Und so viel Größe Namen wie Shakespeare, Machiavelli oder Galileo auch versprachen, so klein werden diese, wenn sie Euch schon nach wenigen Spielminuten in Barcelona begegnen und sofort mit wichtigen Aufträgen betrauen. Bei Galileo ist das noch verständlich und mit interessanten Quests sogar richtig gut inszeniert, da er Eure Berufung kennt, aber bei den anderen wirkt es einfach aufgesetzt.

Außerdem bleibt Euer Verhältnis zu den Fraktionen der Tempelritter, der Inquisition und des Ordens des Saladin zunächst völlig undurchsichtig, da man nicht wie in durch bestimmte Aktionen zu einer Gruppe tendieren kann, sondern durch ein paar Quests direkt aufgenommen wird.

Viele gute Ansätze

Um so ärgerlicher sind all diese Kritikpunkte, da Lionheart viele gute Ansätze bietet, die in den richtigen Entwicklerhänden für wesentlich mehr Spielspaß gesorgt hätten. Gerade die ersten Stunden bieten einige süffisante Gespräche und Situationen: Die Einwohner reagieren sogar mit Abscheu und rassistischen Sprüchen, wenn Ihr z.B. einen Wilden spielt. Diese soziale Interaktion hätte man sich auch mit den eigenen Gefährten gewünscht.

Auch die Quests können ab und zu für die schlechte Präsentation entschädigen: Man soll einen arabischen Agenten finden, der inkognito unterwegs ist, kann einen politisch brisanten Mord auf verschiedene Arten aufklären und soll Galileos sprechende Dampfmaschine zur Arbeit überreden. __NEWCOL__
Und ein mechanischer Arm verschafft Euch einen schlagkräftigen Begleiter. Ein Höhepunkt ist sicher auch die Jagd mit dem unter Verfolgungswahn leidenden Schriftsteller Cervantes, der seinen eigenen literarischen Dämon Don Quichotte loswerden will.

Mir gefällt auch, dass ich Angriffsgeschwindigkeit und Ziel bestimmen kann. Ein Schlag auf den Kopf erhöht die Chance kritischer Treffer, Schläge auf den Körper können den Feind zurückwerfen, Treffer an Armen oder Beinen können verkrüppeln. Und schließlich kann ich meine Schlagfrequenz zu Lasten der Genauigkeit erhöhen – oder umgekehrt.

Auch lohnt es sich endlich mal, Charaktere mit ausgeprägten Entdecker- und Suchfähigkeiten loszuschicken, denn man findet tatsächlich versteckte Schätze und Gegenstände. Und selbst das Schlösser knacken weiß zu gefallen, denn nach mehreren Fehlversuchen hat man keine Chance mehr – das ist authentisch und für Diebe ein Anlass, zu trainieren oder sich vorher magisch schlüsselfit zu trinken.

Doch all das sind wirklich nur kleine spielerische Lichtblicke in einem insgesamt schlampig umgesetzten, grafisch und technisch veralteten sowie dramaturgisch verkorksten Titel. Dass die alte Schule der isometrischen Rollenspiele grafisch nicht mehr vom Hocker reißt, kann man verschmerzen. Dass sie spielerisch Rückschritte macht ist jedoch unverzeihlich.

  1. Lionheart galt für viele als Geheimtipp im isometrischen Rollenspielbereich: Erstens steht das erfahrene Team der Black Isle Studios dahinter, die schon Klassiker wie Fallout, Planescape Torment oder Icewind Dale produziert haben. Zweitens fasziniert die Story mit ihrem Mix aus alternativer Geschichte und Fantasy. Warum unser Ausflug in die Welt von Shakespeare, Cervantes & Co ein enttäuschendes Ende nahm, klärt der Test!

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