Güldener Lebensretter

Nur noch ein kleiner Schritt und das Leben der 21-jährigen Alfre Holland würde ein Ende finden. Die einzigen Konstanten in ihrem bisherigen Leben sind regelmäßige Besuche bei der Jugendrichterin, Raufereien mit den Gangs im New-Yorker-Problemstadtteil Hell’s Kitchen und eine kleine, schimmlige Behausung. Hier leistet zwar wenigstens Katze Homer etwas Beistand, das ändert jedoch nichts daran, dass Frey, so der Spitzname des Waisenkinds, keinen Ausweg mehr sieht. Doch gerade, bevor sie zum Sprung vom Hausdach ansetzt, wird sie von einer magischen Energiewelle durchdrungen, die ihren Ursprung in einem scheinbar achtlos abgelegten Armreifen findet. Als sich Frey den Schmuck überstreift, wird sie sofort an die Handschellen erinnert, die sie schon oft vor Gericht tragen musste. So gibt sie dem Armreifen den Namen Cuff und wird nur Sekundenbruchteile später in ein lilafarben schimmerndes Dimensionstor gesogen.

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In Cipal warten lange Gespräche und langweilige Aufgaben. © 4P/Screenshot

Auf der anderen Seite angekommen, blickt sich Frey verwundert um, kann aber nicht verhindern, dass sich das Tor wieder schließt und findet sich dann in einer wundersamen Welt wieder: Willkommen im Königreich von Athia! Oder besser: Was davon übrig ist. Denn ihre ersten Schritte führen sie durch verfallene Gebäude, überwucherte Burg-Ruinen und geben erst spät den Blick auf eine weiße Stadt am Horizont frei. Freys erstes Ziel ist dann auch diese Stadt und nach einem unsanften und unfreundlichen Empfang, erfährt sie, dass sie sich im Reich Athia aufhält und die Menschen in der Festung der Stadt Cipal Schutz vor einer unbekannten Bedrohung suchen, die bereits zahlreiche Opfer gefordert hat. Nicht nur viele Bewohner des Reiches sind dem Wahnsinn verfallen, auch die Tierwelt ist in den letzten Jahren komplett durchgedreht. Hirsche, Steinböcke, Krokodile und weitere Wesen, haben sich in Monster verwandelt, die nur noch entfernt an das Ausgangsmaterial erinnert und nun genauso gefährlich, wie angriffslustig und tödlich sind.

Die Stadt des Gameplay-Grauens


In Cipal warten nach ihrer Ankunft einige Aufgaben auf Frey, die der Spieler erst einmal abspulen muss, um dann endlich in die Weiten von Athia entlassen zu werden:  Neben Gesprächen mit den Bewohnern und dem über ihre Ankunft aufgebrachten Klerus, gilt es Ziegen zu füttern, Katzen zu jagen oder sich in der Bibliothek Bücher über die Geschichte des Reiches durchzulesen – das ist nicht optional und schmerzt noch mehr, wenn vor praktisch jeder Handlung eine ca. dreisekündige Schwarzblende eingeschoben wird, die den Spielablauf empfindlich bremst. Es wird aber noch besser, denn der Armreif von Frey ist ein echtes Plappermaul und gibt in feinstem British English (bei englischer Sprachausgabe) seinen Senf zu praktisch jeder Aktion der Protagonistin. Das große Problem, das sich durch den gesamten Spielverlauf von Forspoken zieht, ist die Tatsache, dass Frey in rund 50 Prozent der Fälle am Boden festgenagelt ist. Als Faustregel gilt hier: Wenn Cuff story-relevante Dinge vom Stapel lässt, dann darf der Spieler in diesen 60 bis 180 Sekunden keinen einzigen Schritt tun. Was zur Hölle!?

Erschwerend kommt hinzu, dass die Gesichter von Personen, die beim Gespräch nicht in eine vergrößerte Dialog-Ansicht gezogen werden, nur mit sehr wenigen Details aufwarten können. Befindet sich ein Gesprächspartner mehr als vier Meter weit weg, ist das Gesicht kaum noch zu erkennen. Und selbst in den Zwischensequenzen wird eine glaubwürdige Lippensynchronität in den meisten Fällen schmerzlich vermisst. Befinden sich dann noch mehrere Personen gleichzeitig in einer Szene, schreit auch das nach dem Performance-Doc. Denn dann sehen einige Gesichter fast so detailarm und texturlos aus, als hätte der Spieler Vaseline auf seinen Bildschirm geschmiert. Diese technischen Unzulänglichkeiten und seltsamen Design-Entscheidungen erzeugen also bereits einen schalen Geschmack im Mund, noch bevor der Spieler endlich das ausprobieren darf, worauf er sich schon seit den ersten Trailern zu Forspoken freut: Die Erkundung der halboffenen Spielwelt per Turbo-Magie!

  1. Uwe sue hat geschrieben: 23.01.2023 18:47
    GoodOldGamingTimes hat geschrieben: 23.01.2023 18:09 7/10?? So gut??
    Nach dem ich jetzt bei anderen Tests quergelesen habe, habe ich den Eindruck die alte 4Players hätte dem Spiel irgendwas um die 50% gegeben
    jörg hätte 53 gegeben - und das zu recht fürchte ich. mit grafikblendern konnte der nie!
    Jörg war nur gut für die historischen oder mythologischen Hintergründe....er hat das Spiel nie wirklich als bewertet .. da ging einiges in die Hose damals....da waren alle anderen tester mehr wert in ihrer Meinung....dem musste man schon ähnlich sein um seine Tests zu verstehen ...

  2. Also, nach einem halben Dutzend Rezensionen (ich habe noch nicht gespielt) beginne ich zu verstehen, was dieses Spiel ist:
    - Starke innovative Kampftechniken,
    - dazu starke innovative Parkour-Techniken,
    - (beides ohne gründliche Implementierung von Herausforderungen),
    - tolles World-Building (ohne Umsetzung),
    - großartiges Konzept von Story-Arc & Heldenreise
    - (mit schlechtem Writing auf den einzelnen Dialog bezogen)!
    Es läuft alles irgendwie auf dieses Bild hinaus:
    + Möglicherweise großartiger Spieldesigner,
    + OHNE Unterstützung von seinem Studio, um seine Vision zu verwirklichen,
    + das Studio überstürzt die Veröffentlichung und melkt (die Scheiße) aus einem halbwüchsigen Kalb (sorry für dieses Bild),
    anstatt das Projekt von Anfang an zu Ende zu bringen.
    Und jetzt bin ich sauer.

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