Klassisch bis bieder

Schon kurz nach dem Start wird klar, dass das Team von Crazy Bunch den Dungeon Crawler deutlich klassischer interpretiert als inXile, das seinerzeit im Jahr 1985 mit The Bard’s Tale einen der Grundsteine für dieses Subgenre des Rollenspiels gelegt hat. Die Bewegung z.B. ist stur auf Vorwärts- und Seitwärtsschritte sowie 90-Grad-Drehungen reduziert. So, wie es früher war und das Zeichnen der Karten auf Karopapier vereinfacht hat. Hier braucht man allerdings nicht mitmalen – die Abschnitte sind zwar relativ groß, aber verlaufen kann man sich eigentlich nicht, da sie sehr linear aufgezogen wurden. Mitunter fällt es zwar schwer, innerhalb der zumeist spartanisch gestalteten Abschnitte die Schalter zu finden, um die nächste Tür zu öffnen oder Falltüren zu schließen, da sie häufig gut in den Hintergrund integriert wurden. Aber darin liegt auch ein gewisser Reiz. Und Situationen, in denen man partout nicht weiterkommt, sollte man ohnehin nicht vorfinden. Auch die wartenden Fallen lassen sich mit etwas Geduld und Beobachtungsgabe ausmanövrieren, so dass der Anspruch insgesamt eher moderat gehalten wurde, man aber dennoch hin und wieder das Zeitliche segnet.

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Auf den ersten Blick ist der Abstecher in den düsteren VR-Dungeon stimmungsvoll. Auf Dauer sind die Umgebungen aber eintönig. © 4P/Screenshot

Obwohl ich diesen klassischen Mechaniken nicht abgeneigt bin und auch mit Titeln wie Legend of Grimrock oder Etrian Odyssey auf dem 3DS Spaß hatte, ist es mir schwer gefallen, mit Kryptcrawler warm zu werden. Vieles kann damit zu tun haben, dass die Dungeon-Erforschung parallel für Gear VR entwickelt wurde und man dahingehend technische Zugeständnisse gemacht hat. Denn obwohl The Mage’s Tale im Wesentlichen ein ähnliches Konzept mit schrittweiser Fortbewegung (die sehr gut geeignet ist, um Bewegungskrankheit vorzubeugen) sowie Echtzeit-Kämpfen verfolgt, wirkt es hier im Vergleich höchst altmodisch. Und das nicht nur, weil man mit seinen Schlagkombos, die nur durch die sich recht langsam aufladende Energieleiste ausgebremst werden, die Gegner beinahe komplett an der Durchführung ihrer Angriffe hindern kann, so dass Spannung im Kampf nur selten sowie erst mit Schild tragenden Feinden aufkommt. Sondern vor allem auch, weil man kaum von den Möglichkeiten der virtuellen Realität Gebrauch macht.

VR oder nicht VR?

Man kann sich zwar frei umschauen. Doch freie Bewegung (und sei es nur minimal), um evtl. Geschossen auszuweichen gibt es nicht. Stattdessen drückt man eine Taste und hebt sein Schild zur Abwehr – übrigens kann man dann nicht einmal per Kopfbewegung an dem Schutz vorbeischauen. In diesem Fall bewegt sich der Schild einfach mit! Mit dieser Mechanik wartet das nächste Manko: Obwohl mit den Touch-Controllern gespielt wurde, gibt es keinerlei Option für Gestensteuerung. Einzig ein Lichtpunkt zum Aktivieren von Knöpfen und Schaltern kann über Bewegung kontrolliert werden.  Das wiederum funktioniert mitunter sehr ungenau. Steht man z.B. auf einem Feld mit einem Heiltrank, ist es beinahe schon Glückssache, dass man den Moment mitbekommt, in dem das viel zu kleine Pünktchen über den Flakon huscht und die Aktionstaste drückt. Die prinzipiell hinter der Brille entstehende Immersion, die auch in Kryptcrawler immer wieder zu spüren ist, wird durch die

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In den Gewölben warten passable Rätsel, Fallen und zumeist simpel gestrickte Kämpfe. © 4P/Screenshot

klassische Knopfdruckmechanik kontinuierlich ausgehebelt, so dass man atmosphärisch letztlich nicht so weit von einem Etrian Odyssey mit eingeschaltetem 3D entfernt ist, wie es die neue Technik erlauben würde und wie es andere Titel vorgemacht haben.

Dazu kommt, dass Kryptcrawler mit seinen comichaften Strukturen  weit davon entfernt ist, gut auszusehen – vermutlich ebenso ein Nebeneffekt der Gear-VR-Entwicklung. Das Figurendesign ist ebenso oberflächlich wie die Texturen, die auf die Gewölbewände tapeziert wurden. Die Effekte sind spröde und die ohnehin geringe Interaktion mit der Umgebung wurde ebenfalls nur spartanisch umgesetzt: Ohne Physikeinsatz zerspringt jeder zerbrochene Krug gleich – bzw. löst sich unspektakulär in Luft auf. Jedes Spinnennetz sieht gleich aus und verschwindet identisch. Und auch die jeweiligen Gegner-Typen sehen einer wie der andere aus. Sprich: Nicht nur hier lässt das potenziell mindestens solide Projekt zu viele Chancen verpuffen, sich einigermaßen für längere Spielesessions zu empfehlen.

  1. Denn obwohl The Mage’s Tale im Wesentlichen ein ähnliches Konzept mit schrittweiser Fortbewegung (die sehr gut geeignet ist, um Bewegungskrankheit vorzubeugen)
    The Mages Tale hat mittlerweile auch klassische Fortbewegung :)

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