Jetzt nur kein falsches Wort!

In einem anderen Fall dagegen schmeißt mich die Mutter eines vermutlich unschuldigen Angeklagten achtkantig raus, wenn ich nachbohre, was sich hinter dem Vorhang neben ihren Voodoo-Utensilien befindet. Der Einfluss der Religion und die gezeichneten Dialog-Porträts vor schwarzem Hintergrund sind eine klare Hommage an Sierra Onlines Gabriel Knight – wie Gonzales auch in einem Trailer bestätigt. Insgesamt gibt es fünf Fälle zu lösen – mit mehreren Verdächtigen, falschen Hinweisen und unterschiedlichen Enden der Geschichte. Durch die empfindlichen Gesprächspartner fühlten sich meine Ermittlungen oft wie ein Balanceakt auf rohen Eiern an, bei denen ich nicht wusste, wie weit ich gehen konnte. Einfaches Abklappern aller Dialogoptionen ist daher natürlich nicht sinnvoll. Oft blieb mir aus Mangel an Möglichkeiten aber gar keine andere Wahl, als z.B. der freundlich gesinnten „Voodo-Mutti“ auf die Füße zu treten oder eine schlecht begründete Beschuldigung abzugeben.

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Brenzlig… © 4P/Screenshot

Mehrmals landete ich in einer Sackgasse, in der mir das Spiel gar nicht die Fragen oder Möglichkeiten an die Hand gab, die ich als sinnvoll erachtet hätte. Sogar in der Beziehung habe ich oft nicht wirklich eine Wahl, dumme Aktionen wie ein Besäufnis zu verhindern.

Inventar vermisst!


Auch der seltsame Umgang mit gefundenen Gegenständen sorgte dafür, dass ich mich nur selten souverän fühlte: Wie bereits erwähnt, gibt es kein Inventar. Stattdessen nimmt Miles einfach alles Wichtige mit und setzt es automatisch ein, wenn man am entsprechenden Ort auf eine Person oder ein anderes Objekt klickt. Gesteuert wird übrigens ausschließlich mit der Maus, statt auch die Tastatur zu nutzen. Enttäuschend wirkte auch die Untersuchung einer verdächtigen Substanz in der Gerichtsmedizin. Statt einer komplexeren Analyse wie bei Sherlock Holmes musste ich lediglich einige Schauplätze abklappern und kam letztendlich automatisch auf die passende Substanz.

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Das übersichtliche Journal fasst Hinweise und Aufgaben gelungen zusammen. © 4P/Screenshot

Es gab allerdings auch unterhaltsame Momente, in denen ich mich auf das eigenwillige Spieldesign eingestellt hatte und sich beim Abklopfen der Möglichkeiten ein wenig Spannung einstellte. So war es etwa beim oben erwähnten Mordfall an der Grand Dame Desiree Lathan. Ich richtete bewusst viele kleine Speicherpunkte ein, um etwa herauszufinden, mit welchem anderen lancierten Kriminalfall sich ein störrischer aber profilierungssüchtiger Ex-Kollege vom Tatort weglocken lässt. Oder auch mit welchen Komplimenten sich eine betrunkene Grand Dame am besten bezirzen lässt (alles, was aufs Alter anspielen könnte, sollte man dabei natürlich tunlichst vermeiden).

Stimmen im Kopf

Schade, dass die praktisch nicht vorhandene Mimik nur wenig Aufschluss über Gefühlsregungen gibt. Das Problem wird immerhin ein wenig von Miles Stimme im Kopf kompensiert: Bills Kommentare aus dem Off weisen ab und zu darauf hin, wenn man sich nicht weiter in eine Richtung vorwagen sollte. Er hatte schließlich schon zu Lebzeiten mehr Menschenkenntnis sowie ein Gefühl für Körpersprache. Zusätzlich gibt er oft flapsige Kommentare ab oder startet schlechte Wortspiele, die einen schönen Gegenpol zur etwas zu schwermütigen Geschichte bieten.

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Das Duell der Frisuren. © 4P/Screenshot

Klar, die Rahmenhandlung ist tragisch und auch Miles‘ Beziehung mit der eigentlich loyalen Ehefrau hat immer wieder darunter zu leiden  – trotzdem hätte etwas mehr Leichtigkeit im Stil von The Unavowed auch hier gut getan. Zu Gute halten muss man Lamplight City allerdings, dass die Charaktere und ihre Macken angenehm menschlich wirken. Das Spektrum reicht vom bankrotten aber hochnäsigen Künstler-Frauenheld mit schleimiger Frisur über Miles‘ sympathisch-humorvolle Ex-Kollegin (und Kontaktperson für neue Fälle) bis hin zum Chef einer Verschwörungs-Gazette oder einem krankhaft hypochondrischen Anwalt. Die englische Vertonung bleibt von einigen nasal klingenden Aufnahmen abgesehen ebenfalls angenehm professionell, Deutsch wird allerdings nur in Untertiteln angeboten. Mit einem der Fälle verbringt man grob zwei Stunden – je nach Spielweise mit alternativen Speicherständen auch deutlich länger.

  1. Interessant das in der Spielinfo noch immer steht "Release: Kein Termin" ;) Gekauft habe ich es mir am Releasetag, gespielt wird es nächste Woche, auch wenn der Test sich nicht ganz überzeugend liest. Das Setting und auch das schlichte Design sagen mir zu. Wenn die Geschichte passt (bzw. die Geschichten), bin ich eigentlich schon zufrieden. Dass es kein Inventar gibt, gefällt mir nicht aber die Auswahlmöglichkeiten in den Dialogen haben mir auch schon bei A Golden Wake gut gefallen, auch wenn man teils raten musste.
    Alles in allem freue ich mich aber drauf.

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