Die Angst im Nacken

Selten hatte ich beim Durchschreiten eines Korridors ein so mulmiges Gefühl wie bei P.T., Hideo Kojimas spielbarem Teaser zu Silent Hills. Schon allein durch den fiesen Einsatz verstörender Klänge sorgte die Gang-Schleife beim Spielen im Dunkeln dafür, dass die Nerven schnell blank lagen. Gone Home lebte dagegen in erster Linie von einer berührenden Geschichte, deren Mosaike sich während der Erkundung des verlassenen Hauses durch den Fund von Notizen, Gegenständen und Einrichtungen langsam zu einem Gesamtbild zusammenfügten, dessen emotionale Kraft vor allem durch die hervorragende Sprecherin getragen wurde.

Und es wird schnell klar, dass sich die Entwickler zumindest hinsichtlich der Spielmechanik an unserem Spiel des Jahres 2014 orientieren. Nach meiner Intro-Entführung wache ich in einem verschlossenen Zimmer auf. Kaum nähere ich mich den zahlreichen Schränken und Kommoden, blinken mir auch schon die Umrisse von Schubladen sowie Türen entgegen und laden mich zur Interaktion ein. Was man beim Durchwühlen findet, ist ebenfalls keine große Überraschung: Neben diversen (unnützen) Gegenständen wie Gläsern, Tellern, Vasen oder Taschen entdeckt man u.a. auch Streichhölzer zum Entzünden von Kerzen, Schlüssel oder Notizen, in denen man Schritt für Schritt das

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Das Anwesen bietet die typischen Herrenhaus-Elemente. Aber eine echte Bedrohung sucht man hier vergeblich. © 4P/Screenshot

Geheimnis und dem Grund für die Entführung in dieses abgelegene sowie verschlossene Anwesen erfährt. Das weckt mit seinen engen Gängen sowie mitunter prächtig eingerichteten Räumen leichte Erinnerungen an die Spencer-Herrenhaus aus Resident Evil.

Keine Bedrohung

Allerdings gibt es ein paar entscheidende Unterschiede zu Capcoms Zombiehatz: Abgesehen davon, dass man das Geschehen hier aus der Ego-Ansicht erlebt, gibt es in dem Haus der Caravans keine Bedrohung. Das ließe sich noch verschmerzen, wenn man zumindest das Gefühl hätte, dass jeden Moment etwas passieren könnte. Aber genau hier versagt das Spiel auf ganzer Linie: Weder die Musik und die zufällig eingestreuten Billig-Soundeffekte wie Knarzen oder Rumpeln noch die angestaubte Kulisse schaffen es, einen Hauch von Spannung aufzubauen. Selbst die wenigen gezielten Schockeffekte, bei denen sich z.B. plötzlich ein Fenster öffnet oder Blätter von draußen in das Anwesen wehen oder das Umfallen einer Ritterrüstung wirken einfach nur billig. In diesem Zusammenhang den Namen P.T. zu erwähnen, grenzt schon an eine Beleidigung, denn hinsichtlich der Horror- und Terroraspekte könnte das durchweg enttäuschende House of Caravan nicht weiter von dem beklemmenden Silent-Hills-Appetizer entfernt sein.

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Das Inventar-Management ist nur ein Teil der misslungenen Steuerung und Spielmechanik. © 4P/Screenshot

Dass man eine Geschichte ordentlich anhand von Notiz-Zetteln und der allgemeinen Kulisse erzählen kann, hat Gone Home eindrucksvoll bewiesen. Doch auch in diesem Bereich kann Rosebud nicht überzeugen, obwohl zumindest die mysteriöse Situation und auch deren Auflösung einen durchaus interessanten Ansatz bilden: Gab sich Fullbright Games beim Design der Notizen richtig Mühe und ließ die Tagebucheinträge von einer professionellen Sprecherin vortragen, gibt es hier lediglich hässliche Standard-Textboxen zu sehen, deren Inhalt von amateurhaften Akteuren mehr schlecht als recht runtergelesen wird. In diesem Zusammenhang erweisen sich auch die redundanten Sprüche des Protagonisten schnell als nervig: Vor jeder verschlossenen Tür oder Kiste gibt er ein „I need something“ von sich und muss jede Aufnahme eines Gegenstands überflüssigerweise auch noch kommentieren – ganz schlimm! Etwas besser schlagen sich die deutschen Untertitel, die teilweise aber von kleinen Fehlern oder einer viel zu späten Einblendung bei zentralen Stellen wie der Zusammensetzung von Papierfetzen eines (englischen) Briefes betroffen sind.


  1. Schade eigentlich, hätte ich über ein gutes Exemplar ohne "Gegner" mit halbwegs akzeptabler* Grafik mal gefreut.
    Naja, weiter warten.
    Aber: Muss dann auch nicht in einem Herrenhaus sein. Ein weiteres Areal wäre schon gut. Muss ja nicht mal was furchtbar kreatives sein.
    (*einer der seltensten Fälle in dem mir persönlich das wichtig ist)

  2. Jazzdude hat geschrieben:Guck dir nen anständigen Walkthrough an. Aber im dunkeln und einen ohne Kommentare.
    Holy f...
    Also das war echt hart. Sounddesign und Optik sehr beeindruckend. Der quietschende Sound bei den ersten Durchgängen durch "die Schleife" erinnert stark an den aus dem originalen Ring, immer wenn Sadakos Einfluss zu spüren ist. Diese Fox-Engine kann was! Abgefeiert habe ich subtilerweise die chromatischen Aberrationen.
    Spoiler
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    Bild
    Ähnlicher Effekt wie bei der zu Half-Life 2-Zeiten populär gewordenen simulierten Bewegungsunschärfe beim Drehen der Spielfigur, nur eben hier simulierte Farbfehler, wie man sie von Kameras kennt. Ich find's genial. Es dürfte horrormäßig für meinen Geschmack etwas subtiler hergehen. Die ständige Angst nach einem Monstergesicht-Jumpscare ist mir dann doch etwas zu einfach.
    Schade, dass Kojima draußen ist. Die Fox-Engine stamm doch aus seiner Firma. Ist durch Kojimas Gehen daher nicht das Projekt, so wie es hier angefangen wurde, in Gefahr? Del Torros Einfluss möcht ich auch nicht missen.

  3. Jazzdude hat geschrieben:Guck dir nen anständigen Walkthrough an. Aber im dunkeln und einen ohne Kommentare.
    Yay, danke für den Tipp. :D
    Werd ich heute Abend mal machen.

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