GTA lässt grüßen

Im ersten sowie zweiten von neun Kapiteln wird man immer wieder an die Hand genommen und lernt die Spielmechanik kennen, die hinsichtlich der Steuerung umgehend an Grand Theft Auto 5 erinnert: Man rennt oder beschleunigt das Pferd über X, duckt sich mit L3, geht über R1 in Deckung, zielt und schießt mit den Schultertasten, wobei man die Ausrichtung beim Anvisieren wechseln kann. Zu Beginn ist die automatische Zielfixierung des Torsos aktiviert, aber wer es genauer mag, um Kopf oder Gliedmaßen zu treffen, kann natürlich selbst ansvisieren oder in die Zeitlupe des Dead Eye schalten, um mehrere Punkte bzw. Gegner in einem Rutsch mit Kugeln einzudecken.

Erfahrene Spieler sollten auf jeden Fall das manuelle Zielen aktivieren sowie die Erfassung zu Fuß oder vom Pferd aus herunter schrauben, sonst sind die Schussduelle zu einfach; es gibt ja nur einen Schwierigkeitsgrad und Munition gibt es mehr

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Das Anvisieren ist mit allen Hilfen zu einfach. © 4P/Screenshot

als genug. Aber das entspricht auch dem Wesen des Wilden Westen, der nur so vor Waffen aus dem Bürgerkrieg strotzte – jeder Siedler hatte ein Gewehr. Trotzdem werden bestimmte Leistungen innerhalb der Missionen wie Schnelligkeit, Zielgenauigkeit, Verwundungen etc.  summiert, so dass man am Ende eines Auftrags bronzene, silberne oder goldene Trophäen erhält. Und Letztere bekommt man trotz aller Hilfen nicht so leicht. Nicht nur hier zeigt sich unter der Oberfläche dieses Epos immer wieder der Arcade-Charakter, mit dem Rockstar groß geworden ist. Aber es zeigt sich auch eine Reife und Entwicklung im Spieldesign.

Ungewohnte Erkundungsreize

Die Erkundungsreize in der Landschaft, die mit zerstörten Planwagen, Lagerfeuerqualm hinter einem Hügel, besonders hübschen Villen, schwelenden Ruinen oder verbarrikadierten Scheunen immer wieder zum Nachsehen einladen, führen manchmal direkt in Gebäude inklusive Keller. Zumal es auch akrobatische Einlagen wie in einem Action-Adventure gibt: Arthur kann sich an Simsen und Felskanten hochziehen, um auf Dächer oder Plateaus zu kommen, muss sogar über Abgründe springen. Gerade bei den coolen Schatzsuchen, die man lediglich mit vagen Skizzen von Landmarken durchführt, geht es schonmal sportlich zu. Man kann Geisterstädte und Banditenlager finden, aber selbst eine verlassene Hütte erzählt vielleicht eine tragische Geschichte über Briefe, Fotos oder einfach nur Leichen. Vor allem die stimmungsvolle Durchsuchung der Räume à la The Last of Us ist ein Novum – man kann einzelne Schubladen öffnen und spezielle Gegenstände wie Fotos oder Briefe sowohl näher betrachten als auch drehen.

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Schatzkarten geben nur vage Hinweise auf das Ziel. © 4P/Screenshot

Etwas schwammig ist die Objekterfassung in Gebäuden: Manchmal muss man mehrmals hin und her gehen, damit man endlich den Schrank öffnen oder die Zigaretten aufnehmen kann. Und es ist schade, dass man nicht alle Gebäude betreten oder aufsprengen kann. Neu ist auch einiges an der Perspektive: Man kann nicht nur in Egosicht schalten, um alles direkter zu erleben, sondern auch diverse Kamera-Abstände wählen, während man reitet – und auf diese Art weitere Reisen wie ein Regisseur zusammenfassen, indem man längere Zeit das Touchpad drückt. Dann verengt sich die Perspektive wie in einem Film und es wird quasi bei distanzierter Sicht vorgespult.

Spätestens wenn die Bande im zweiten Kapitel ihr erstes großes Lager in einem Wald aufschlägt, öffnet sich das Abenteuer und man kann zunächst machen, was man will: Mit den Gefährten reden? Die Gegend erkunden? In der Wildnis jagen? Wer sich auf sein Pferd setzt und nicht die gelb markierten Story-Missionen beginnt, die einen meist in ein gewisses Korsett zwingen, was Route und Handlungen betrifft, kann sich auch für Stunden und Tage absetzen. Etwas unlogisch ist an dieser Stelle allerdings, dass nicht nur spezielle Waffen beim Händler für lange Zeit gesperrt sind, obwohl man genug Geld hat, sondern dass selbst allgemeine Aktionen wie der Besuch eines Stalls oder das Angeln erst über Missionen freigeschaltet werden. Ich habe das freie Umherstreifen in der Wildnis dennoch so weit getrieben, dass jemand von der Bande nach mir gesucht hat, und mich fragte, ob alles okay sei, weil sich Dutch schon Sorgen machen würde – sehr schön!

