Paar warme Worte
Da sich zum deutschen Release von Bayonetta natürlich die Mechanik, das Artdesign usw. nicht geändert hat, wurde der Text der Importversion in seiner Gesamtheit übernommen. Daher werden Leser, die bereits seit Dezember unsere Meinung zur 360-Version kennen, nur ab Seite 6 Neues zur deutschen Version sowie die Vergleiche zwischen PS3 und Xbox 360 finden. Wer bislang noch gar nicht mit Bayonetta in Kontakt kam: Herzlich Willkommen zum ersten großen Spiel-Ereignis 2010.
Eine kurze Geschichte der Zeit
Wir schreiben das Jahr 2001: Capcom veröffentlicht ein Spiel namens Devil May Cry und definiert aus dem Stegreif das Genre der “Stylischen Action”. Die Hauptfigur Dante hatte als Teufelsjäger nicht nur stets einen coolen Spruch auf den
[GUI_FLVPLAYER(width=400,height=280,STREAMINGID=34213,image=http://static.4players.de/premium/ContentImage/a7/9d/145453-bild.jpg)]Video: Auf den ersten Blick mag Bayonetta “nur” wie ein Devil May Cry auf Östrogen aussehen, doch die Hexenaction hat weitaus mehr zu bieten. |
Lippen, sondern konnte auch mit klasse inszenierter und filmreif choreografierter Action samt pompöser Bosskämpfe punkten. Der kreative Kopf dahinter: Hideki Kamiya, der seinerzeit von Shinji Mikami (Co-Designer von Resident Evil) als Produzent unterstützt wurde und bei diesem Projekt auch schon mit Atsushi Inaba zusammen arbeitete. Einige Jahre und
Studio-Reformierungen später haben sie viele weitere hochrangige Titel wie Viewtiful Joe, Dino Crisis oder Okami zu verantworten, was allerdings nicht gegen die Schließung der Clover Studios half, zu denen die drei mittlerweile gehörten.
Doch wahre Kreativität lässt sich von so einer Kleinigkeit nicht aufhalten: Die Kult-Designer gründen über Umwege schließlich die Firma Platinum Games, gehen einen Deal mit Sega ein und machen sich ans Werk. Madworld, der erste Titel von Platinum, erschien Anfang dieses Jahres für Wii und wurde federführend von Inaba-san entwickelt. Und während das erste Projekt von Shinji Mikami immer noch auf seine Enthüllung wartet, konzentriert sich Kamiya-san auf Bayonetta. Und was kommt heraus, wenn der Kopf hinter der Devil May Cry-Serie sich an ein neues Spiel setzt? Ganz klar: Devil May Cry! Zumindest ist dies der Eindruck, den man beim flüchtigen Betrachten von Bayonetta bekommen könnte. Nach gefühlten Jahren der Abstinenz fällt ihm nichts Besseres als eine Rückkehr zu den Wurzeln ein? Hätte er nicht wenigstens ein bisschen kreativer sein können? Immerhin hat Capcom mit dem vierten und bislang letzten Teil der Teufelsjäger-Saga die Messlatte nochmals nach oben gelegt. Und dem möchte Bayonetta Paroli bieten? Mit was denn? Stöckelschuhen und Oberlehrerbrille?
Aller Anfang ist leicht
Zwei Frauen blicken in den vom Vollmond dominierten Himmel. Maskierte Engel bewegen sich ruhig mit ihren Flügeln schlagend auf sie zu. Die Kamera fährt zurück und zeigt, dass die Frauen in aller Seelenruhe auf einem abstürzenden Uhrenturm stehen – den Gesetzen der Schwerkraft und der optischen Wahrnehmung zum Trotz. Und dann bricht die Hölle los: Die Engel setzen zum Angriff an. Und während der Turm nach wie vor durch den Himmel rast und der Oberfläche entgegen torkelt, dezimieren die beiden mit Projektilwaffen und Nahkampftechniken ausgestatteten Frauen die Engelsscharen. Schläge prasseln auf die Himmelswesen nieder, sie werden von Hunderten Kugeln getroffen und von Zeit zu Zeit beschwören die Kämpferinnen eine riesengroße, aus Haaren geflochtene Faust oder einen Fuß, der stilecht in einem hochhackigen Stiefel steckt, um den Geflügelten den Garaus zu machen. Und das alles, während eine sonore Männerstimme als Kontrapunkt die Geschichte von einem seit Jahrhunderten währenden Kampf zweier Clans erzählt.
Die Umbrahexe aus der Feder von Devil May Cry-Schöpfer Hideki Kamiya ist als Fetischsammlung mit Herz eine der schillerndsten Videospielfiguren der letzten Jahre! |
Uff! Bayonetta hat noch nicht einmal richtig begonnen, da ist man schon mitten in spektakulärer Action gefangen, die Augen und Ohren in Beschlag nimmt. Man ist beschäftigt, die rasanten Schnitte, das Aufeinanderfolgen von spektakulären, allerdings eher per Zufall ausgelösten Kombos in sich aufzusaugen und hat kaum Zeit, den Geschehnissen zu folgen, geschweige denn, der Erzählung zuzuhören. Was Hideki Kamiya hier in den ersten gut viereinhalb Minuten vom Stapel lässt, ist eine wagemutige Reizüberflutung. Und das ist erst der Anfang…
Wider das Gelegenheitsspiel
Natürlich muss man mit der Kirche im Dorf bleiben. Denn Bayonetta erfindet das Rad nicht neu. Und wenn jemand nach nur kurzem Anspielen der Meinung ist, dass es sich eigentlich nur um eine Variation des Devil May Cry-Prinzips handelt, bei dem Dante durch eine unerlaubt viele Fetische (von der Lehrerin über Schulmädchen mit Lollys bis Lack und Leder) befriedigende Frau abgelöst wurde, die zu grenzwertigem J-Pop nicht etwa teuflische Dämonen, sondern himmlische Heerscharen erledigt, kann ich nur zustimmend mit dem Kopf nicken. Denn derjenige hat Recht.
