Auch bei der Entdeckung von dahingerafften Kameraden reagieren die Figuren höchst unterschiedlich – und nur seltenglaubwürdig. Viel zu häufig kommt es vor, dass man einen der Gegner tötet, Alarm ausgelöst wird und der anrückende Nachschub erst einmal an einem vorbei läuft, bis er den Tatort erreicht hat und erst dann die Suche nach einem wieder aufnimmt – natürlich nicht, ohne vorher, ein- oder zwei Mal im Kreis oder gegen die Wand gelaufen zu sein. Hier hat der Wahnsinn offenbar Methode. Um effektvoll abseits von Chloroform oder Garotte die große Meuchelkunst inszenieren zu können, muss man zusätzlich die Abschnitte haarklein abklappern. Denn erst wenn man in unmittelbarer Nähe von interaktiven Gegenständen steht, wird angezeigt, dass hier etwas möglich ist. So lässt sich Bicarbonat nicht in jede Weinflasche füllen, sondern nur in ein paar ganz bestimmte. Wo IO mit Blood Money und vor allem dem neuen episodischen Hitman einen kreativen Meuchelspielplatz mit viel Freiheit inszeniert, bleibt bei Alekhine’s Gun das Gefühl, dass man trotz mitunter großräumig angelegter Abschnitte stark eingeengt wird.

Verschenktes Potenzial

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Als Standbild mag die Kulisse gar nicht so schlecht aussehen – in Bewegung sorgen Räume wie dieser für deutliche Bildrateneinbrüche. © 4P/Screenshot

Höchst bedauerlich: Man kann Maximum Games nicht den Willen oder den Ehrgeiz absprechen – es fehlten wohl eher die finanziellen oder kreativen Mittel bzw. die technische Expertise. Denn in den wenigen Momenten, in denen die Planung des Spielers sich auszahlt, weil die KI einen fordert und „mitspielt“, anstatt einen mit unberechenbaren Aktionen in den Wahnsinn zu treiben, ist die Kalte-Krieg-Mär in der Tat ein kleines Hitman, das mit seinen bescheidenen (und vor allem allesamt bekannten Mitteln) unterhalten kann. Doch dann stolpert man über den nächsten KI-Faux-pas oder über den nicht lange auf sich warten lassenden technischen Malus und sowohl Illusion als auch Spielspaß gehen den Bach runter. Das beginnt bei fehlenden Optionen wie invertierter Steuerung oder Gamma-Kontrolle. Und das wiederum führt zu sehr merkwürdigen Kontrastverhältnissen auf dem Schirm. Diese machen es mitunter unmöglich, nicht nur die Feinde, sondern auch potenzielle Kostümgeber oder sonstige Figuren vor dunklen Mauern oder innerhalb von Schatten auszumachen. Abhilfe schafft die „Instinktsicht“, die aber kostbare sowie sich nur quälend langsam aufladende Energie kostet.

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Agent 47 lässt grüßen: Die Schleich- und Meuchelmechaniken kennen Hitman-Fans aus dem Effeff. © 4P/Screenshot

Selbst damit könnten hartnäckige Stealth-Fanatiker vielleicht noch leben, wenn die Kulisse insgesamt einen ordentlichen Eindruck hinterlassen würde. Doch hier folgt die nächste Enttäuschung. Alekhine‘s Gun, dessen Entwicklung im Jahr 2010 als dritter Teil der Death-to-Spies-Serie begann, bevor 1C Company den Stecker zog und Maximum Games vor etwa zwei Jahren die Produktion federführend übernahm, wirkt wie ein Überbleibsel der letzten Generation. Doch selbst auf PS3 oder 360 hätte diese Kulisse keinen Hund hinter dem Ofen hervorgelockt. Schwache bis gar nicht vorhandene Mimik, hölzerne Animationen und obendrauf die Kontrastprobleme sorgen dafür, dass nicht einmal das Zuschauen Spaß macht. Darüber hinaus gibt es fast immer massive Bildratenprobleme, die sich nur dann nicht zeigen, wenn man alleine in einem kleinen Raum unterwegs ist. Dass die ohnehin nicht überzeugende Schussmechanik von der schwankenden Framerate zusätzlich torpediert wird, hilft nicht, um Motivation aufzubauen. Immerhin: Man kann jederzeit speichern. Sollte man auch, denn bedingt durch die schwache KI man unvorhersehbar und schneller scheitern als einem lieb ist – an ein automatisches Speichern wurde nicht gedacht.

  1. Ich werd's Mal selbst antesten, wenn ich zu Ostern in Polen bin. Die ersten beiden DTS Titel waren ja damals erste Sahne. Deutlich schwieriger als Hitman. Z.B. Die Wachen haben Blutflecken auf gestohlenen Klamotten bemerkt, sofern man den Spender nicht blutlos über den Jordan befördert hat. Vermutlich daher auch die Nazimissionen: Anknüpfung an die beiden Vorgänger. Kann sein, dass der Entwicklertausch an dem Test schuld ist, kann aber auch sein, dass Hitman sich nicht gerne mit Konkurrenz misst. Absolution war schon sehr für die Masse vereinfacht worden, und jetzt noch die Episodengeschichtee, die zweifelsohne nicht nur auch Zuspruch bei Fans gestossen ist...

  2. Ich hatte mir gestern noch ein Gameplayvideo angeguckt, da wirkte das zwar wirklich 1:1 wie ein Hitmanabklatsch (selbst das Level mit Gangsterboss in Villa und Brandbeschleuniger auf dem Herd wie aus Hitman BloodMoney geklaut), aber es wirkte da zumindest recht überzeugend.
    Aber der Test spricht ja eindeutige Worte, da vertraue ich mal drauf.

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