Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1(Action-Adventure) von Electronic Arts Credit: EA Bright Light / Electronic Arts

Serious Harry

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Video: Was hier noch schnell und actionreich aussieht, entpuppt sich als öde Aneinanderreihung immergleicher Ballereien, gewürzt mit furchtbaren Egoperspektiven-Abschnitten.

Ja, in den letzten Harry Potter-Büchern und -Filmen ging es grundsätzlich actionreicher zur Sache als zu Beginn der Serie. Klar, die Protagonisten wurden erwachsener, die erlernten Zaubersprüche mächtiger, die gegnerischen Reihen um Voldemort immer aggressiver. Und trotzdem hätte ich nicht damit gerechnet, dass sich die Serie mit Rowling-Segen irgendwann mal in die Niederungen eines Billig-Shooters herablässt. Denn nichts anderes ist Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 1 (HP7). Das geht schon im ersten Level los: Harry sitzt im Seitenwagen von Hagrids Motorrad, während er damit durch die Lüfte fliegt – und die Todesser angreifen. Stupor, Stupor, Stupor, Stupor, Stupor, Stupor, Stupor, Stupor, Stupor, Stupor, Stupor – so, das war die erste Welle. Von fünf oder sechs, alle identisch aufgebaut. Steht eure Konsole auf Englisch, wird’s auch nicht besser, denn dann bekommt man Stupefy, Stupefy, Stupefy, Stupefy, Stupefy, Stupefy, Stupefy, Stupefy, Stupefy, Stupefy, Stupefy, Stupefy zu hören. Und das nicht mal von den Original-Sprechern: Lediglich Rupert Grint (Ron Weasley), James und Oliver Phelps (die Weasley-Zwillinge) sowie Nebenfiguren wie Evanna Lynch (Luna Lovegood) und Tom Felton (Draco Malfoy) beliefern ihre Polygon-Pendants mit ihren Stimmen, für die anderen mussten Fremdsprecher herhalten. In der deutschen Fassung kommen wenigstens die Original-Synchronsprecher zu Wort.

Zurück zu Geballer: Hat man die ersten zehn Millionen Stupor abgefeuert, geht’s in den nächsten Level, wo einen das Gleiche nochmal erwartet. Ballert man genug herum, gibt’s auf einmal die Meldung, dass Harry im Rang aufgestiegen ist – huch, wie, wo was? Ah, im Pausenmenü verrät ein Balken, welchen Level Herr Potter gerade hat; wo der herkommt, was man dafür machen muss, alles ein Mysterium. Also stuport man weiter, steigt irgendwie auf, die Sprüche werden wirkungsvoller, es gibt neue Zauber. Die, und hier kommt die Genialität des Spieldesigns, im Wesentlichen Pendants von Waffen sind: Ist »Stupor« das Gewehr, dann ist »Expulso« das MG und »Expelliarmus« der Raketenwerfer. Serious Harry – so weit ist es also schon gekommen.

Der Hirsch, der keiner ist

Nicht das man jemals etwas anderes einsetzen müsste als Stupor, denn die gegnerische KI ist dumpfer als Vincent Crabbe: Eine schwarze Wolke macht Flupp, heraus kommt ein immergleicher Todesser, der nach ein paar gutgezielten Stupor schon wieder von dannen pufft. Normalerweise bleiben sie auch steif stehen wie ein Basiliskenopfer, gelegentlich rennen sie aber mit bemerkenswertem Elan einfach an der Potter Gruppe vorbei und warten geduldig auf ihr Verschwinden. Insofern ist es schon ganz praktisch, dass das Deckungssystem des Spiels komplett unnütz ist: Theoretisch kann sich Harry hinter größeren Objekten verstecken. Praktisch ist das System aber nicht nur extrem unzuverlässig sondern auch überhaupt nicht nötig – man muss sich schon Mühe geben, um von Voldemorts schwachmatigen Schergen getroffen zu werden. Und da wundert er sich, warum seine Weltherrschaftspläne einfach nicht vorwärts kommen. Etwas herausfordernder wird das Spiel, wenn man es nicht mit Todessern, sondern mit Dementoren zu tun bekommt. 

Alles an diesem Spiel ist unterirdisch: Die Präsentation, das Missionsdesign, die Gegner-KI – selbst das Deckungssystem ist eine Katastrophe!
Denen ist Stupor schnurz, sie reagieren nur auf einen Patronus allergisch. Den auszulösen ist nicht nur fummelig (Taste antippen und dann eine Zeit lang halten), sondern für Potter-Fans auch enttäuschend: Statt eines majestätischen Hirsches produziert Harrys Zauberstab hier einfach einen silbernen Blubbel.

