Aller Anfang ist Polly

Harmony: The Fall of Reverie beginnt erst einmal ganz gewöhnlich: Als Polly kehre ich viele Jahre später in die Heimat zurück: Atina. Eine Insel im Mittelmeer, die mittlerweile quasi im Besitz eines von im Kapitalismus getränkten Megakonzerns ist – Polizei, Krankenhäuser, Versicherungen, Schulen und so weiter stehen unter der Kontrolle von MK. Überall schwirren Drohnen in der Luft, die Gesichter scannen und verdächtige Gespräche  

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Fast schon eine Cyberpunk-mäßige Atmosphäre: Atina wird durch einen Mega-Konzern geleitet. © 4P/Screenshot

aufnehmen; es soll ja schließlich niemand aus der Reihe tanzen – Orwell lässt grüßen, wenn auch längst nicht so ausgereift. Viel hat Polly davon nicht mitbekommen, denn sie verbrachte die letzten Jahre im Ausland, nachdem sie in ihrer Jugend immer wieder Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter Ursula hatte.

Ursula ist jedoch der Grund, warum Polly doch noch einmal zurückkehrt, denn ihre Mutter ist plötzlich verschwunden. Alles was sie zu Hause noch findet ist eine auffällige Kette, die sie beim Anlegen auf einmal in eine Parallelwelt saugt: Reverie, die Heimat von götterähnlichen Bestrebungen, wie Seligkeit, Macht oder Bindung. In Reverie leben diese sonst für die Menschheit eher abstrakten und vielmals philosophischen Konzepte und greifen hier und da mal in der echten Welt ein, je nachdem wie es ihnen selbst beliebt.

Die Bestrebungen sind dabei optisch und charakterlich ziemlich genau so dargestellt, wie man es vermutet: Macht ist ein groß gewachsener, kräftiger Mann, der seine Emotionen nicht immer unter Kontrolle hat. Bindung wiederum ist eher ruhig und setzt stark auf die Beziehungen untereinander, während Seligkeit durchgängig eine absolute Frohnatur ist, die nichts mehr hasst, als Streit und Zwist. Und mittendrin sind wir als Polly, die aber in Reverie nicht sie selbst ist.

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Der Kodex hilft, falls ich mal Dinge vergessen habe, und liefert Hintergrundinformationen. © 4P/Screenshot

Stattdessen wird sie dort zu Harmonie, einer eigenen Bestrebung, die über die Macht verfügt, in die Zukunft zu schauen und dafür zu sorgen, dass das Gleichgewicht beider Welten bestehen bleibt. All das wirft Harmony: The Fall of Reverie mir in den ersten 20 bis 25 Minuten entgegen und liefert damit eine geballte Ladung an Hintergrundwissen, welches man erst einmal verarbeiten muss. Hinzu kommen zusätzliche Informationen zu Atina und Reverie selbst, die in einem Kodex Platz finden, den ich jederzeit aufrufen kann, falls ich doch einmal wieder vergessen habe, was Egregore eigentlich ist. Zur Info: Es ist eine bläulich wirkende Flüssigkeit, die als “Textur der Träume” bekannt ist und frei zwischen den Welten fließt.

Story mit Plan

Wie und weshalb Reverie mit Atina zusammenhängt, was das Verschwinden von Pollys Mutter mit alldem zu tun hat und warum MK ein noch viel durchtriebeneres Spiel im Hintergrund treibt, klärt sich anschließend in der etwa sieben bis acht Stunden langen Geschichte. Eine Geschichte, deren Ausgang ich mit der Mantik selbst bestimme, zumindest ein Stück weit.

Die Mantik ist das Netz hinter der Story von Harmony: The Fall of Reverie und symbolisiert das “in die Zukunft schauen” meiner Protagonistin. Mithilfe von Knotenpunkten und Verknüpfungen zeigen mir die Entwickler auf,

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Gibt es zu Beginn nur wenige Abzweigungen, nimmt das Ausmaß der Mantik später deutlich zu. Je nachdem wie man sich entscheidet, wird man aber nur einen Bruchteil tatsächlich spielen können. © 4P/Screenshot

welche Auswirkungen meine jeweiligen Entscheidungen haben. Nie im Detail, oft nur vage und manchmal auch gänzlich versteckt, soll ich mir so nach und nach einen Plan schmieden, wie ich die Geschichte auf meine Art und Weise beeinflusse. Dabei sind die Entwickler sogar so offen, dass sie mir schon vorab verraten, welcher Knotenpunkt zu welchen Abzweigungen führt und welche Wege ich mir dadurch versperre, zumindest für das jeweilige Kapitel.

Dieses Story-Skelett steht im Zentrum der ansonsten kaum vorhandenen Spielmechaniken von Harmony: The Fall of Reverie. Während ich in Life is Strange oder vergleichbaren erzählerischen Adventures oftmals spontan zwischen Entscheidungen wählen muss, ohne die Konsequenzen vorab zu erfahren, kann ich mir in Harmony fast schon einen Plan vorab zurechtlegen. Zumindest in der Theorie, denn ganz so simpel ist es dann doch nicht.

  1. Nachdem ich inzwischen Act 3 abgeschlossen habe, muss ich sagen, dass ich die relativ hohe Wertung nicht nachvollziehen kann. Das Spiel ist langweilig und damit maximal eine 5/10.
    Diese Augural Funktion ist nicht nur erzählerisch wertlos, sondern oft eher sinnlose Beschäftigung. Man klickt auf einen Node "gehe schlafen" und dann kommt kurz ein Bild und da steht "ich schlafe schnell ein" und man ist wieder in der Übersicht und muss zum nächsten Node navigieren, und das sehr oft ohne, dass es irgendwelche Abzweigungen gibt. Das ist einfach nur schlecht... Dazu die lahme Präsentation. Da stehen sich zwei Figuren gegenüber und man ließt, dass die sich umarmen. Das hätte man ja durchaus visualisieren können, stattdessen immer die selben Standbilder und die immer gleiche Musik. Und die Story? Berührt mich überhaupt nicht. Uninspiriert und nicht im Ansatz emotional.
    Gut, dass Don´t Nod etwas neues probiert haben, aber auch 10€ sind dafür noch zu viel. Kauft euch lieber ein gutes Buch...Harmony ist jedenfalls sehr weit weg von der Qualität eines Pentiment oder der Emotionalität anderer Don´t Nod Produktionen. Schade.

  2. Gestern hatte ich mich gefreut...mal wieder ein Spiel, das unter dem Radar lag.
    Don´t Nod haben mich bisher immer zumindest solide unterhalten, und da es das Teil für unter 10€ gab, hab ich direkt zugegriffen.
    Nachdem ich gestern noch Act 1 Chapter 2 abgeschlossen habe, muss ich allerdings sagen, dass die Erzählweise für mich einfach nicht funktioniert. Das die Story noch komplett belanglos ist, liegt sicherlich an dem frühen Zeitpunkt, aber wie kommen die auf die Idee, dass es gut ist, in die Zukunft schauen zu können? Anstatt den Weg auszuwählen, den ich richtig finde, muss ich das machen, was mich zum Ziel führt, das ich erreichen will. Damit sind die Entscheidungen bereits vorher festgelegt. Was für eine blödsinnige Erzählstruktur...

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