Der plötzliche Knoten im Magen 

Ich liebe es, wenn Spiele mich überraschen. Im Adventure-Bereich gibt es mittlerweile einige Titel, die mit gutem Humor oder einer emotionalen Geschichte überzeugen. Little Misfortune schafft es allerdings, als eine der wenigen Tragikkomödien im Videospielbereich, beide Elemente zu kombinieren: So scheint das Mädchen „Misfortune Ramirez Hernandez“ zunächst ein ganz gewöhnliches Leben zu führen. Sie stellt zu Beginn ihre liebsten Spielzeuge vor und erzählt von ihrer Liebe zu einem Fuchs, den sie Benjamin getauft hat. Zusammen mit dem wunderschönen Artdesign machte sich schnell eine gemütlich kindliche Wohlfühlstimmung breit: Ich genoss es, die Spielwelt durch Misfortunes naive Kinderaugen zu erleben; zumal Kinder nur selten den Weg als Protagonisten in die Videospielwelt finden. 


Das Spielziel besteht darin, den Aufträgen des Charakters „Herr Stimme“ zu folgen, der Misfortune ewiges Glück verspricht, wenn sie alle Aufgaben erledigt. Bevor ich mich auf die erste Quest begab, die daraus bestand das Haus zu verlassen, musste ich noch ein Spielzeug wählen: Diese Entweder-oder-Entscheidungen bilden die Hauptspielmechanik in Little Misfortune. Und so simpel Fragen wie „welches Spielzeug“, „Fisch behalten“, „sollen wir uns einmischen“ auf den ersten Blick wirkten, so überrascht war ich, was sich häufig dahinter verbarg. Da ich nichts für Einhörner übrighabe, entschied ich mich für den Stein als Wegbegleiter. Wie sich herausstellte, handelt es sich bei „Steini“ jedoch um ein mit Blut übersätes Wurfgeschoss, das Misfortunes Vater ihr irgendwann mal an den Kopf geschmissen hat, so dass sie eine Platzwunde davontrug. Spätestens beim Durchblättern ihres hübsch dekorierten Tagebuchs, das häusliche Gewalt und andere traurige Momente zeigte, wurde mir klar, dass die Protagonistin ein verdammt tapferes Mädchen sein muss und mich hier kein Spiel für Kinder erwartet. 

 

Trauer und Freude 

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Trotz der traurigen Umstände versucht Misfortune das beste aus ihrem Leben zu machen und ihrer Mutter ewiges Glück zu besorgen! © 4P/Screenshot

Aber zum Glück gibt es nichts, was eine Dose Glitzer nicht lösen könnte! Per Knopfdruck bestäubt die kleine Dame traurige oder gruselige Objekte einfach mit einer Glitterkur – und schon wurde der Welpe, den ich durch eine falsche Entscheidung getötet hatte, wieder zum fidelen Spielkameraden. Der dunkle Humor ist einfach nur fantastisch und es gab zahlreiche Situationen, in denen ich zwar schockiert war, aber dennoch lautstark loslachen musste. Killmonday Games schaffen es stets den richtigen Ton zu treffen und wissen dabei genau, wann Schicksale ernst dargestellt werden sollten und wann es Raum für Albernheit gibt. Ohne zu viel zu verraten, gab es z.B. Momente, in denen ich plötzlich inmitten einer Messerstecherei zweier Nager vor einem Hamster-Stripclub stand; und eine vermeintliche Geburtstagsparty entpuppte sich als Selbstmord eines Nachbarn. Wie ein Blick auf seine verhüllte Staffelei verbarg, bestand sein letztes Werk aus einem Prengel, den Misfortune mit ein paar Pinselstrichen aber zum Glück in eine süße Katze verwandelte. Eine Prise Glitzer auf seine hängende Leiche und schon ist das Gröbste überstanden.  


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Der Stil ist großartig und man reist an zahlreiche kuriose Orte, wie einen Hamster-Stripclub. © 4P/Screenshot
Es ist eine Kunst, traurige Schicksale so zu inszenieren, dass sie einerseits einen Effekt beim Spieler erzielen,
andererseits aber auch Lust machen weiterzuspielen. Kinder suchtkranker Eltern sind oft Meister darin, das Beste aus ihrer Situation zu machen, sich um den Haushalt oder den Gemütszustand ihrer Eltern zu kümmern und trotz der Vernachlässigung das eigene Gesicht zu wahren. Es kann für Außenstehende daher schwer zu begreifen sein, dass Misfortune trotz ihrer schweren Situation stets so viel lacht und betont, dass sie eine kleine Lady ist. Andauernd packt sie harte Fakten aus ihrem Leben aus: dass ihre Mutter z.B. dem Kioskbesitzer ihre Brüste zeigt, um neuen „Saft“ zu bekommen, weil es in ihrer Lebensrealität nicht besonderes mehr darstellt. Verstärkt wird diese Spirale der Hilflosigkeit als Zuschauer durch die dualen Entscheidungen, bei denen man wie bei der Spielzeug-Wahl nie absehen kann, was für eine böse Überraschung sich dahinter verbirgt. Ich würde übrigens jedem empfehlen, das etwa dreistündige Adventure nochmals durchzuspielen, da man durch die „andere Entscheidung“ oft neue Story-Details erfährt und weitere lustige Situationen erlebt. 

  1. MrLetiso hat geschrieben: 22.05.2020 21:45
    4P|Alice hat geschrieben: 22.05.2020 16:39
    MrLetiso hat geschrieben: 22.05.2020 16:34 Mit dem Spiel liebäugel ich ja schon länger... :Buch:
    Dann go go :D (ging mir auch so, damals nicht den Test geschafft und jetzt endlich nachgeholt).
    Der Preis schreckt mich ehrlich gesagt noch ein bisschen ab... :/
    Ja, mich bis jetzt auch - werde da aber sicher mal bei einem gog sale zugreifen.
    Habe schon für Fran Bow den Vollpreis bezahlt, das Spiel ist aber auch wirklich gut und offenbar überhaupt nicht vergleichbar mit Little Misfortune, laut den gog comments.
    Gibt übrigens auch eine kleine Demo zum Download um mal reinzuschnuppern.

  2. 4P|Alice hat geschrieben: 22.05.2020 16:39
    MrLetiso hat geschrieben: 22.05.2020 16:34 Mit dem Spiel liebäugel ich ja schon länger... :Buch:
    Dann go go :D (ging mir auch so, damals nicht den Test geschafft und jetzt endlich nachgeholt).
    Der Preis schreckt mich ehrlich gesagt noch ein bisschen ab... :/

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