Nicht alle Quests sind nur (da)neben
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Die Charakter-Missionen liefern nicht nur gute Unterhaltung, sondern ermöglichen euch auf Dauer auch ein Stelldichein. © 4P/Screenshot

Zwei Symbolarten, die ebenfalls ihren Platz auf der gut gefüllten Karte finden, habe ich an dieser Stelle noch nicht erwähnt; sie markieren die beiden Kategorien der Nebenquests. Auf der einen Seite gehört dazu die Standardkost, die man in jedem Open World-Titel der letzten Jahre findet: Hilfe, ein kostbares Familienerbstück wurde gestohlen, bitte bring es zurück! Hilfe, meine bestellte Lieferung ist nicht angekommen, bitte untersuche den Weg und finde heraus, was passiert ist! Hilfe, uns ist die Medizin ausgegangen, bitte sammle ein paar Heilkräuter! Hilfe, bitte denkt euch doch ein paar spannendere Nebenquests aus! Wie in jedem Open World-Titel sind die nämlich austauschbar und größtenteils langweilig; aber eben auch optional und eignen sich zumindest als Füllmaterial für diejenigen, die nicht genug von der Spielwelt bekommen.

 

Mehr Lob gibt es da schon für die Nebenmissionen, die an die Schicksale bestimmter Charaktere geknüpft sind. Viele der bedeutenden Figuren in Rise of the Ronin spielen nämlich nicht nur in der Hauptgeschichte eine Rolle, sondern haben auch privat das ein oder andere Anliegen, das ihr für sie erledigen könnt – und solltet. Die sind nämlich nicht nur spielerisch etwas interessanter als der klassische Botengang, sie erzählen auch die spannenderen Geschichten: Da will ein Erfinder Romeo-und-Julia-Style schon mal mit einem selbstgebrauten Gift einer Hinrichtung entgehen oder eine Cholera-Klinik vor einem Ansturm von Feinden beschützt werden.

 

Rhythmisches Schwerterklirren

Glücklicherweise vergisst Rise of the Ronin zwischen all den Ablenkungen durch Nebenaktivitäten nicht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Sein Kampfsystem. Dass die Entwickler von Team Ninja wissen, wie man spaßige Schwertspektakel inszeniert, hat man bereits mit Nioh bewiesen und die schnellen Schnetzeleien seitdem perfektioniert. Die Gefechte sind komplex und gleichzeitig intuitiv, gehen butterweich von der Hand und sind, zumindest wenn ihr es nicht von hinten meuchelt, fordernd, ohne unfair zu werden – zumal ihr, untypischerweise für die Nioh-Macher, zwischen drei Schwierigkeitsgraden wählen und jederzeit hin- und herwechseln könnt, falls ihr doch mal feststeckt oder zu leicht durchkommt. Ein vierter, noch härterer Modus wartet dann nach Abschluss der Story auf euch.

 

Trotz des Wechsels zur Open World merkt man dem Kampfsystem die DNA des Team Ninja-Spieleportfolios an jeder Ecke an. Natürlich gibt es eine Ausdauerleiste, die erneut auf den Namen Ki hört und bei jeder Aktion in Anspruch genommen wird, egal ob ihr normale oder Spezialangriffe ausführt, ausweicht oder pariert. Ist eure Kondition aufgebraucht, seid ihr kurz gelähmt und könnt euch gegen gegnerische Treffer nicht wehren – selbiges gilt aber natürlich auch für eure Feinde, denen ihr in diesem Zustand einen kritischen Schlag versetzen könnt. Um zu verhindern, dass ihr dieses Schicksal erleidet, solltet ihr zwischen euren Angriffen immer mal wieder per Tastendruck das Blut von eurer Klinge schütteln, um ein wenig Ki zu regenerieren – Nioh-Spieler werden sich an das Reinigen der Ki-Pfütze erinnern. Eine coole Mechanik, die den Kämpfen nach etwas Eingewöhnung nicht nur einen zusätzlichen Rhythmus verleiht, sondern auch sehr gut zum Samurai-Thema passt.

 

Egal ob König oder Bauer, alle nutzen Ausdauer

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Vom Katana bis zum Speer sind in Rise of the Ronin so ungefähr alle Waffenarten vertreten, die japanische Krieger im 19. Jahrhundert in die Schlacht geführt haben. © 4P/Screenshot

Ähnlich wie bei Sekiro solltet ihr euch daher stehts darum bemühen, die Ausdauer eurer Gegner zu leeren: Ki-Schaden verursacht ihr natürlich durch normale Angriffe, aber vor allem durch das Nutzen eures Konterfunken, um feindliche Manöver zu parieren. Betätigt ihr zum richtigen Zeitpunkt die Dreieckstaste, wehrt ihr nicht nur normale Schläge, sondern auch Projektile und gefährliche, rot-leuchtende Spezialangriffe ab – und verkleinert dabei Schritt für Schritt die Ki-Leiste eures Gegenübers. Genau wie bei From Softwares Samurai-Action gilt auch in Rise of the Ronin also: Ausweichen ist gut, Parieren ist besser.

 

Das Ganze wird mit mehreren Kampfstilen garniert, die nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip gegen unterschiedliche Gegnertypen besonders effektiv sind und per Knopfdruck während der Auseinandersetzungen gewechselt werden können. Nicht zu vergessen die vielen unterschiedlichen Waffentypen: Vom spitzen Speer bis zum kräftigen Odachi, von den flinken Doppelschwertern bis hin zum klassischen Katana. Fernkampfoptionen mit Gewehren, Pfeil und Bogen, Shuriken oder einem Flammenwerfer habt ihr natürlich auch, um die feindlichen Samurai ganz nach eurem Geschmack auszuschalten.

 

Gerade bei den Bossen geht es dann aber erbarmungslos in den Nahkampf, denn die historischen Persönlichkeiten mit ihren langen Lebensleisten durchqueren mit ihren langen Kombos gerne mal in Windeseile die halbe Arena. Wie man es von Team Ninja kennt, sind die Auseinandersetzungen mit den Endgegnern spielerisch spaßig und ziemlich eindrucksvoll, auch wenn die beiden Begleiter, die bei den Missionen, die man im Rahmen der Geschichte ausführt und die einen dann zur Abwechslung doch mal in kleinere, abgeschlossene Gebiete verfrachten, mitunter die Aufmerksamkeit des Bosses in Anspruch nehmen, und es dank realistischem Setting ein wenig an Spektakel mangelt.

 

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Auch wenn Rise of the Ronin realistische Kämpfe bieten will und sich deshalb auf menschliche Gegner fokussiert, bilden übergroße Holzfäller und Sumoringer die seltsame Ausnahme. © 4P/Screenshot

Apropos Mangel: Obgleich die Bosse allesamt angenehm unterschiedliche Movesets im Gepäck haben, lässt die Gegnervielfalt insgesamt etwas zu wünschen übrig. Zwar werden die verschiedenen Waffentypen ausgereizt und einige der Unholde beeindrucken auch schon mal mit ihrer Körpergröße, doch wer an die Mischung aus Menschen und Monstern aus Nioh oder Wo Long gewöhnt ist, könnte etwas enttäuscht werden, dass in Rise of the Ronin die immer gleichen Samurai für die Gefechte herhalten müssen. Wie gut also, dass das Kampfsystem mit seinem Fluss aus Angriffen und Paraden derart fesselt, dass sich ein gewisser Grad an Repetition leicht verschmerzen lässt.