Der Zahn der Zeit

Way Forward? Da war doch was! Richtig: In den letzten Jahren ist das Team aus Kalifornien vornehmlich durch die liebevoll designten Jump&Runs rund um die einstmals als Bauchtänzerin gestartete, jetzt aber als Piratin herumhüpfende Shantae aufgefallen. Doch sie haben schon vor sechs Jahren mit dem Puzzle-Plattformer A Boy and His Blob bewiesen, dass sie es verstehen, motivierende Mechaniken in ein stimmungsvolles Gewand zu packen. Uns war die Neuinterpretation eines NES-Titels, der seinerzeit von Pitfall-Meister David Crane entwickelt wurde, bei seiner Wii-Premiere satte 86% samt eines Gold-Awards wert. Und vieles von dem, was damals begeisterte, ist natürlich auch jetzt wieder mit von der Partie und gewinnt in der immer hektischer werdenden Spielewelt mit seinen keine Fehler verzeihenden Rogue-likes oder der immer schneller bzw. lauter werdenden Action zusätzliche Bedeutung.

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Immer wieder und damit zu häufig begegnet man Schildern, die einem klar und deutlich sagen, was als nächstes zu tun ist. © 4P/Screenshot

Doch worum geht es? Im Prinzip muss man den Jungen, der auf sich alleine gestellt, ziemlich hilflos ist, von Startpunkt a zu Zielpunkt B bringen. Doch seine Hüpffähigkeiten sind beschränkt, er kann nicht schwimmen, aus mittleren Höhen abzustürzen ist ebenfalls fatal. Und wenn er die clever in den 40 überschaubaren Abschnitten platzierten düster wirkenden Gegner berührt, wird ebenfalls an den letzten der fair gesetzten Kontrollpunkte zurückgesetzt. Doch er ist nicht alleine unterwegs: Der ihn begleitende Blob kann sich mit Hilfe von verschiedenfarbigen Geleebohnen in diverse Hilfsmittel verwandeln. Mit einer Leiter kann man ebenso höher gelegene Abschnitte erreichen wie mit dem Trampolin. Der Fußball oder der Amboss sind perfekt dazu geeignet, um Gegner aus dem Weg zu räumen – gleiches gilt für das Loch im Boden, dass Blob öffnen und Feinde hindurchfallen lassen kann. Und wenn es gilt, tiefe Abgründe gefahrlos zu erreichen, ist u.a. der Fallschirm-Blob ein probates Mittel. Über ein Dutzend dieser Fähigkeiten, die dem Jungen schließlich sogar ermöglichen, auf Wasser zu treiben, kann Blob im Laufe der Zeit mit der entsprechenden Süßigkeit nutzen.

Puzzlespaß und Harmonie


Neben der Erreichung des Zieles kann man in jedem Abschnitt optional drei Kisten finden, die vor allem ab der zweiten von vier Welten das Gros des Puzzle-Potenzials bilden. Wie kommt man jetzt hierhin oder dorthin? Wie kann man die Kontrahenten am geschicktesten ausschalten? Und wie kommt man wieder weg, nachdem Blob die Kiste mit einem schmatzenden „Nom“ aufgenommen hat? Schafft man es, alle drei Kisten zu finden, wird übrigens ein Herausforderungslevel freigeschaltet, der nach erfolgreicher Bewältigung in erster Linie Artworks zur Betrachtung freigibt.

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Manchmal braucht es ein starkes Kaliber… © 4P/Screenshot

Schade ist allerdings, dass trotz aller Anforderung, die A Boy and his Blob an Hand/Auge-Koordination oder Timing stellt, das nach wie vor sehr sympathische Abenteuer etwas zu leicht ist. Man hat nicht nur unbegrenzt Jellybeans zur Verfügung. Es findet eine automatische Vorauswahl statt, so dass man tatsächlich nur die Farben dabei hat, die einem im nächsten Abschnitt helfen. Und an vielen Stellen sind Hinweistafeln im Level verankert, die einem mit einem leicht zu entziffernden Symbol sagen, welche Bohne man verwenden sollte. Und damit gibt man dem Spieler für mein Empfinden zu viele Hilfen, so dass unter dem Strich auch der Anspruch sinkt – wenngleich man dem Spiel zu Gute halten muss, dass es keinerlei unfaire Stellen gibt. Fordernd ja, aber unfair nie.

Auf der anderen Seite stellt Way Forward hier den Puzzleanspruch nicht zwangsläufig in den Vordergrund. Stattdessen wird das Erleben der Spielwelt in den Fokus gerückt. Es gibt keine Zeitnot und nur selten gerät man in Panik. Nach einem gelösten Rätsel kann man sich entspannen, umschauen und einfach nur die stimmungsvolle Cartoon-Kulisse genießen, die mit einfachen Stilmitteln sowie stets in Bewegung befindlicher Elemente  eine mal farbenfrohe, dann wieder düster-melancholische Welt zaubert. Die Animationen sind bis auf ein paar Übergänge bei Blob wunderschön, wobei vor allem eine Szene hervorsticht, die spielmechanisch keinerlei Relevanz hat, aber das Herz mit Wärme erfüllt. Auf Knopfdruck kann der Junge den Gestalt wandelnden Begleiter in den Arm nehmen. Blob erwidert dieses Zeichen der Zuneigung und Dankbarkeit und mit einem wunderbar niedlichen Lächeln, das sich auf die Gesichter der Protagonisten und nur kurze Momente später auch auf meins legt, wird diese jederzeit wiederholbare Geste beendet.

Wehwehchen

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Die Cartoon-Kulisse wechselt ständig zwischen bedrohlich und beschaulicher Idylle. © 4P/Screenshot

Trotz dieser in ihrer Einfachheit immer wieder berührenden Geste und einem rundum gelungenen Wohlfühl-Faktor strahlt A Boy and his Blob etwas mehr als sechs Jahre nach seiner Wii-Premiere nicht mehr ganz so hell. Dazu ist im Bereich der Puzzler-Platformer einfach zu viel passiert. Titel wie Leo’s Fortune konnten ebenso überzeugen wie Ori and the Blind Forest, erst vor kurzem hat Mushroom 11 mit einer neuen kreativen Interpretation des Themas überrascht. The Swapper. Contrast. Fez. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Der Junge und sein Blob sind nicht mehr fast allein auf weiter Flur.

Zudem lassen sich bei der Kulisse im Hintergrund immer wieder grobe Pixel blicken, die bei einem Spiel in Full-HD-Auflösung mehr stören als dass sie leichtes Retro-Flair vermitteln. Hier hätte man anstelle einer einfachen Portierung der ursprünglichen Grafik-Assets durchaus Hand anlegen, aufhübschen und damit ein zeitgemäßes HD-Remake eines Reboots eines Klassikers anbieten können. Doch ungeachtet dessen ist A Boy and His Blob nach wie vor ein lohnenswertes Spielerlebnis.

  1. Hier bricht ein 4Players-Redakteur mit der Redaktionsphilosophie, dass es grundsätzlich keine Nachtests mit angepassten Wertungen gebe. Konkret werden einem Spiel aufgrund von Alterserscheinungen 2 % abgezogen, anstatt einfach zu besprechen, ob es rein technisch auch auf dem PC überzeugt - und ansonsten bei der einstigen Wertung zu bleiben.

  2. Ist halt anders. Mehr Rätsel, weniger Geschicklichkeit (das aber auch).
    Das Spiel hat ein langsameres Tempo. Kann mich gerade auch nicht erinnern, ob die Rücksetzpunkte so verzeihlich wie bei Rayman waren.

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