Aber: Erste Eindrücke können täuschen. Denn unter dem Strich ist Bayonetta so viel mehr als das.
Natürlich macht sie spielmechanisch nicht viel anders als ihr Capcom’scher Ahne. Doch das, was sie anders macht, ist entscheidend. Sie ist die konsequente Weiterentwicklung eines spärlich beackerten Genres, das ihr geistiger Vater begründete.
Doch vor allem ist sie ein eindeutiges Statement gegen den anhaltenden Trend der “Weichspül-Mechanik”, dem unbedingten Willen der Entwickler, eine möglichst große Zielgruppe anzusprechen und dafür den Anspruch zu opfern. Und damit schwimmt sie in einer zu Demon’s Souls parallelen Strömung: Wie die PlayStation-exklusive düstere Jagd nach Seelen ist Bayonetta kein Spiel für Aufgeber. Die Action ist fordernd, sie ist gelegentlich sogar frustrierend (ich habe schon lange nicht mehr so viel bei Bosskämpfen geflucht und Pads durchs Zimmer gefeuert, herrlich!), aber nie unfair. Dass ich scheitere, liegt nicht am Design, sondern an mir – daran, dass ich noch nicht die richtige Taktik, Kombo oder Waffe oder die Kombination von allem entdeckt habe. Oder dass ich einfach zu schlecht bin. Doch daran möchte ich keinen Gedanken verschwenden und unternehme einen neuen Versuch.
Jede Herausforderung, die einem gestellt wird, kann gelöst werden. Unter Aufwendung von Können, Schweiß und wenn es sein muss, sogar Tränen. Denn Bayonetta spricht nicht nur die Hand-Auge-Koordination an, sondern auch die Emotionen.
Aber: Auch wenn sich die bildgewaltige Third-Person-Action vornehmlich an die erfahrenen Spieler richtet, hat man auch ein offenes Ohr für die Einsteiger, für die Automatikspringer, für die Fassadenschienenkletterer, die gewillt sind, sich auf die Herausforderung und noch mehr auf die überbordende visuelle Fantasie von Bayonetta einzulassen. Denn mit den leichteren Schwierigkeitsgraden werden die Kämpfe, die einem bei “Normal” schon alles abverlangen, auf ein angenehmes, beinahe schon zu freundliches Niveau heruntergestuft, so dass man keine Berührungsängste haben muss.
Ich find den Storyaufbau auch echt großartig.
Man wird reingeworfen ins Spiel, es passieren ein paar Dinge, man kapiert NIX und denkt sich: "Waaaaaaaaaaas ... hab ich die 5 Vorgänger verpasst?"
Man fühlt sich, wie wenn man mitten in der zweiten Staffel anfängt, Lost zu kucken.
Nun, bei Bayonetta ists aber so, dass wirklich ALLES bis zum Ende aufgeklärt wird
und zumindest ich war die ganze Zeit über so neugierig, dass mich dieses WTF-Gefühl dauernd bei der Stange gehalten hat.
Hachja ... "Bayonetta" und "Stange halten" in einem Satz - was bin ich wieder ein Schelm.
Es ist einfach mal ne Abwechslung zu dem ganzen Casual Mist, der oft viel zu sehr auf die breite Masse zugeschnitten ist und daher kaum mehr richtig eine Seele besitzt. Bayonetta hat Seele.
Ein grosses Dankeschön, dass Bayonetta auch für Leute spielbar ist, die keine Berufsgamer sind.
Muss ich auch mal wieder spielen, ist ein Spiel das man gut von Zeit zu Zeit mal wieder raus holen kann. ^^
Das ist noch ein richtiges Spiel, wenn ich dagegen Casual Spiele wie SW:TOR sehe und vor allem dessen Spieler, da wird erst einem klar, dass man immer noch in einer ganz anderen Liga von Spaß spielt. Die CS Generation und danach geht mir inzwischen einfach nur noch auf den Sack. Es muss immer alles noch einfacher sein, an Bayonetta würden sie wohl den Rest ihres Verstandes verlieren, weil sie mit so gut wie keinem Einsatz nicht sehr weit kommen werden. ^^
Als ich damals die Demo gespielt habe, dachte ich sofort: das Spiel muss her, genau mein Ding und vor allem mal wieder ein typisch japanisches Spiel, das man nicht verwestlicht entwickelt hat. Viele der heutigen japanischen Spiele haben viel zu viel westliches angenommen, was ihnen immer mehr das besondere genommen hat. Da tut ein Spiel wie Bayonetta echt gut.
Ich hoffe es wird wirklich einen Nachfolger geben.