Amnesia: The Dark Descent(Adventure) von Credit: Frictional Games /
Es werde Licht

In dieser Finsternis wird der Held schnell wahnsinnig – er muss für Licht sorgen.

Ich kann bei jedem der nächsten Schritte nicht nur meinen schweren Atem, sondern meine eigene Angst im verzweifelten Hecheln des Helden hören. Es ist so, als würde mein Verstand mit jeder Sekunde in der Dunkelheit aufgefressen, bis ich nur noch wie eine schwankende Marionette vorwärts torkeln kann! Was ist hier los? Ist das der Schatten, vor dem ich mich in Acht nehmen soll? Erst als ich mit einer Zunderbüchse einen Kandelaber entzünde und der Raum in warmem Licht erstrahlt, kann ich mich regenerieren. Die Dunkelheit ist im wahrsten Sinne des Wortes mein Feind, ich husche von Lichtquelle zu Lichtquelle und muss mir bei Bedarf selbst welche schaffen. Ein Blick ins Inventar zeigt dann einen “glasklaren” Geisteszustand – das sollte beruhigen, tut es aber nicht.

Spätestens als ich einen Brief finde, der mit “Dein früheres Ich” unterzeichnet ist, wird auch die erzählerische Neugier geweckt und die Qualität der durchweg Texte offenbar: Endlich weiß ich, dass man das Jahr 1839 schreibt und dass ich scheinbar schon mal in diesem Schloss war, das irgendwo in Preußen liegen muss. Aber das beruhigt mich nicht gerade: In meinem Brief an mich ist nämlich davon die Rede, dass ich einen Alexander von Brennenburg finden und töten soll, dass ich aber gleichzeitig dem Schatten entfliehen muss. Was zur Hölle ist hier los? Und wie soll ich in diesem Alptraum jemanden töten?

Ego-Horror

Allerdings sieht man dann nicht immer das, was den wackligen Verstand auf Vordermann bringt.

Amnesia zieht alle Register des klassischen Schauerromans, um mich in seine düstere Welt zu locken – Dunkelheit, Unwetter, innere Monologe, seltsame Briefe und verstörende Erscheinungen. Und diese Köder schlucke ich nur allzu bereitwillig, weil Story und Spieldesign weit über das gewöhnliche Grusel-Adventure hinaus gehen. Ich spaziere nicht mit Hotspotanzeige durch statische Abschnitte, um mit Figuren vorgegebene Dialogzeilen runter zu quatschen, sondern werde mit allen Sinnen zum Beobachten und Erkunden einer dreidimensionalen Umgebung animiert, die grausige Geheimnisse birgt. Hier wird kein Ego-Shooter, sondern Ego-Horror inszeniert, bei dem ich laufen, rennen, springen und mich ducken, aber nicht metzeln kann. Und das ist gut so, denn erst ohne die Sicherheit von Blei und Schrot kann sich die Angst anschleichen.

Auch wenn Edgar Alan Poe in einigen Situationen des Wahnsinns sowie in den erzählerischen Motiven hier und da grüßen lässt, schreit zwischendurch auch mal Clive Barker rein. Denn zum gepflegten Grusel gesellt sich bald der Terror: Je weiter ich in das Abenteuer abtauche, desto mehr grausige Entdeckungen von Leichenteilen über Folter bis hin zu blutigen Erfahrungen muss ich machen – Daniel wird tatsächlich verfolgt und ist nicht nur geistig, sondern auch körperlich in Gefahr, wenn er wie aus dem Nichts von einem undefinierbaren Etwas attackiert wird. Ich kann nicht nur irre werden, sondern bluten und sterben, wenn ich nicht rechtzeitig fliehe und mich clever verstecke. Aber keine Bange: Man muss weder lange Laufwege noch Wiederholungen fürchten, denn Daniel kann sofort weiter machen – allerdings verändert sich mit jedem Tod die Umgebung.

Die grausame Fratze

Spannend: Man darf den Kreaturen nicht ins Auge sehen, muss schnell flüchten oder sich verstecken.

Hier zeigt das Spieldesign abseits der schaurigen Erkundung bei knarzenden Dielen und dem Stöbern zwischen Notizen, Tagebuch und Mementos seine grausame Fratze: Ich muss so schnell wie möglich weg, wenn ich einen Schlag im Nacken verspüre, dann einen oder mehrere schief torkelnde Schatten am Ende des Flurs sehe; die Finger pressen sich dann auf Shift und W, jede sauber geöffnete Tür fühlt sich dann an wie ein gelungener Headshot und ich hocke mit pochendem Herzen irgendwo in einem Schrank! Denn all die Halluzinationen verwandeln sich manchmal in greifbare Monster – gut, dass mir die Physik auch das Verbarrikadieren erlaubt, das man mit feuchten Fingern per Mausklick organisiert. Denn Sichtkontakt ist in diesen Hetzsituationen ebenso gefährlich wie Licht: Ich darf nicht zu lange auf diese Kreatur starren, sonst breche ich vor Angst zusammen – sehr unheimlich!

Nicht nur das sind klasse Ideen, die auch einem Alan Wake gut zu Gesicht gestanden hätten, das im Vergleich zu Amnesia wie Horror zweiter Klasse wirkt. Hinzu kommen immer wieder klasse inszenierte Wahrnehmungsstörungen, die das Gefühl der Hilflosigkeit nicht nur über Kameraschwenks verstärken: Plötzlich laufen Käfer über den Bildschirm und die Sicht verschwimmt, plötzlich hört man glasklar unheimliche Stimmen neben sich, obwohl da nichts ist – all das erinnert angenehm an Eternal Darkness, das auf exzellente Art und Weise mit visuellen Verstörungen arbeitetet. 

  1. So nach dem 5ten Anlauf konnte ich nun mal meine Nerven behalten und es zu Ende spielen.
    Wahnsinn. Nach ein paar Stunden glaubt man sich an das Gameplay gewöhnt zu haben... gegen Ende wirds ja dann aber erst richtig krank ^^.
    Sehr sehr geiles Horror-Adventure muss ich sagen. Paar mal bin ich extremst erschrocken und die Atmo ist absolut genial. Wenn man sich versteckt und um die Ecke späht ob denn die Luft rein ist und dann splittert plötzlich die Tür aaaaaaah :mrgreen:
    Abseits der ganzen (teilweise langatmigen, langweiligen) AAA-Titel wirklich ein sehr gutes Spiel das jeden Cent wert ist wenn man sich darauf einlässt.
    Hab mich schon lange nicht mehr so gegruselt und es hat auch genau die richtige Länge.
    8/10

  2. man kann es sich mit Amnesia auch leicht machen:
    - lautstärke runterdrehen
    - das licht im zimmer anmachen
    - und öfter daran denken, dass der tod recht konsequenzlos ist.
    das alles hab ich nicht gemacht und war dann später bei dem wasserlevel, wo man durchrennen muss, kurz vorm aufgeben.
    nein, ist nicht ganz ehrlich; ich hab mal einen tag ausgesetzt und hab dann an punkt drei gedacht, um mir wieder mut zu machen.

  3. Fandet ihr eigentlich alle Amnesia am besten ?
    Ich fand die beiden Penumbra spiele ja schon genauso gut und spannend muss ich sagen.
    Außer eine Stelle mit den Eisschollen am Wasser in der Höhle, die war bischen nervig oder ich habe es nur falsch gelöst. Habe da immer mit viel Aufwand mich von den Holzbalken und Eisschollen gehangelt und bin merhmals untergegangen/eingebrochen. :)
    Aber ansonsten fand ich das schon sehr genial alles von der Stimmung.

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