Neuer Wein in alten Schläuchen
Es ist fast wie Heiligabend im Jahre 1990: Ich sitze über ein fiepsendes Kästchen gebeugt und hacke wie hypnotisiert darauf ein. Diesmal tummeln sich zwar keine Tetris-Klötzchen, sondern bunte Kreise auf dem Bildschirm, doch die Spielidee fühlt sich fast so frisch an wie seinerzeit Alexei Paschitnows Meisterwerk.
Das Runde muss ins Runde: Besitzt ein Planet die richtige Größe und Farbe, wird er mit dem Finger in den dünnen Kreis (wie der links oben) geschoben und explodiert. |
Auch die Sucht schlägt wieder erbarmungslos zu. Das neue an Steph Thirions kleinem Puzzlespiel ist die Tatsache, dass er den Multitouch-Bildschirm von Apples Multimedia-Kästchen auf clevere Weise voll ausnutzt: Bis zu fünf Finger schieben gleichzeitig Planeten über den Bildschirm.
Den Himmelskörpern hat der Entwickler ein äußerst minimalistisches Design verpasst. Auch der Rest des Spiels zaubert Fans schlichter Retro-Ästhetik ein breites Grinsen aufs Gesicht. Die stilisierten Sonnen, Supernovas und das einfach gehaltene Menü passen genau so gut zur simplen aber fesselnden Spielidee wie die warm vor sich hindudelnden Sägezahn-Melodien. Die über den Bildschirm wuselnden Objekte aus schlanken Vektorlinien erinnern sogar ein wenig an die gute alte Vectrex-Konsole, bei welcher die geometrischen Figuren noch direkt vom flackernden Kathodenstrahl auf die eingebaute Mattscheibe gezeichnet wurden.
Herr der Himmelskörper
Doch man sollte sich nicht all zu sehr vom schlichten Eyecandy einlullen lassen, denn der Alltag als allmächtiger Herrscher über das Universum ist anstrengender als gemeinhin angenommen wird. Kaum hat man einen der auf dem Bildschirm erscheinenden Planeten für immer vernichtet, erscheint auch schon mit einem lauten Plopp ein neues Exemplar auf der Bildfläche – und macht sich richtig schön breit. Immerhin lässt sich das Biest direkt mit meiner Fingerspitze packen und in einen anderen Planeten schieben, so sich beide zu einem größerer Himmelskörper verbinden. Habe ich ausreichend viele Exemplare zu einem riesigen Masseklumpen vereint, schiebe ich ihn direkt in ein schwarzes Loch, auf dass er mit einem lauten Knall verschwindet.
Manche Löcher sind allerdings so klein, dass ich einen der Monsterplaneten erst wieder trennen muss, bevor ich die Einzelteile vernichten kann: Dazu tippe ich einfach mit zwei Fingern auf den Riesen, ziehe sie auseinander und reiße ihn so entzwei. Jetzt passt eines der entstandenen kleineren Exemplare in den runden »Squeesar«-Kreis, und die Vernichtung nimmt ihren Lauf. Gelbe Planeten passen nur in gelbe »Squeesars«, violette nur in Kreise ihrer Farbe, usw. Wenn im Sekundentakt neue Himmelskörper auf dem Bildschirm auftauchen, wird es brenzlig: Dann muss ich für einen Augenblick verdrängen, dass mein männlicher Denkapparat eigentlich gar nicht für derlei komplizierte Multitasking-Aktionen geschaffen ist. Mit dem rechten Daumen, Zeige- und Mittelfinger halte ich jeweils einen Planeten fest, während mein linker Zeigefinger vorsichtig einen gelben Stern zu einem frisch aufgeklappten Kreis hindurch bugsiert.
Erbarmen!
