Solide Spielmechanik

Immerhin kann man im vollen Zoom ein bewegtes Hauen und Stechen der kunterbunten Haufen beobachten, aber die Präsentation wirkt sowohl hölzern als auch steril – wer hier etwa Matsch, Blut und Schweiß erwartet, wird enttäuscht. Außerdem kann es trotz Standarten und Farbmarkierung schwierig sein, Freund und Feind sofort zu unterscheiden. Trotzdem ist das spielmechanische Fundament überaus solide: Man hat ja quasi ein Tabletop-Regelwerk digitalisiert, das in der 212-seitigen und hübsch designten PDF-Anleitung zwar nur auf Englisch studierbar ist, aber das Spiel selbst wurde gut ins Deutsche übersetzt. Außerdem werden Einsteiger im Tutorial mit allen wesentlichen Aspekten vertraut gemacht. Und die sollte man dringend beherzigen, denn FoG2:M erfordert Geduld.

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Auch im Winter wird gekämpft, das Gelände spielt eine wichtige Rolle. © 4P/Screenshot

Man muss das Gelände hinsichtlich Höhe und Boden sowie die Ausrichtung seiner meist in Hundertschaften organisierten Einheiten beachten, sollte Flanken angreifen und die Truppentypen von Rittern, Speerträgern über Bauern ihren Stärken entsprechend einsetzen. Schere, Stein und Papier gelten zwar, aber nur bedingt und in zig  Varianten, die klare Kenntnis des jeweiligen Truppentyps erfordern, denn trotz derselben Waffengattung ist hier die eine der anderen Speer-Einheit vielleicht überlegen, was auf den ersten Blick allerdings nicht klar ist. Man kann auf keinen Fall alles ohne Rücksicht nach vorne werfen, sonst riskiert man Chaos und Panik. Letztere ist besonders gefährlich, denn die Flucht eines gewissen Prozentsatzes des Feindes (meist 60%) ist eine Siegbedingung. Also gilt es auch die Qualität und Standhaftigkeit seiner Männer zu berücksichtigen.

Das Positionieren und Attackieren der Einheiten läuft über ihre Aktionspunkte, wobei auch deren Drehung etwas kostet – man kann also nicht einfach um 180 Grad schwenken und angreifen, sondern muss seine Bewegung im Gelände gut planen, was einiges an Voraussicht erfordert. Hier hilft es, dass man die Kamera weit herauszoomen und schwenken sowie Züge zurücknehmen kann. Es entsteht tatsächlich so etwas wie ein Schachgefühl, wenn man seine stark gepanzerte Kavallerie, seinen König und Heerführer, Bogenschützen, Speerkämpfer nacheinander aktiviert und bewegt, bevor der Computer seine Züge macht; es gibt also keine wechselnde Initiative.

Bindungen und Auflösungen

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Es bilden sich Scharmützel, die statisch wirken, aber auch in panischer Flucht aufgelöst werden können. © 4P/Screenshot

Mit der Zeit entwickeln sich klar markierte Scharmützel samt Kontrollzonen und Bindungen, die man nicht einfach auflösen kann, aber dennoch eine Eigendynamik entwickeln können. Während Verluste sowie Schwächen numerisch oder farblich angezeigt werden, kann es plötzlich irgendwo zur Flucht samt automatisierten Verfolgungen kommen – da sind nicht alle diszipliniert in der Befehlskette.

Das aktuelle Kräfteverhältnis wird dabei in Leisten aktualisiert, so dass man eine Pattsituation oder einen wachsenden Vorteil schnell erkennt. Schön ist, dass sich diese Schlachten noch überraschend entwickeln können, weil eine verloren geglaubte Stellung auf der einen Seite vielleicht doch gehalten oder eine starke Übermacht woanders doch einbricht.

