle ich mich stärker als Teil des Longteng-Kollektivs, als ich vor dem ersten Hochfahren des virtuellen Rechners vermutet hatte.

RTFM!

Es ist also ganz einfach: Man zieht ein Bauteil auf die Blaupause, verbindet Schalter, Ausgabegerät sowie Mikrocontroller durch Verbindungskabel und gibt den Befehl „mov p0 x1“ ein. Das transportiert den an p0 eingehenden Wert zu Ausgang x1 – I/O steht für Input/Output, also Eingang/Ausgang. Das Programmieren erinnert an TIS-100, das ebenfalls von Zachary Barth erdacht wurde und für das er eine ganz ähnliche Programmiersprache erfunden hatte.

Aber natürlich reicht hier wie da das Verschieben von Werten selten aus. Sie müssen umgewandelt werden, dürfen ausschließlich unter bestimmten Bedingungen verarbeitet werden, oft sollen verschiedene Signale unterschiedliche Funktionen auslösen usw. Ein profaner Zähler sieht etwa so aus:

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Links das Listing, rechts die praktische Anwendung. © 4P/Screenshot

   tgt p0 0
+ add 1
   tgt p1 0
+ sub 2
   tlt acc 0
+ mov 0 acc
   mov acc x1
   slp 1

Schnell werden die Abhängigkeiten zahlreicher, das komplette Design komplexer. In vielen Geräten müssen mehrere Bauteile mit jeweils eigenen, voneinander abhängigen Programmierungen verknüpft werden. Und genau wie in TIS-100 ist das Handbuch dabei die wichtigste Hilfe, weil nur dort sowohl Bauteile als auch die Assembler-ähnliche, frei erfundene Programmiersprache beschrieben sind. Die Oberfläche weist zwar auf Fehler im Code hin, führt aber nicht wie ein interaktiver Lehrer außerhalb des Spiels an dessen Funktionsweise heran. Entweder druckt man sich das Handbuch also aus oder liest das stets im Hauptmenü verfügbare PDF, um sich wie ein echter Elektroniker der Materie zu nähern.

  1. nur 90? da fehlt doch sicher eine Null, dass ist doch das absolute Spielehighlight des Jahrtausends. Achwas, es ist das absolut beste Spiel aller kommenden und vergangenen Zeiten. Ein geradezu magisch minimalistisches Götterwerk. Es geht überhaupt nicht ohne dieses super, fantastische, außergewöhnlich hervorragende, perfekte, extrem vollendete, genial wahnsinnige Hammerspiel. Kauft Leute kauft es, gleich mehrfach. Zur Sicherheit, ihr werdet nicht mehr ohne es existieren wollen und können. Es ist einfach die absolute Erlösung, eine neue und die einzig wahre Religion. Es ist sooooo Müll!

  2. GrinderFX hat geschrieben:Naja, Arbeiten ist nicht Knobeln.
    Und wenn ich auf Arbeiten stehen, dann suche ich mir eine Arbeit und werde dafür bezahlt.
    Das ist doch eine reine Milchmädchenrechnung. Nur weil du beide Dinge als anstregend empfindest sind sie doch nicht das Gleiche.
    Bei der jobbedingten Arbeit hast du eben sehr oft nicht in sich geschlossene "Prüfungen", die dir das Gefühl geben mit jeder neuen Aufgabe etwas neues zu lernen, mit enstsprechender Schwierigkeitskurve. Der komplette Rahmen den dir ein Spiel vermitteln kann, fällt vollkommen weg und tatsächlich richtet sich dein Aufgabenfeld nach der Willkürlichkeit des Alltags.

  3. GrinderFX hat geschrieben:Naja, Arbeiten ist nicht Knobeln.
    Wie Usul schon sagte, wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall.
    Und wenn ich auf Arbeiten stehen, dann suche ich mir eine Arbeit und werde dafür bezahlt.
    Wie ist denn so deine Einstellung zu Let's Play YouTubern? :) :) :)
    Ansonsten weiß wohl jeder von uns, was du meinst.
    Ich würde mich privat auch nicht aus Spaß hinsetzen und Dokumente zerlegen oder Dinge beschreiben.
    Da mein "Programmieren" sich auf das Zusammenstümpern von VBA Zeugs beschränkt, kann ich dem Semiassembler Ansatz von Shenzen IO halt was abgewinnen. Ist für mich entfernt genug.
    (UND ich hoffe damit mein logisches Denken ein wenig zu verbessern...)
    Andere können sich dabei entspannen, nach acht Stunden auf dem Baggerbock drei Stunden virtuell Gabelstapler zu fahren. Sollte man auch meinen, dass denen das zu nahe ist, aber vielleicht isses anders genug, wer weiß?
    (Man könnte behaupten, die versuchen auch sich fortzubilden und endlich die Bescheinigung zum Führen von Flurförderfahrzeugen erreichen zu können. ;) )

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