Maskenbau und Telekinese

Die Kern-Mechanik ist zwar lange nicht so überraschend wie in A Fisherman’s Tale, entfaltet nach einer Weile aber trotzdem Suchtpotenzial. Nachdem ich in den idyllischen Fantasiewelten Schmuck wie Perlen, Muscheln oder Hörner für die Maskenfertigung gefunden habe, hängen schnell mehrere damit verzierte Masken an den Wänden meiner Werkstatt. Setze ich die sie abwechselnd aufs Gesicht, kann ich mich an unterschiedliche Orte eines Levels beamen. Mit den dort übernommen puppenartigen Wesen untersuche ich die Gegend nach weiteren Durchgängen und Bastelmaterialien.

Versperren mir z.B. dichte Pilzgeflechte den Weg, wird es Zeit für einen Ortswechsel. Ich setze einfach eine frisch gefertigte Maske auf und gelange so an eine andere Stelle der Insel, an der ich ein Fungizid aus allerlei versteckten Zutaten brauen kann. Als Nächstes laufe ich die Steigung hinauf in ein Baumhaus und lege das Sprühfläschchen in einen Korb, der sich per Kurbel nach unten befördern lässt. Zum krönenden Abschluss setze ich schnell wieder die andere Maske auf, schnappe mir den Zerstäuber und mache den überwucherten Weg frei. Nimm das, pilziges Pilzgeflecht! Kurze Zeit später entdecke ich im Sumpf dahinter einen Tempelwächter, den ich wie die übrigen Figuren per Fernglas anpeile, um eine neue Masken-Blaupause zu erlangen. Und schon stehe ich wieder vor der Werkbank.

Mängel beim Feintuning

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Erst einmal die nötigen Verzierungen aufspüren, dann ein wenig basteln, die neue Maske aufsetzen… © 4P/Screenshot

So entfaltet sich ein schöner, eigenwilliger Spielfluss mit ständigen Ortswechseln, verwobenen Rätseln, Such-Aufträgen, diversen Zahnrad-Mechanismen und Mechanik-Puzzles. Manche davon stiften allerdings Verwirrung: Die Entwickler hätten z.B. nachdrücklicher klar machen sollen, dass neben der Laufsteuerung auch die Teleportation eine wichtige Rolle spielt, vor allem beim Erreichen von Vorsprüngen. Andere Spiele wie in Half-Life: Alyx regeln diese Kombination zwar ähnlich. Wenn man wie ich vorher in Wraith: The Oblivion – Afterlife unterwegs war, ist aber Umdenken nötig, was den nötigen Denkanstoß verhindern kann. Manche der Tutorial-Sätze aus dem Off wurden sogar zu früh abgebrochen, weil ich manche Aufgaben zu schnell erledigt hatte und danach wichtige Infos verpasste. Wer etwas mehr an die Hand genommen werden möchte, dürfte also mit den in sich abgeschlossenen Puzzles von Twilight Path besser bedient werden.

Auch Schnittstellenfehler zählen erneut zu den Schwächen des Entwicklers, so das hier und da Objekte stecken bleiben. Das Problem tritt allerdings seltener auf als in A Fisherman’s Tale. Vielleicht führten Probleme in diesem Bereich auch zur Entscheidung für ziemlich simple Mechaniken bei der Masken-Fertigung an einem beweglichen Holzkopf. Bereits das Freilegen der Rohlinge wirkt hier schrecklich schlicht. Das gilt vor allem im Vergleich zum DS-Spiel Spectrobes, in dem ich schon vor 13 Jahren sehr feinfühlig mit Stylus und Bohrer präparieren musste. Hier dagegen wird einfach grob mit Hammer und Meißel in in die passende Richtung gehämmert – fertig. Auch die zahlreichen Verzierungen mit gefundenen Gegenständen flutschen quasi magnetisch in vorgegebene Vertiefungen. Sicher – ein wenig kreativ werden kann ich bei der Dekoration und dem Ausmalen kleiner Flächen schon, was dann aber eher an „Malen nach Zahlen“ erinnert.

Geheimnisvolle Fantasiewelt

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…und schon geht es zurück in eine der anderen Welten, in der z.B. am Rande einer Seilbahn ein Zahnrad-Rätsel wartet. Auf dem Bild sieht man übrigens die spätere Schnellwahl der Masken. © 4P/Screenshot

Inszenatorisch ist all das aber erhebend umgesetzt. Die sanft glühende Werkstatt, an Myst erinnernde Baumhäuser oder ein stilisiertes Dörfchen hinterm verschneiten Berggipfel schaffen ein angenehm exotisches Präsenzgefühl – selbst wenn die Kulisse nicht so detailreich geraten ist wie in Mare, Ghost Giant oder The Room VR: A Dark Matter. Auch die Rahmenhandlung weckt die Neugier – mit Themen wie einem gescheiterten Lehrling der magischen Maskenwerkstatt oder Warnungen vorm König in der anderen Welt. Die professionellen Dialoge stehen leider nur auf Englisch und Französisch zur Verfügung, allerdings wahlweise mit deutschen Untertiteln.

Eine Reihe von Komfort-Einstellungen zu Vignette, Drehung & Co. sorgen (zusammen mit der zusätzlichen Teleportation) dafür, dass keine Übelkeit aufkommt. Dank der nicht all zu anspruchsvollen Kulisse dürfte das Spiel auch auf deutlich schwächeren Grafikkarten als unserer GeForce RTX 2080 Ti flüssig laufen. Am angenehmsten spielte sich die PC-Fassung mit der per Air Link verbundenen Quest 2 (das “freie” Spielgefühl profitiert stark von der Kabellosigkeit) oder mit dem weiten Sichtfeld der Index, in dem die Panoramen besonders gut zur Geltung kommen. Aber auch das Erlebnis mit der Rift S konnte überzeugen (WMR und Vive werden ebenfalls unterstützt). Auf PSVR an der PS4 Pro blieb die Darstellung sauber. Hierbei sind übrigens zwei Move-Controller Pflicht, die mangels Stick für eine etwas umständlichere Handhabung sorgen. Da die Feinarbeiten hier ebenfalls einfach gehalten sind und es zusätzlich die Teleportation gibt, funktioniert die Steuerung aber auch auf Sonys Plattform gut genug. Ob es eine Umsetzung für die Quest geben wird, ist noch unklar.

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