Während es in Darkest Dungeon…

…sofort zündete, weil das markante Artdesign zusammen mit dem charismatischen Sprecher umgehend einen Vorhang in eine Lovecraft’sche Fantasyhölle öffnete, muss man sich nach dem faden Intro und dem bemühten schwarzen Humor erstmal an Iratus: Lord of the Dead gewöhnen. Es ist zwar lobenswert, dass man den Nekromanten mit der deutschen Stimme von Stephan Weyte (u.a. Caleb aus “Blood”) erklingen lässt, aber was hilft das, wenn seine intonierten Sprüche nicht wirklich cool oder witzig sind? Auch all die holprigen Texte über Monster oder die schwache Story sollte man besser ignorieren. Was dann übrig bleibt, ist immerhin so etwas wie Dungeon-Keeper-Flair, denn man spielt ja den magisch begabten Oberbösewicht, der seine kleine Armee aufbaut.

Man kann seine Schergen direkt aus Zutaten wie Blut, Knochen & Co erstellen, so dass fast zwanzig Klassen aus dem Kessel hüpfen. Aus namenlosen Zombies, Skeletten, Mumien, Golems, Ghulen, Vampiren, Schwarzem Ritter & Co erstellt man Vierertrupps, die man dann in Katakomben schickt, die auf einer dreh- und zoombaren Karte in der Draufsicht auf vergilbtes Papier gezeichnet sind. Hier gibt es ebenfalls eine Ernüchterung: Es entsteht keine Dungeon-Spannung, denn es gibt keine ungewisse Erkundung wie in Darkest Dungeon – alle Orte und Feinde sind (bis auf ein paar Fragezeichen) aufgedeckt, so dass man genau weiß, was einen erwartet und sofort auf Kampf, Beute oder Ähnliches stößt – selbst Spezialeinheiten und Bosse sieht man. Das hat natürlich auch Vorteile in der strategischen Planung, zumal man gleichzeitig bis zu vier Trupps managen kann.

Der Crafting-Nekromant


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Das Figurendesign ist solide und farbenfroh, die Kampfanimationen sind manchmal etwas plump, dann wieder gelungen. © 4P/Screenshot

Apropos Management: Hier schöpft Iratus aus dem Vollen, denn man kann in einem Meer aus Statistiken, Zutaten, Ausrüstung, Artefakten & Co versinken, zig Materialien einsetzen, auf seltene Funde und Beute hoffen, nahezu alles irgendwo umwandeln und beim Aufstieg seiner Schergen neben einzelnen Charakterwerten auch Fähigkeiten wie in einem Rollenspiel anpassen. Nicht nur das: Auch der Nekromant höchstselbst darf über sein Inventar ausgerüstet sowie hinsichtlich seiner arkanen Macht in den vier Bereichen Alchemie, Magie, Hader und Zerstörung entwickelt werden – da warten über 50 Talente in kleinen Bäumen, die man quasi wie universelle Zauber einsetzen kann. Falls ihr also sammeln, stöbern und spezialisieren wollt, seid ihr hier richtig, denn Iratus betreibt all das in XXL.

Aber hinter dieser Masse steckt trotz ähnlich motivierender Elemente und grundsolidem Spieldesign nicht die große Klasse eines Darkest Dungeon, zumal das russische Team in einigen Bereichen recht dreist abkupfert. Dazu gehört nicht nur der Ausbau des Hauptquartiers über den Friedhog, in dem Gebäude und Monumente zunächst brach liegen, bevor man sie in mehreren Stufen besetzen kann, um deren Boni zu erhalten. Dazu gehört natürlich auch die komplette Kampfdarstellung, in der die eigenen Schergen links und die Feinde rechts darauf warten, dass sie mit ihrer Aktion an der Reihe sind, um zuzuschlagen. Dabei kann man nicht nur körperlich, sondern auch geistig über Stress verletzt werden, was über zwei Leisten symbolisiert wird. Und natürlich sorgt zu viel Stress auch für Wahnsinn & Co, so dass Verräter ihre eigenen Leute angreifen…

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Welchen Vierertrupp schickt ihr in welchen Raum? © 4P/Screenshot

…trotz der Ähnlichkeiten gibt es en detail wiederum einige Unterschiede und es macht richtig Spaß, sich in dieses Wechselspiel aus Attacken und Kontern, aus Buffs und Debuffs, Zaubern und Positionswechseln zu begeben. Die Motivation entsteht über die Wahl der Klassen für das Quartett sowie die daraus resultierenden  taktischen Optionen, um coole multiple Treffer oder Kombos einzuleiten. Zumal man im Laufe eines Gefechts noch mehr Möglichkeiten bekommt, weil nicht nur Iratus seine Zauber, sondern die eigenen Schergen über genug Zorn & Co ebenfalls weitere Spezialattacken einsetzen dürfen. Letztlich fehlt es aber nicht nur aufgrund der namenlosen Schergen an Identifikation und Atmosphäre: Auch wenn es einen spielerisch trifft, dass ein Level-10-Ritter gerade hops geht, schert es einen nicht, wenn jemand stirbt, denn man erstellt ja immer neue Nachfolger. Zwar dürft ihr nicht frei speichern, so dass jeder Tote permanent futsch ist. Aber als Boss dieser nekromantischen Massenproduktion hat man es nach dem Tutorial auf dem zweiten Schwierigkeitsgrad noch nicht so schwer – da kommt man ganz gut durch. Allerdings wird es danach kniffliger.

 

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