Eine kurze Geschichte der Zeit

Wir schreiben das Jahr 2001: Capcom veröffentlicht ein Spiel namens Devil May Cry und definiert aus dem Stegreif das Genre der “Stylischen Action”. Die Hauptfigur Dante hatte als Teufelsjäger nicht nur stets einen coolen Spruch auf den Lippen, sondern konnte auch mit klasse inszenierter und filmreif choreografierter Action samt pompöser Bosskämpfe punkten. Der kreative Kopf dahinter: Hideki Kamiya, der seinerzeit von Shinji Mikami (Co-Designer von Resident Evil) als Produzent unterstützt wurde und bei diesem Projekt auch schon mit Atsushi Inaba zusammen arbeitete. Einige Jahre und Studio-Reformierungen später haben sie viele weitere hochrangige Titel wie Viewtiful Joe, Dino Crisis oder Okami zu verantworten, was allerdings nicht gegen die Schließung der Clover Studios half, zu denen die drei mittlerweile gehörten.

Doch wahre Kreativität lässt sich von so einer Kleinigkeit nicht aufhalten: Die Kult-Designer gründen über Umwege schließlich die Firma Platinum Games, gehen einen Deal mit Sega ein und machen sich ans Werk. Madworld, der erste Titel von Platinum, erschien Anfang 2009 für Wii und wurde federführend von Inaba-san entwickelt.

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Die überbordende Kreativität bekommt man auch beim Bossdesign zu spüren. © 4P/Screenshot

Und während das erste Projekt von Shinji Mikami immer noch auf seine Enthüllung wartet, konzentriert sich Kamiya-san auf Bayonetta. Und was kommt heraus, wenn der Kopf hinter der Devil May Cry-Serie sich an ein neues Spiel setzt? Ganz klar: Devil May Cry! Zumindest ist dies der Eindruck, den man beim flüchtigen Betrachten von Bayonetta bekommen könnte. Nach gefühlten Jahren der Abstinenz fällt ihm nichts Besseres als eine Rückkehr zu den Wurzeln ein? Hätte er nicht wenigstens ein bisschen kreativer sein können? Immerhin hat Capcom mit dem vierten und bislang letzten Teil der Teufelsjäger-Saga die Messlatte nochmals nach oben gelegt. Und dem möchte Bayonetta Paroli bieten? Mit was denn? Stöckelschuhen und Oberlehrerbrille?

Aller Anfang ist leicht

Zwei Frauen blicken in den vom Vollmond dominierten Himmel. Maskierte Engel bewegen sich ruhig mit ihren Flügeln schlagend auf sie zu. Die Kamera fährt zurück und zeigt, dass die Frauen in aller Seelenruhe auf einem abstürzenden Uhrenturm stehen – den Gesetzen der Schwerkraft und der optischen Wahrnehmung zum Trotz. Und dann bricht die Hölle los: Die Engel setzen zum Angriff an. Und während der Turm nach wie vor durch den Himmel rast und der Oberfläche entgegen torkelt, dezimieren die beiden mit Projektilwaffen und Nahkampftechniken ausgestatteten Frauen die Engelsscharen. Schläge prasseln auf die Himmelswesen nieder, sie werden von Hunderten Kugeln getroffen und von Zeit zu Zeit beschwören die Kämpferinnen eine riesengroße, aus Haaren geflochtene Faust oder einen Fuß, der stilecht in einem hochhackigen Stiefel steckt, um den Geflügelten den Garaus zu machen. Und das alles, während eine sonore Männerstimme als Kontrapunkt die Geschichte von einem seit Jahrhunderten währenden Kampf zweier Clans erzählt.

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Die Klimax-Finisher sind für die Opfer verheerend. © 4P/Screenshot

Uff! Bayonetta hat noch nicht einmal richtig begonnen, da ist man schon mitten in spektakulärer Action gefangen, die Augen und Ohren in Beschlag nimmt. Man ist beschäftigt, die rasanten Schnitte, das Aufeinanderfolgen von spektakulären, allerdings eher per Zufall ausgelösten Kombos in sich aufzusaugen und hat kaum Zeit, den Geschehnissen zu folgen, geschweige denn, der Erzählung zuzuhören. Was Hideki Kamiya hier in den ersten gut viereinhalb Minuten vom Stapel lässt, ist eine wagemutige Reizüberflutung. Und das ist erst der Anfang…

Wider das Gelegenheitsspiel


Natürlich muss man mit der Kirche im Dorf bleiben. Denn Bayonetta erfindet das Rad nicht neu. Und wenn jemand nach nur kurzem Anspielen der Meinung ist, dass es sich eigentlich nur um eine Variation des Devil May Cry-Prinzips handelt, bei dem Dante durch eine unerlaubt viele Fetische (von der Lehrerin über Schulmädchen mit Lollys bis Lack und Leder) befriedigende Frau abgelöst wurde, die zu grenzwertigem J-Pop nicht etwa teuflische Dämonen, sondern himmlische Heerscharen erledigt, kann ich nur zustimmend mit dem Kopf nicken. Denn derjenige hat Recht. Aber: Erste Eindrücke können täuschen. Denn unter dem Strich ist Bayonetta so viel mehr als das. Natürlich macht sie spielmechanisch nicht viel anders als ihr Capcom’scher Ahne. Doch das, was sie anders macht, ist entscheidend. Sie ist die konsequente Weiterentwicklung eines spärlich beackerten Genres, das ihr geistiger Vater begründete. Doch vor allem ist sie ein eindeutiges Statement gegen den anhaltenden Trend der “Weichspül-Mechanik”, dem unbedingten Willen der Entwickler, eine möglichst große Zielgruppe anzusprechen und dafür den Anspruch zu opfern.



  1. Twan hat geschrieben: 02.08.2017 14:22
    Edit: ich finde das Fly me to the moon (noch?) richtig geil. Was sagt das über mich? :mrgreen:
    Ich mag es auch
    ... Aber das sagt absolut nichts über dich aus...

  2. Bayonetta auf XBox 360 war 60fps, nur anscheinend mit massig Drops. PS3-Version war einfach nur ein schlechter Port via externen Studio.
    Wäre doch arg überrascht, wenn die neuen Konsolen keine stabilen 60 schaffen würden.

  3. Skidrow hat geschrieben: 20.04.2017 18:09
    Sn@keEater hat geschrieben: 12.04.2017 21:56 Bitte eine PS4 Version noch > Danke!
    Die Entwickler lesen hier auf jeden Fall mit! Du solltest das unter jedes Nicht-PS Spiel schreiben. Aber ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre, Bayonetta in 30 FPS macht bestimmt nicht wirklich Laune.
    Als würden die keine 60 fps auf der PS4 schaffen

  4. Sn@keEater hat geschrieben: 12.04.2017 21:56 Bitte eine PS4 Version noch > Danke!
    Die Entwickler lesen hier auf jeden Fall mit! Du solltest das unter jedes Nicht-PS Spiel schreiben. Aber ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre, Bayonetta in 30 FPS macht bestimmt nicht wirklich Laune.

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