Schlecht ist, dass auch so einiges wie ein Glücksspiel oder zumindest nicht nachvollziehbar wirkt, wenn sich von drei Seiten bedrängte Truppen über zig Runden halten oder man den König und Befehlshaber einfach mal so von der Seite angreifen kann, ohne dass er geschützt wird. Manchmal hat man das Gefühl, dass man klare Situationen mit eigenem Vorteil trotzdem nicht auflösen kann. Außerdem werden historisch Interessierte vermissen, dass sich die Ritter so einfach auch gegen Bauern & Co manövrieren lassen, wo sie doch eher Ruhm und Ehre sowie Lösegeld vor allem im Kampf gegen andere Ritter gesucht hatten; da wurden dann auch Duelle nach Wappen gesucht – diesen lange Zeit relevanten Aspekt in mittelalterlichen Gefechten findet man hier nicht. 

Schade ist auch, dass der Tod des Königs nicht zu deutlich größeren Einbrüchen der Moral oder gar zur Kapitulation führt, wie es häufig im Mittelalter der Fall war – stattdessen kann man den Befehl übetragen. Recht früh entsteht zudem eine gewisse Statik sich verkeilender Schlachtreihen, man vermisst mehr Flexibilität in der Bewegung, die manchmal unlogisch im Gelände eingeschränkt wird; gut ist wiederum, dass manche leichte Truppen auch durchsickern können.

Die Ohmacht des Langbogens

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Die Bewegung ist sehr wichtig, aber wird manchmal künstlich eingeschränkt. © 4P/Screenshot

Ärgerlich ist jedoch, dass die Bogen- und Armbrustschützen so wenig Wirkung zeigen, nach wenigen Runden keine Munition mehr und vor allem Erstere kaum Reichweite haben – selbst in erhöhter Position. Auch visuell ist das Auftreffen der Projektile kaum sichtbar, Zwar folgen die berühmten historischen Schlachten von Crécy (1346), Poitiers (1356) und Agincourt (1415) erst im Spätmittelalter, während FoG2:M ja nur die Zeit bis 1270 abbilden will, aber die Wirkung des Langbogens sowie der anderen Fernkampfwaffen verpufft hier etwas zu schnell.

Immerhin lässt sich der Schwierigkeitsgrad in sechs Stufen anpassen, auch dynamisch aufsteigend in den vier Kampagnen. Die widmen sich zwar speziellen Ereignissen (Angevinisches Reich, Kreuzzüge im Baltikum, Alexander Newski. Mongoleneinfälle), aber sind letztlich nur eine Aneinanderreihung von kurzen Entscheidungen sowie Schlachten mit vorgefertigten bzw. leicht modifizierbaren Armeen. Apropos: Es gibt auch einen Editor, der zig Kombinationen aus Truppen und Völkern für eigene Kampagnen oder Schlachten auf Zufallskarten erlaubt, und einen Multiplayer (läuft über Slitherines PBEM+++), bei dem ihr zu zweit online gegeneinander antreten könnt.

  1. Field of Glory hab ich nie gezockt, darum als Frage, weil ich Field of Glory Empires als eher Strategietitel mit Landkarte kenne: Laufen die Züge auch wie in FoG Empires simultan ab, also das man den Einheiten lediglich Anweisungen gibt was sie tun oder wohin sie gehen sollen, während diese Befehle dann gleichzeitig mit dem des Gegners ausgeführt werden, zusammen am Ende einer Runde? Oder ist es wie gewöhnlich, das man den eigenen Zug hat und der Gegner hat auch einen eigenen?
    Das war sehr gewöhnungsbedürftig, aber auch schwieriger, weil man nicht so gut vorausplanen kann. Eine feindliche Armee kann sich z.B. schon gar nicht mehr dort befinden, wo man sie angreifen wollte, weil sie simultan wegrennt während die eigene Armee auf das Feld marschiert.

  2. Rein von der Aufmachung her leider wie immer bei Slitherine etwas schwach. Allgemein war mir das Field of Glory Spielsystem, auch auf dem Brett mit Figuren viel zu langatmig und zu zäh. Nichts desto trotz schön das man so konsequent diesen Nischen Markt beliefert.

  3. Danke für den ausführlichen Test. Ich mag games von Slitherine und das pbem von denen ist prima. Genau das richtige für die Jahreszeit und corona bei dem man sich nicht so einfach mit dem Freund am Spielbrett treffen kann.

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