Hinzu kommen in vielen Fällen seltsam niedrige Trefferwahrscheinlichkeiten sowie Ärgernisse wie das folgende: Will ich einen meiner Charaktere heilen, läuft die aktuelle Figur doch glatt vier Felder weit und stellt sich ohne Deckung neben den Verwundeten – obwohl sie zu Beginn des Zugs bereits direkt neben ihm in Deckung hockte! Ich verstehe auch nicht, weshalb man die Fähigkeit, mit der Kämpfer nach besonders langen Bewegungen noch eine Aktion ausführen können, manuell aktivieren muss, wenn sie ohne Abklingzeit ohnehin bei jedem Zug zur Verfügung steht. Das ist für sich genommen eine Kleinigkeit, lässt aber durchschimmern, wie wenig Zeit die Entwickler auf wichtige Feinarbeit verwendet haben.

Hatte ich zuvor außerdem beschrieben, dass man jederzeit in Kämpfe unter verfeindeten Bossen geraten kann, so sei jetzt auch erwähnt, dass man in diese Kämpfe gar nicht eingreifen darf. Man hat dann angeblich keine Ziele, obwohl man sonst jederzeit alle Lokale betreten und selbst die Wachen verbündeter Imperien attackieren kann. Ich musste daher schlicht warten, bis ein solcher Rundenkampf vorüber war – eine ulkige Spielsituation. Auf jeden Fall keine besonders spannende.

Mission Impossible

Ähnlich unausgegoren wirkt die Benutzerführung, sei es beim Ausrüsten der Kämpfer oder beim Verwalten der Familienangelegenheiten, denn viele Menüs sind grundsätzlich zwar gelungen, im Detail aber dermaßen unübersichtlich und unhandlich, dass mir schnell die Lust daran verging. Dass man die unglaublich lange Liste eigener Etablissements etwa nicht mit dem Mausrad durchsuchen kann, ist ein Unding. Ich musste das Spiel außerdem immer dann neu starten, wenn sich zwei bestimmte Menüs dauerhaft so überlagerten, dass eins von beiden nicht mehr benutzbar war. Unübersichtlich ist ja sogar Chicago selbst, da jedes Viertel mit seinen ausschließlich rechtwinklig angeordneten Straßen praktisch gleich aussieht, weshalb das Durchkämmen der Stadt furchtbar öde ist.

[GUI_STATICIMAGE(setid=89997,id=92631298)]
Auch die Missionen machen keinen Spaß – nicht nur wegen starrer Ansichten wie dieser. © 4P/Screenshot

Gut gedacht sind schließlich Missionen, die kleine Geschichten erzählen und sich z.T. um den Boss, oft aber natürlich um das kriminelle Geschehen in Chicago ganz allgemein drehen. Die bringen Farbe ins Spiel, sind aber ebenfalls in einem langen Menü so gleichförmig gestapelt, dass man schnell den Überblick verliert und vor allem kaum Prioritäten setzen kann. Noch schlimmer ist, dass man etliche Missionen nicht einmal beenden kann, weil das Programm einfach nicht den dafür notwendigen Haken setzt. Weil das alles für die Entwicklung des eigenen „Unternehmens“ ohnehin belanglos ist, habe ich diese kleinen Geschichten irgendwann fast komplett ignoriert, was der Freude am Spiel ähnlich zuträglich war wie die restlichen Fehler.

Empire of Bugs

Und dann wollen die konkurrierenden Bosse auch noch ständig mit einem reden, weshalb man fast immer auf dem Weg zu einem grünen Tisch ist, um einen Waffenstillstand auszuhandeln, gemeinsam gegen einen Kontrahenten vorzugehen oder lediglich ein Geschäft vorzuschlagen. Cool natürlich, dass der Ruf des eigenen Alter Ego dessen Eigenschaften und damit seine Gesprächsoptionen beeinflusst; die Drohung eines gefürchteten Bosses zieht eben mehr als die eines Neueinsteigers. Doch erstens hat man die immer gleichen Dialoge sehr bald mehrmals gelesen und zweitens weiß man bei vielen angebotenen Deals gar nicht genau, worauf man sich eigentlich einlässt. Die Beschreibungen sind viel zu schwammig, als dass man eine vernünftige Entscheidung treffen könnte, weshalb ich die häufigen Gespräche bald satt hatte.

