Tempelpriesterin & Marderhund
Die hier vorliegende Spieleserie unternahm ihre allerersten Schritte schon im Jahr 1986, als der Arcade-Pionier Taito einen putzigen Shooter namens Kiki Kaikai in die Spielhalle brachte. Zu einer gewissen Relevanz im Westen verhalf der Marke aber erst das Super-Nintendo-Spiel Pocky & Rocky von 1992. Darin gingen eine taffe Shinto-Priesterin und ein Tanuki – das Pelztier ist bei uns bekannt als Marderhund – auf gemeinsame Monsterjagd. Pocky & Rocky war ausgesprochen ansehnlich, verblüffte mit einer kuriosen Gegnerschar und hob sich spielerisch wie thematisch angenehm von anderen Top-Down-Shootern ab. Nach einem zweiten SNES-Teil und einem Game-Boy-Advance-Ableger fiel die Reihe in einen gut 20-jährigen Schlummer – bis sie von Tengo Project aus der Versenkung geholt wurde.
Tengo Project? Ja, genau. Dabei handelt es sich um ein Entwicklerteam der japanischen Firma NatsumeAtari. Bei diesem Namen klingelt es vielleicht beim ein oder anderen – kommt mit der Harvest-Moon-Reihe doch eine recht bekannte Marke aus dem Hause Natsume. Doch es herrscht Verwechslungsgefahr: Schon Mitte der 1990er teilte sich das Softwarehaus in zwei Firmen auf – die amerikanische Abteilung heißt heute als Natsume Inc. und ist verantwortlich für die Marke Harvest Moon, deren jüngste Serienteile man unter dem Namen Story of Seasons kennt. Der japanische Natsume-Teil hieß lange Natsume Co., änderte seinen Namen 2013 aber zu NatsumeAtari. Womit wir schon (endlich) wieder beim Tengo Project angelangt sind, einer internen Entwicklungsabteilung von eben NatsumeAtari. Die machen seit 2016 von sich reden, als sie mit Wild Guns Reloaded eine vielbeachtete Neuauflage des SNES-Zielkreuzshooters Wild Guns veröffentlichten. Danach widmete sich die Truppe einem weiteren 16-Bit-Klassiker, namentlich dem Sidescroll-Klopper The Ninja Warriors Again, und brachte diesen ebenso kompetent auf Vordermann: Beim Test von The Ninja Saviors: Return of the Warriors nannte ich das Remake einen „Hingucker für Pixelfans“ und lobte “Spielbarkeit, Move-Vielfalt und taktischem Tiefgang.“
Wer bis hierhin durchgehalten hat – entschuldigt das lange Präludium, aber ich empfand die Erklärungen als dringend notwendig! –, der bekommt ein Fleißbildchen und zum Dank viele weitere Infos über Pocky & Rocky Reshrined. Vielleicht habt ihr es auf den Screenshots ja schon gesehen: Das Spiel ist ausgesprochen hübsch! Natürlich nicht Horizon: Forbidden West-hübsch, dafür geht Liebhabern des guten alten Pixels das Herz über. Ich lehne mich aus dem Fenster: Ein adretteres 2D-Spiel, das den 16-Bit-Charme bewahrt und technisch dennoch ein Pfund draufpackt, werdet ihr 2022 nicht zu Gesicht bekommen. Ich staune über wuselig animierte, kreative Feindgestalten, freue mich über pixelige Feuersbrünste und finde auch die Farbpalette und viele Hintergründe ausgesprochen stilsicher. Kurzum: Ich würde Pocky & Rocky Reshrined allein schon deswegen durchzocken, um mich an der 2D-Grafik zu ergötzen. Was natürlich nicht heißen muss, dass der Actiontitel spielerisch nichts drauf hat…
Shooter-Spaß mit kleinen Einschränkungen
Im Spiel steuert ihr Priesterin, Marderhund und noch ein paar andere schrullige Gestalten per Steuerkreuz oder Stick aus einer Perspektive von schräg oben. Ihr weicht feindlichen Attacken aus, haut mit Stock oder Pfote Projektile zurück oder zündet in höchster Not eine Smartbomb, die runzligen Dämonen, fliegenden Monsterchen und gemeinen alten Männern den Dampf aus den Ohren steigen lässt. Zumeist erwehrt ihr euch aber mit normalen Schüssen eurer Haut: Die Spielfigur feuert stets in die Richtung, in die sie gerade blickt – das erinnert spielerisch an alte Genre-Vertreter wie Commando, Ikari Warriors oder Shock Troopers. Und es fühlt sich weniger eingängig und flexibel an als mit einer Twinstick-Steuerung, bei der Lauf- und Baller-Richtung voneinander unabhängig sind. In der ersten Stunde habe ich deswegen reichlich geflucht, schließlich musste ich aber zugeben, dass Spiel- und Leveldesign zu diesem eingeschränkten Steuerkonzept passen. Man hat stets so viel Spielraum, dass man sich in Feindrichtung aufstellen kann, und muss es nie mit zig Gegnern gleichzeitig aufnehmen. Pocky & Rocky Reshrined ist auch kein rasanter Augen-zu-und-durch-Titel, vielmehr lohnt es sich, die Attacken der Feinde zu studieren, einzelne Gegner aus der Ferne wegzuballern oder gut auf die Auswahl seiner Power-Ups zu achten.
Mit Twin-Stick Steuerung wäre dieses Spiel vermutlich ein ziemlich fader Spaziergang. Ich finde die Toolbox des Spiels ist genau richtig wie sie ist. Klassisches Shoot'em Up mit Run & Gun Elementen. Anfangs muss man sich einfach erstmal dran gewöhnen das Laufrichtung gleich Blickrichtung ist. Alles andere hätte den Titel aber wohl komplett ruiniert.
Im Gegensatz zu anderen, moderneren Titeln, rennt man auch nicht nur durch, sondern taktisches Vorgehen wird ganz im Sinne von Klassikern auch hier belohnt. Gerade sowas finde ich bei neueren Ablegern dieses Genres sogar eher selten. Für mich spielt Pocky & Rocky da aber locker auf einem Level mit Blazing Crome und anderen Vorzeige-Spielen.
Würde ich ein Spiel entwickeln würde ich beide Möglichkeiten als Option anbieten, weil beide Sichtweisen ihre Berechtigung haben. Zwar gut, wenn Teil 1 das so macht und Teil 2 das so macht, aber wieso nicht beide Möglichkeiten bei beiden Spielen anbieten?
Ich hab früher oft mit Freunden und auch mit meiner jüngeren Schwester gezockt, die zu PSone-Zeiten noch nicht wirklich gut war. Somit hab ich die Vor- und Nachteile beider Varianten erlebt.
Eine Möglichkeit, die immer funktioniert sind die Lego-Spiele, weil die so oder so keine Herausforderung darstellen