Während der normale Shooter aus der Schulterperspektive gezeigt wird, wirft sich Harry in einigen Abschnitten seinen Unsichtbarkeitsmantel um die Schultern und schleicht fortan aus der Ego-Ansicht durch den Level. Das wird durch mehrere Faktoren verkompliziert: Zum einen hält die Unsichtbarkeit der Klamotte nur eine Zeit lang an – man muss still stehen, um den Unsichtbarkeitsvorrat (?) wieder aufzufüllen. Das sollte man aber besser in einer sehr ruhigen Ecke machen, denn wenn man von einer Person berührt wird, wird man sofort sichtbar und damit im Normalfall auch sofort angegriffen. Kein Problem, sagt sich Snake Potter, dann schleiche ich eben jedem aus dem Weg. Wohl Problem, sagt Harry Kautz, denn die Personen der Umgebung werden wild  in den Levels hin und her platziert – hat man Pech, taucht ein NPC unerwartet direkt neben einem auf.

Die Wiedergabe der komplexen Geschichte war schon immer eine der Schwächen der Potter-Spiele – aber das war noch nie so auffällig wie in HP7: Wer keine Ahnung hat, wer Voldemort, was ein Horcrux oder der Klitterer ist, der braucht die DVD gar nicht erst ins Laufwerk zu befördern – es wird nichts erklärt, gar nichts. Dafür gibt es aber ein paar Missionen, die mit Buch und Film nichts zu tun haben, und die man in beliebiger Reihenfolge absolvieren muss, bevor es mit der Hauptgeschichte weiter geht.

Zu Tode gefuchtelt

Neben der Kampagne gibt es noch die Herausforderungen: Das sind 15 simple Missionen (unterteilt in drei Schwierigkeitsgrade), die mit Online-Highscorelisten verbunden sind. Mal muss man möglichst schnell Gegner erledigen, mal so flott wie es geht flüchten. 360-Spieler haben überdies noch das fragwürdige Vergnügen einer Kinect-Einbindung, die glorreicherweise alles betont, was es an dem System zu kritisieren gibt: Es vereinfacht nochmals das Spielprinzip (das jetzt zum Railshooter wird) und es steuert sich einfach grauenvoll! Der normale 
360-Spieler dürfen ein paar separate Missionen auch per Kinect kontrollieren – und damit ungeahnte Steuerungs-Abgründe erkunden.
Stupor geht noch leicht von der Hand (einfach mit dem rechten Arm nach vorn wedeln), alles andere dagegen ist komplett zufallsbasiert: Ob Expelliarmus (den rechten Arm eine Weile oben halten, dann nach vorne feuern), Explosivfläschchen (den linken Arm von unten nach oben schwingen) oder Protego (beide Arme schützen nach vorne halten) – bis man das vermaledeite System nach sieben, acht, neun, zehn Versuchen dazu gebracht hat, endlich den richtigen Zauber zu erkennen, ist man entweder schon lange hinüber oder hat sich auf Stupor beschränkt. Dieses höllische Vergnügen darf man sich übrigens auch zu zweit gönnen.

In Sachen Präsentation gibt es nur eine gute Nachricht: Der dramatische Soundtrack ist wirklich toll – der Rest dagegen eine Schande für den großen Namen! Die Levels präsentieren sich Grau in Grau, matschige Texturen prägen das Bild. Steif sprinten die Figuren herum, die zwar ihren Film-Pendants ähnlich sehen, aber aus der Nähe betrachtet wächserner wirken als der dunkle Lord persönlich. Spielt es noch eine Rolle, dass das Gezeigte nicht nur voller Pop-Ups in mittlerer Entfernung ist sowie immer wieder herzerweichend ruckelt? Immerhin sehen alle Fassungen mit Ausnahme der Auflösung im Großen und Ganzen gleich aus. Was nicht für die Wii-Version, sondern gegen die Fähigkeiten der Designer spricht.

     __NEWCOL__

  1. Interessant, dass so ein schlechtes Spiel immerhin 6 Seiten Diskussionen schafft :D
    Die ersten beiden Filme waren, wenn auch kindisch, eigentlich gut gemacht, der dritte war aber - wie das Buch - inhaltslos. Den vierten habe ich gelesen, den Film fand ich gut, den fünften habe ich nicht gelesen, der Film war so lala.
    Der 6. Film war richtig mies. Vor Allem im Vergleich zum Buch.
    Der 7. Film hat mich deshalb positiv überrascht. Als ich im Kino saß und erst die Werbung für das Spiel, dann für AC: Brotherhood sah, dachte ich auch, hier werden mehr Besucher Ersteres kaufen, welche Schmach. Aber dass es so schlecht sein würde, hätte ich echt nicht gedacht.
    Aber Lizenzspiele, was erwartet man :D?

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