Zu allem Überfluss begann während eines solchen Gesprächs ein Gefecht, in das offenbar irgendwelche meiner Leute verwickelt waren. Die Kamera fuhr deshalb auf die Übersichtskarte hinaus – zeigte mir aber nicht an, wo gekämpft wurde. Ich konnte also weder den Kampf austragen noch in das Gespräch zurück, weshalb mir einmal mehr nur der Neustart blieb. Weder kann noch will ich all die kleinen Fehler aufzählen, denen man hier begegnet. Seid aber gewarnt, dass manche Überraschung auf euch wartet.

  1. artmanphil hat geschrieben: 20.12.2020 16:45
    Crime Solving Cat hat geschrieben: 17.12.2020 18:42 Wirklich ärgerlich. Hatte da meine Hoffnung drauf so als gemütliches Tüftelding nach dem grandiosen Desperados 3. Zu schade, dass sie es in den Sand gesetzt haben. Das Setting ist eigentlich nett.
    Aber dass Desperados 3 von einem ganz anderen Studio ist, ist Dir bewusst, oder?
    Falls Du meinst, es sei nach Despo3 schön, ein anderes Tüftelspiel zu spielen, wie wäre es dann mit anderen Titeln von Mimimi, wie Shadow Tactics, oder etwa rollenspieliges wie Wasteland 3?
    Ging mir nicht ums Studio sondern nur ums Spielgefühl. Und dafür hatte ich natürlich ShadowTactics und Wasteland 3 schon :D

  2. Er hat das Spiel doch gar nicht gemacht. :) Abgesehen davon war er in den letzten Jahren aber auch mal in Genres unterwegs, mit denen man ihn sonst nicht verbindet. Das hat nur kaum jemand mitbekommen.

  3. Hawke16 hat geschrieben: 17.12.2020 22:53 Das nächste Meisterwerk des Daikatana Entwicklers :lol:
    Anscheinend bin ich der einzige, der Daikatana trotz Popel-Grafik und John-Romero-Leveldesign mochte.
    Warum er jetzt auf ein Gebiet wechselte, von dem er nicht so viel Ahnung hat, verstehe ich nicht.

  4. Crime Solving Cat hat geschrieben: 17.12.2020 18:42 Wirklich ärgerlich. Hatte da meine Hoffnung drauf so als gemütliches Tüftelding nach dem grandiosen Desperados 3. Zu schade, dass sie es in den Sand gesetzt haben. Das Setting ist eigentlich nett.
    Aber dass Desperados 3 von einem ganz anderen Studio ist, ist Dir bewusst, oder?
    Falls Du meinst, es sei nach Despo3 schön, ein anderes Tüftelspiel zu spielen, wie wäre es dann mit anderen Titeln von Mimimi, wie Shadow Tactics, oder etwa rollenspieliges wie Wasteland 3?

  5. Chwanzus Longus hat geschrieben: 19.12.2020 13:55 "Leider haben wir im Test bemerkt, dass..."
    wieso "leider"? 😇
    Schlimm waers gewesen, wenn nicht bemerkt worden waere, dass es kein gutes Spiel geworden ist. Aber ich nehm mal an, dass man sich einfach unglücklich ausgedrückt hat. 😋
    Finde das ja nach wie vor nicht unglücklich. Ich weiß natürlich, was du meinst. :) Aber wenn man feststellt, dass ein Spiel gravierende Fehler hat, ist das doch sehr wohl bedauerlich.

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.

Seite 1