Mobiles Storytelling


Dieser Dutch van der Linde wird angenehm ambivalent inszeniert und scheint besonders große Stücke auf diesen einfachen Cowboy zu halten. Warum? Was sieht er ihn ihm? Er lobt seine Stärke und weckt damit durchaus Eifersucht. Oder ist das etwa das Kalkül eines Alphatiers, das genau wittert, wer ihm gefährlich werden könnte? Nur stückweise erfährt man während der Ausritte etwas mehr, darunter auch die Perspektive der anderen Bandenmitglieder. Während man mobil ist, wird meist

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Man erfährt einiges über den jüngeren John Marston aus Red Dead Redemption sowie seine Frau Abigail und seinen Sohn Jack. © 4P/Screenshot

munter gequatscht oder man kann seinem Begleiter gezielt über L2 Fragen stellen. Auch das ist ein klasse Kniff der Regie, der an die Erzählpassagen in God of War erinnert. Während man zusammen zu einer Mission unterwegs ist, sei es zu Fuß, auf dem Pferd, im Wagen oder Boot, schlägt die Story ganz gemütlich weitere Kapitel auf.

Aber auch wenn man alleine unterwegs ist und die Ohren offen hält, kann man sich einzelnen Schicksalen wie etwa jenem der verzweifelten Safeknacker, der euphorischen Archäologin, die gerade einen Saurier-Knochen ausbuddelt, oder auch der Geschichte der Spielwelt nähern. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Als ich mit gutem Abstand vor einem Lagerfeuer halte, höre ich, wie Männer über das aktuelle Amerika sprechen. Ich lausche weiter und erkenne durch mein Fernglas, dass es sich beim Redner um einen ergrauten ehemaligen Südstaaten-Soldaten handelt, der selbst im Jahr 1899 der alten Zeit hinterher trauert, mit dem Ausgang des Sezessionskrieges (1861-1865) nicht zufrieden ist und eine Bande gegründet hat – Jesse James lässt grüßen. Wenn man das fiktive Lemoyne im Südosten der Karte mit seinen Baumwoll-Plantagen und prächtigen Alleen erkundet, fühlt man sich tatsächlich wie ein Yankee im Dixie-Land.

  1. Heute ist wieder mal einer der Abende, an denen ich dasitze und über das Spiel nachdenke, obwohl ich es seit Sommer letzten Jahres nicht mehr gespielt habe. Ich habe damals nach Ende der Story monatelang gar nichts mehr spielen können, weil mir im Vergleich dazu alles schal vorkam... Shit, ich habe sogar nicht einmal den Epilog beendet damals :)
    Ich sitze manchmal da und denke über Arthur nach, als ob er eine reale Person wäre - ich vermisse ihn dann sehr ^^
    Daher nochmals danke an ihn für diese unvergessliche Reise und danke an Rockstar, auch wenn ihr in der letzten Zeit viel Bullshit abzieht, was ihr hier geschaffen habt, sucht imho seinesgleichen!
    :lol:

  2. Die Frames sind leider nur 30, stimmt.
    Dennoch sieht das Spiel auch heute noch einfach super aus, alleine das Licht.
    Außerdem sind die Ladezeiten auf der PS5 sehr angenehm.

  3. Unglaublich aber wahr: Ich habe in über einem halben Jahr noch kein PS4-Spiel in meine PS5 gepackt. :D Von Haus aus wird RDR2 nicht auf 60fps geboostet, oder? Gibt ja Listen, die beschreiben, welche PS4-Spiele auf der PS5 profitieren. Leider gehört RDR2 offensichtlich bisher nicht dazu. OK, kürzere Ladezeiten sind auch was.

  4. PlayerDeluxe hat geschrieben: 07.06.2021 08:49 Shit, habe das Spiel leider sehr schnell nicht mehr angefasst. Das liest sich schon sehr nett. Aber ob ich jetzt noch Bock hab, auf einen PS4-Titel zurückzuswitchen? Bin mir nicht sicher.
    Profitiert mMn auch auf der PS5 enorm von den geringeren Ladezeiten und sieht immer noch genial aus. Bin zwar dann doch recht schnell zur PC-Version gewechselt, weil 21:9 und weil es grad günstig war, aber dennoch ist die PS4-Version auf der PS5 immernoch ein schmuckes Spiel. Bessere Anpassung an die PS5 wäre natürlich wünschenswert und evtl kommt ja nach GTA5 noch eine PS5-Version von RDR2 :lol:

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