Verdammt – jetzt erscheint auch noch ein Gravitations-Strudel, der die freischwebenden kleinen Kometen in seine Richtung saugt und ineinander trudeln lässt. Berühren sie sich, schrumpft die Energieleiste schneller als in Turrican 2. Also nehme ich all meine Koordinationsfähigkeit zusammen und setze auch noch die linke Daumenkuppe auf den Schirm, um die kleinen widerspenstigen Biester wegzuschleudern, miteinander zu verbinden, festzuhalten oder gleich zur Explosion zu bringen: »Platz, Pluto – wirst du wohl Platz machen! Nun platz doch endlich!« Bis zu fünf Finger dürfen gleichzeitig auf dem Touchscreen herumwurschteln. Setzt man einen sechsten ein, aktiviert das Spiel einen nervigen Warnbildschirm, welcher einem den kompletten Durchgang versauen kann. Bevor der Dialog weggeklickt wird, lässt sich das Spiel nämlich nicht mehr bedienen, während der Wust an Planeten im Hintergrund munter ineinander purzelt und die Energieanzeige leert.Größe: 15,0 MB
Preis (derzeit): 2.39 Euro
getestete Version: 1.1
Chaos im Weltall: In manchen Levels ploppen kleine Planeten im Sekundentakt in den Kosmos. |
Doch auch ohne solcherlei Sabotage-Aktionen ist Eliss alles andere als einfach. Andererseits wird die blitzschnelle Action immerhin durch den Energie spendenden Sternenstaub und das gelegentlich durch den Raum schwirrende Zeitlupen-Extra erleichtert. Weil eine ganze Reihe von Spielern ihre Finger und Gehirnzellen nicht annähernd so flott verknoten konnten wie Entwickler Steph Tirion, wurde das Spiel mittlerweile entschärft: In Version 1.1 steigt der Schwierigkeitsgrad nicht mehr ganz so unerbittlich an wie in der ursprünglichen Fassung. Aber keine Bange: Auch die aktuelle Version richtet sich eher an geübte Zocker. Manche arg happigen Levels wurden allerdings deutlich leichter gemacht, fünf neue hinzugefügt und alle Exemplare wurden in eine neue, sinnvollere Reihenfolge gesetzt.
Hängen geblieben
Doch auch in der frischen Fassung sorgt ein gelegentlich auftretendes Manko für Fluchtiraden: Die Multitouch-Steuerung reagiert zwar erstaunlich gut, dennoch bleibt sie in seltenen Fällen einen Sekundenbruchteil lang hängen und folgt dem Finger zu spät an die gewünschte Stelle. Leider wirkt ein Sekundenbruchteil in diesem Spiel wie eine Ewigkeit, so dass ein derartiger Fehler die komplette Energieanzeige löschen kann. Vielleicht liegt es daran, dass der Prozessor im kleinen Gerät ab und an von der Physik-Engine überlastet wird, welche all die Planeten durch den Raum manövriert. Der Fehler trat sowohl auf einem iPhone 3GS als auch auf einem iPod touch 2G (beide nicht heiß gelaufen sondern frisch angeschaltet) auf. Da Version 1.1 des Spiels aber nicht mehr so unerbittlich schwer ausfällt, lässt sich das ohnehin seltene Hängenbleiben verschmerzen.
Evtl. weil man einfach nicht an die Urversion herangekommen ist. Ich weiß ja nicht, wie die redaktion solche Tests angeht, ob man selbst nach Spielen sucht oder auf interessante Releases wartet. Wie auch immer. Aber wenn halt die neuste Version im Appstore drin ist, dann kommt an nur noch über dubiose Tauschbörsen an die Urversionen. Und da ein potenzieller Käufer nach diesem Test sowieso nur an die gepatchte Version herankommt (legal) kan man hier darüber hinwegsehen. Bei PC-Spielen ist das nunmal nicht der Fall.
Mich persönlich würde mal interessieren, warum bei einem Iphonegame die Version 1.1 getestet wird, wo man bei anderen Systemen doch so viel Wert darauf legt die ungepatchten Versionen zu testen ?