Später führen einen die weitgehend linearen Wege u.a. nach Macao, in die Verbotene Stadt oder auf die Chinesische Mauer, während im Hintergrund die chinesische Armee mit den Mongolen kämpft. Gleichzeitig kommen in fast jedem der zwölf Abschnitte neue Gegner, Hilfsmittel oder Umgebungsaktionen hinzu, so dass man ständig auf Trab gehalten wird: Schildträger sind gegen frontale Angriffe immun: die Säulen bieten nur bei der dem angezeigten Blickwinkel der Figuren abgewandten Seite Schutz vor Entdeckung; Hunde schlagen umgehend Alarm, wenn man sich in ihr Umfeld begibt; Schützen können einen mit nur wenigen Treffern außer Gefecht setzen; Vögel geben schrille Laute von sich, wenn man nicht in der Hocke an ihnen vorbei schleicht. Zusätzlich warten Abschnitte, in denen man z.B. sämtliche zur Verfügung stehende Akrobatik nutzen muss, um gegen die Zeit sowie unaufhörlich vordringende Flammen die Hindernisse und Wachen hinter sich zu lassen. Abgerechnet wird bei jedem der fair gesetzten Kontrollpunkte: Je nach Spielweise bekommt man eine Bronze-, Silber- oder Gold-Bewertung in den Bereichen Schatten, Kämpfer oder Assassine – abhängig von den Fähigkeiten, auf die man sich bei der Erledigung verlassen hat. Mit entsprechend akkumulierten Punktzahlen werden Upgrades oder neue Fähigkeiten freigeschaltet. Allerdings wurde der weitgehend moderate, wenngleich sehr positiv Richtung “fair, aber fordernd” tendierende Startschwierigkeitsgrad auch für diejenigen abgemischt, die nicht jedes Gesundheitsupgrade erspielt haben.

Lust und Frust

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Von Zeit zu Zeit wechselt man die Spielebene, bevor es seitwärts scrollend weiter geht. © 4P/Screenshot

Mitunter haben es die Entwickler allerdings übertrieben und man rutscht vollkommen unnötig an einer Hand voll Stellen in die Trial-and-Error-Schiene ab. Die Zeitfenster, in denen die Wachen in die andere Richtung schauen, sind mitunter derart knapp, dass ein Zögern oder ein falsches Mitzählen der Sekunden bis zum Loslaufen bestraft wird. Im besten Fall nur mit einer schlechteren Beurteilung, im schlimmsten Fall mit dem Tod der Hauptfigur. Da diese Momente aber in der Minderheit sind und man ansonsten mit einem ausgewogenen Anforderungsniveau konfrontiert wird, hilft es, die Zähne zusammenzubeißen und einen neuen Versuch zu unternehmen. Zumal einen auch die Kulisse immer wieder gnädig stimmt: Das Artdesign mit seiner Mischung aus Tintenflecken, fernöstlichen Tuschestrichen sowie reduzierten Farben auf impressionistisch getönten Leinwänden sorgt immer wieder für Hingucker. Selbst im letzten Level, wenn vor den Toren der Chinesischen Mauer die Armeen unter von Qualm verdunkeltem Himmel aufeinandertreffen, wird man immer wieder stilistisch überrascht.

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In Momenten wie diesen lassen die Chroniken keinen Zweifel, zu welcher Serie sie gehören. © 4P/Screenshot

Das gelingt der Story allerdings nicht so häufig. Für eine Serie, die sich stark über ihre Hauptfiguren definierte, bleibt Shao Jun erzählerisch ähnlich blass wie ihre Kollegin Aveline aus dem Vita-Spinoff Liberation. Dabei möchte ich tatsächlich mehr über sie erfahren. Natürlich könnte man jetzt auf den animierten Kurzfilm Assassin’s Creed: Embers verweisen, in dem sie Ezio in seinem Domizil in der Toskana besucht. Hier erhält sie auch das Schmuckkästchen, das in der Geschichte von Chronicles eine zentrale Rolle einnimmt. Doch Ubisoft bzw. Climax wäre besser beraten gewesen, die Figur mitsamt ihrer Vorgeschichte etwas greifbarer zu machen, anstatt sich auf die Bezüge zu anderen Inhalten aus dem AC-Kanon zu verlassen. Und das wäre auch mit den minimalistischen, aber stilistisch überaus stimmungsvollen Zwischensequenzen möglich gewesen. Apropos möglich: Während die KI generell einen guten Eindruck hinterlässt und aufmerksam auf Bewegungen usw. innerhalb ihres Sichtfeldes achtet, einen erbarmungslos angreift und man mitunter auch die Tiefe der Abschnitte nutzen muss, um ihr aus dem Weg zu gehen, gibt es auch ein paar Momente, die merkwürdig wirken. Denn die Aufmerksamkeit der Figuren endet in der Tat auch im “New Game Plus” oder “New Game Plus Hard” dort, wo auch ihr Sichtkegel aufhört. Aus mechanischer Sicht und um den Schwierigkeitsgrad nicht unnötig nach oben zu schrauben, ist diese Design-Entscheidung durchaus nachvollziehbar. Die Glaubwürdigkeit leidet dennoch darunter, wenn man fünf Meter vor einer Wache steht und sie einen anschaut, sie aber erst Alarm schlägt, wenn man sich fünf Zentimeter auf sie zubewegt.

  1. Ein ebenso hübsches wie geniales Spiel! Hätte aus meiner Sicht sogar noch 'ne höhere Wertung verdient. Die Entwickler machen kein Geheimnis draus, daß sie "Mark of the Ninja"-Fans sind und sich hier ziemlich schamlos bedient haben, aber das macht nichts. Es ist ein würdiger Nachfolger für eins meiner Lieblingsspiele geworden. Richtig Spaß macht "China" erst, wenn man es drauf anlegt, nicht gesehen zu werden und nur die Zielpersonen auszuschalten, aber keine Wachen. Dann wird es zum Gedulds- und Knobelspiel. Für 10 Euro wird man hier sehr gut bedient.

  2. Hat eigentlich schon jemand ein Abstergo Entertainment Logo gefunden? Wenn nicht, muss man nämlich zwangsläufig die Frage stellen, wer da nun genau im Animus sitzt und die Gedächtnisstränge liefert.
    Die Spiele von Abstergo (Liberation, Black Flag, Unity und Rogue) stammen ja allesamt aus den von Desmond extrahierten DNA.

  3. Stalkingwolf hat geschrieben:Irgendwie erinnert mich das Coregameplay etwas an Mark of the Ninja
    Fuer mich spielt sich das eher wie eine ganz dreiste Kopie von Mark of the Ninja - die allerdings viel Spass macht! :) Sind gut angelegte 10 Euro.

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