Detektivarbeit mit Implantaten

Selten habe ich das Ende eines Spiels so sehr herbeigesehnt wie bei Observer. Nach knapp zehn Stunden kam die Erlösung. Hat mich die verstörende Cyberpunk-Welt und das Abtauchen in fremde, mitunter kranke Gedankenwelten einfach so fertig gemacht? Nein. Aber eigentlich hätte das Spiel alles mitgebracht, um mir ein derart intensives Erlebnis zu bieten. Tatsächlich mangelt es hier nicht an völlig abgedrehten und surrealen Situationen, wenn man sich in der Rolle von Detective Daniel Lazarski (Rutger Hauer) im Jahr 2084 auf die Suche nach seinem Sohn begibt und dabei in mysteriöse Mordfälle innerhalb eines abgeriegelten Wohnkomplexes in einem heruntergekommenen Viertel der Cyberpunk-Metropole stolpert – in einem futuristischen Polen, das von einem machthungrigen Konzern regiert wird, der auch die Polizei und damit den Protagonisten kontrolliert.

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Rutger Hauer (rechts) schlüpft in die Rolle des augmentierten Schnüfflers. © 4P/Screenshot

Mit der ersten Spurensicherung, bei der man dank Hightech-Implantaten auf eine Analyse- und Nachtsicht sowie Infrarot zurückgreifen darf, fängt alles noch recht gemächlich und halbwegs bodenständig an. Wie in den Batman-Spielen von Rocksteady geht man den Hinweisen nach und nutzt dafür primär den Detektiv-Modus, obwohl er mit seiner groben Darstellung im Schwarzweiß-Look sehr gewöhnungsbedürftig ausfällt und die Kulisse für meinen Geschmack etwas zu sehr entfremdet. Mitunter wird man als Schnüffler aber auch intensiver gefordert als nur den hervorgehobenen Auffälligkeiten nachzugehen. Schön ist, dass einem trotz der technischen Unterstützung nicht alles auf dem Präsentierteller geliefert wird: Bei der ersten Suche nach einem vierstelligen Zugangscode erhält man durch das Hacking-Werkzeug z.B. nur die letzte Ziffer. Erst mit einem genauen Umsehen und einer gewissen Kombinationsgabe ermittelt man die fehlenden Zahlen.

Türgespräche

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Auf der Suche nach Spuren erlebt man viel wirres Zeug – und ungewöhnliche Schauplätze samt experimentellen Grafikeffekten. © 4P/Screenshot

Wichtige Hinweise liefern aber auch die Bewohner. Also klappert man die gefühlt gleichen Stockwerke an den gefühlt gleichen Türen ab und stellt in den Multiple-Choice-Dialogen gefühlt die immer gleichen Fragen. Da man die Wohnungen in der Regel nicht betreten darf, bekommt man das Gegenüber nur ausschnittsweise über einen kleinen Monitor zu sehen, der zusammen mit der Klingel an den Türen angebracht ist. Dabei sind die Dialoge mindestens ebenso zäh wie das Durchwühlen von Dokumenten und Mails in manchen Computern, zu deren Daten man im Gegensatz zu Deus Ex auch ohne Hacker-Künste Zugriff bekommt. Stellenweise wirkt der Spielverkauf dadurch wie ein einschläfernder Türen-Verhör-Simulator. Die gelangweilte und unglaubwürdige Performance von Rutger Hauer trägt ihren Teil dazu bei: Selbst wenn später extrem irres Zeug passiert, bleibt er unfassbar gelassen. Vielleicht gehört eine solche Mentalität zum Beruf des Observers. Wenn er aber nach einem weiteren kranken Trip in die Erinnerungen eines Opfers in seine Realität zurückkehrt und auch dort zunehmend merkwürdige Dinge geschehen, steckt er mir das viel zu locker weg. „Ich glaube, ich verliere langsam den Verstand“, murmelt er emotionslos, als würde er diese Zeilen einfach von einem Zettel ablesen – was er vermutlich auch getan hat. Sorry, aber bei einer solch schwachen Performance kann ich dem Protagonisten nichts abnehmen und mich nur schwer in ihn hineinversetzen. Wie bei Layers of Fear gibt es übrigens lediglich eine englische Sprachausgabe. Optional lassen sich deutsche Untertitel hinzuschalten.


 

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