Bomb Rush Cyberfunk: Kopflos in New Amsterdam
Weil Skaten und Graffiti sprühen ziemlich schwierige Aktivitäten ohne Kopf sind, ist der Anfang von Bomb Rush Cyberfunk ein denkbar ungünstiger: Gerade als mein noch namenloser Held von einem unbekannten Wohltäter aus dem Gefängnis befreit wird und wir Hals über Kopf aus dem Hochsicherheitstrakt fliehen, während mir das Spiel die ersten Gameplay-Mechaniken beibringt, wird mir von einem maskierten Bösewicht namens DJ Cyber mit einer fliegenden Schallplatte das Haupt vom Körper abgetrennt.
Statt in die ewigen Weiten des Jenseits zu driften, erwache ich ohne Erinnerungen, dafür mit einem Roboterkopf auf meinen Schultern und an einem völlig unbekannten Ort. Es ist das Versteck meines Gefängnisbefreiers, der sich als ein talentierter Sprayer namens Tryce entpuppt, mir seine Freundin Bel vorstellt und kurz die Lage erklärt. Weil die beiden ebenfalls noch ein Hühnchen mit DJ Cyber zu rupfen haben, gründen wir zu dritt die titelgebende Bomb Rush Cyberfunk-Crew mit dem Ziel, New Amsterdam zu erobern. Im Klartext bedeutet das: Die Stadt mit Graffiti vollsprühen und die in anderen Bezirken herrschende Gangs mit Skate-Tricks in die Schranken weisen.
Nur wenn wir zu den bekanntesten Sprayern und Skatern aufsteigen, kommen wir an den einflussreichen DJ Cyber ran und bekommen die Möglichkeit, meine Blechbirne gegen mein altes Fleischeshaupt auszutauschen. Der gibt seine Position natürlich nicht kampflos auf und auch die Polizei zieht im Hintergrund die Fäden, um den illegalen Malereien in New Amsterdam endgültig einen Riegel vorzuschieben. Ihr merkt schon: Graffiti und das Können auf dem Board sind alles, worauf es in Bomb Rush Cyberfunk ankommt.
Dafür, dass das Gameplay und die Ästhetik bei dem geistigen Jet Set Radio-Nachfolger im Vordergrund stehen, ist die abgedrehte Geschichte überraschend unterhaltsam und wird in einigen mit vereinzelten Ausrufen vertonten Dialogen und Zwischensequenzen erzählt. Leider tauchen die viel zu häufig auf und unterbrechen deshalb immer wieder den Gameplay-Flow: Wenn ich die Anlage aufdrehe und mit Höchstgeschwindigkeit durch die Straßen von New Amsterdam auf meinen Rollerblades rausche, dann will ich nicht ständig angehalten werden, nur um mir fünf Zeilen über das nächste Missionsziel durchzulesen oder mir einen zugegebenermaßen beeindruckend choreographierten Tanz anzuschauen. Hier wäre weniger definitiv mehr gewesen. Dass zwei Zwischensequenzen aufgrund eines Bugs vollständig schwarz geblieben sind und ich mich blindlings durch Dialoge klicken musste, hat die Sache dann aber auch nicht wirklich besser gemacht.
Skaten bis zum Morgengrauen
Womit wir beim Herzstück von Bomb Rush Cyberfunk angekommen wären: Dem Skaten, Springen, Rails grinden. Je nach Gusto kann ich mit einem Skateboard, einem BMX-Bike oder Rollerblades losziehen und die Fußgänger mit einer Reihe an Kunststücken beeindrucken, während ich meinen Kombometer in die Höhe treibe. Ist der B-Knopf dafür zuständig, mich mit Sprüngen von Schiene zu Schiene befördern, führe ich mit den Tasten A, X und Y sowie dem rechten Stick die verschiedensten Tricks aus, ohne mich in eine lange Move-Liste einlesen zu müssen. Mit dem rechten Trigger lässt sich derweil die aktuelle Stunt-Strähne für eine kurze Zeit auch abseits der Rails fortführen, was vor allem bei der späteren Levelarchitektur nötig wird, um einen möglichst hohen Highscore zu erreichen.
Mein Arsenal wird durch einen Turbo-Boost vervollständigt, dessen Leiste ich durch das Ausführen von Tricks und das Einsammeln von überall im Spiel verteilten Kapseln auffülle und mich wie einen gewissen blauen Igel schneller als der Schall über den Asphalt befördert. Was das Spielgefühl angeht, verdient Team Reptile großes Lob: Bomb Rush Cyberfunk spielt sich griffig und zugänglich zugleich, die Steuerung ist intuitiv und es dauert nicht lange, bis ich nicht mehr wie ein Affe auf dem Schleifstein, sondern wie ein junger Tony Hawk auf dem Brett sitze und Funken sprühen lasse. Bei dem Springen von Schiene zu Schiene herrscht genauso viel Magnetismus, dass kein übertriebenes Maß an Präzision verlangt wird, daneben landen aber möglich bleibt, wodurch ich mich nie bevormundet gefühlt habe.
Von den Rollen
Dank der gelungenen Steuerung und dem cleveren Leveldesign, bei dem sich Rails an allen Ecken und Kanten durch die Stadt schlängeln und dank durchgeplanter Routen nahezu unendliche Kombos ermöglichen, entfesselt Bomb Rush Cyberfunk in Windeseile genau den Flow, den man sich von einer arcadigen Skate-Simulation wünscht. Das macht sich besonders in den späteren, großflächigeren Bezirken bemerkbar, auch wenn die Einkaufsmeile mit der großen leeren Fläche in der Mitte und den statisch gesetzten Schienen am Rand eine weniger spannende Ausnahme bildet. Auch die mit den großköpfigen Maskottchen verteilten Herausforderungen, bei denen ihr innerhalb einer einzigen Kombo alle Exemplare passieren müsst, und so einen Song oder ein Outfit freischaltet, sind natürlich in die Levelstruktur eingebettet und nicht stumpf in Extrabereiche ausgelagert.
Schade nur, dass die Aufgaben im Rahmen der Story denkbar repetitiv angelegt sind. Jeder Bezirk läuft nach dem exakt gleichen Muster ab: Ich hinterlasse an so vielen vorgegebenen Stellen meine Graffiti-Kunst, dass meine Reputation einen gewissen Wert erreicht und ich die hier herrschende Crew zu einer direkten Konfrontation herausfordern kann. In zwei Minuten muss ich nun möglichst effizient meine Kombo aufrechterhalten und so viele Tricks wie möglich ausführen, um mehr Punkte zu sammeln als meine Gegner. Vereinzelt angereichert durch Rennen und verlangte Kunststücke macht diese immergleiche Aufgabe die ersten paar Male noch Spaß, wurde am Ende meines rund zwölfstündigen Aufenthalts in New Amsterdam aber doch etwas eintönig.